Landesregierung Thüringer Staatssekretärs-Affäre: Ramelow sieht Fehler bei Rechnungshofbericht
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18. April 2023, 02:12 Uhr
Der Thüringer Rechnungshof hat der rot-rot-grünen Landesregierung schwere Vorwürfe wegen ihrer Personalpolitik gemacht. Nun macht Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) den Rechnungsprüfern Vorhalte. Das Thema wird heute Abend bei "Fakt ist! aus Erfurt" diskutiert und live im MDR FERNSEHEN und online bei MDR THÜRINGEN übertragen. Die Thüringer sind sich in der Einschätzung bei der Postenvergabe in Thüringen laut dem MDR-Meinungsbarometer MDRfragt einig.
Der Streit um die Einstellungspraxis für hohe Jobs in der Landesregierung geht weiter. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat dem Rechnungshof Versäumnisse vorgeworfen.
In dem Sonderbericht der Behörde zur Personalpolitik seien objektive Fehler enthalten, die bis heute nicht korrigiert worden seien, sagte Ramelow der Nachrichtenagentur dpa. "So verzwergt sich der Rechnungshof selbst und läuft Gefahr, sich zu einem politischen Instrument machen zu lassen", kritisierte er.
Ramelow: Aussagen müssen korrigiert werden
Inzwischen werde auch wegen solcher mutmaßlichen Falschdarstellungen öffentlich nicht mehr darüber diskutiert, was bei Einstellungen in den Staatsdienst anders gemacht werden könne, "sondern wen man kritisiert".
Nach dpa-Informationen hat Ramelow inzwischen auch in einem Schreiben an den Rechnungshof gefordert, bestimmte Aussagen aus dem Sonderbericht zu korrigieren.
Der Rechnungshof hatte die Einstellungspraxis bei Staatssekretären sowie dem Personal im direkten Umfeld der Minister und Ministerinnen massiv kritisiert und von schwerwiegenden Verstößen gesprochen. Zudem wurde moniert, dass die Leitungsebene in der Staatskanzlei beziehungsweise in den einzelnen Ministerien unter Rot-Rot-Grün um zahlreiche Stellen aufgestockt worden sei.
Opposition kritisiert Landesregierung
Aus Sicht der Rechnungsprüfer ist das ein Verstoß gegen das Gebot, möglichst sparsam mit Steuergeldern umzugehen. Die Opposition hatte die Aussagen des Rechnungshofes immer wieder zum Anlass für scharfe Kritik an der Landesregierung genutzt.
Rechnungshof bemängelt Personalzuwachs
In seinem Schreiben an die Präsidentin des Rechnungshofes, Kirsten Butzke, kritisierte Ramelow unter anderem die Aussage, im Leitungsbereich der Staatskanzlei seien während seiner Regierungszeit zusätzliche Stellen geschaffen worden.
Das sei nicht richtig und führe offenkundig zu falschen Schlussfolgerungen in der öffentlichen Debatte, hieß es in dem der dpa vorliegenden Brief. "Es wäre daher der Sachaufklärung zuträglich, wenn der Thüringer Rechnungshof selbst die Kraft hätte, diesbezüglichen Fehlinterpretationen seiner Prüfergebnisse entgegenzuwirken."
Die Rechnungsprüfer wiesen in ihrem Bericht für das Jahr 2013 - also dem letzten Jahr vor der rot-rot-grünen Übernahme der Regierungsgeschäfte in Thüringen - insgesamt 14 Stellen im Leitungsbereich der Staatskanzlei aus. Im Jahr 2020 seien es dort dann 24 gewesen.
Auch für andere Ressorts monierten sie den Personalaufwuchs in den Führungsebenen der Häuser. Bezweifelt wird, "dass dieser Stellenanstieg auf einer ordnungsgemäßen beziehungsweise überhaupt einer Personalbedarfsplanung basierte".
