Naturschutz Massensterben von Karpfen im Hohenwarte-Stausee befürchtet
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31. Juli 2024, 08:55 Uhr
Anfang der 1990er-Jahre wurden tausende Silber- und Marmorkarpfen in den Hohenwarte-Stausee eingesetzt. Sie sollten die Wasserqualität verbessern helfen. Inzwischen sind die Fische in die Jahre gekommen und könnten nun in großer Zahl sterben, wie vor allem Tourismus-Unternehmen befürchten.
An manchen Tagen sind die Silber- und Marmorkarpfen schon aus der Luft zu sehen, sagt Falko Tiesel. Er steht auf seinem Ausflugsschiff neben der