Ramelow: Keine neuen Stellen geschaffen - aber Regeln werden geändert
Nach Angaben der Landesregierung aber sind insbesondere in der Staatskanzlei keine neue Stellen geschaffen, sondern nur bestehende Stellen dem Leitungsbereich zugeordnet worden.
Konkret sei das Bürgerreferat der Regierungszentrale an den Leitungsbereich angegliedert worden. "Es ist nur das Organigramm geändert worden, das ist nachprüfbar", so Ramelow. Es sei dazu kein einziger Mitarbeiter neu eingestellt worden. Den Steuerzahlern seien durch die Umorganisation keinerlei zusätzliche Kosten entstanden.
Allerdings hatte die Landesregierung bereits neue Regeln beim Einstellen von Spitzenbeamten in Thüringen angekündigt. Unter anderem soll die Zahl der politischen Beamten reduziert werden. Die Details stehen aber noch nicht fest. Auch ein von der Landesregierung angekündigter Sonderbeauftragter harrt noch seiner Verkündung. Zuletzt wurde die Kulturstaatssekretärin Tina Beer nach ihrer Probezeit verbeamtet.
FDP für "schonungsloses Aufklären"
Die CDU im Landtag nannte Ramelows Kritik "abgehoben und schäbig". Ramelow zeige sich von der Realität entrückt, so der parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Andreas Bühl. Der Regierungschef habe offenbar noch nicht verstanden, dass er Ernennungsurkunden für Staatsbedienstete unterschrieben hat, denen die Qualifikation fehle.
Ähnlich äußerte sich die FDP. Es stehe Ramelow nicht zu, an der politischen Unabhängigkeit des Thüringer Rechnungshofes zu rütteln. Das Land brauche keine "Pseudo-Debatte", sondern "schonungsloses Aufklären der Parteibuch-Affäre", sagte Thomas Kemmerich, Sprecher der Liberalen im Landtag. Ramelow versuche nachträglich, den Rechnungshof zum Sündenbock zu stempeln.
Der AfD-Politiker Ringo Mühlmann kritisierte: "Herr Ramelow versucht ganz offensichtlich vom eigenen Fehlverhalten abzulenken, indem er den Mitarbeitern des Thüringer Rechnungshofes Fehlinterpretationen der Prüfungsergebnisse unterstellt." Zudem drängte die Fraktion auf eine "vollumfängliche Aufklärung" der Einstellungspraxis.
Einstellungspraxis heute Abend Thema bei MDR Fakt ist! aus Erfurt
Der Streit um die Einstellung von Spitzenbeamten ist am Montag, um 22:10 Uhr Thema in der MDR-Fernsehsendung "Fakt ist! aus Erfurt". Den Livestream sehen Sie online ab 20:15 Uhr auch hier: Zur Sendung Fakt ist!-Sendung aus Erfurt: Politiker am Pranger - Vetternwirtschaft oder Bestenauslese?
Weitere Infos zur Sendung und den Gästen heute Abend lesen Sie hier.
Was die Thüringer zur Staatssekretärs-Affäre sagen
Vor der Sendung haben wir Thüringer zu der Affäre um die Einstellungen von hohen Beamten gefragt. Fast zwei Drittel der Befragten ist die Diskussion um die Besetzung der Posten bekannt. Gut 30 Prozent haben davon noch nichts mitbekommen:
Mit 92 Prozent findet die überwältigende Mehrheit der befragten Thüringer die Besetzung der hohen Beamtenstellen problematisch. Nur sechs Prozent haben keine Probleme damit.
Daher befürworten auch 80 Prozent der befragten Thüringer einen Untersuchungs-Ausschuss, um die Vorgänge aufklären zu können. Dieser muss jedoch von mindestens 20 Prozent der Mitglieder des Thüringer Landtages beschlossen werden. Einen solchen Ausschuss könnten damit etwa die Thüringer Oppositionsparteien der CDU oder der AfD einsetzen.
Befragt wurden 6.005 Menschen aus Thüringen. Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Die Ergebnisse sind allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder sind also mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen. Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
MDR (dpa/co)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 17. April 2023 | 10:00 Uhr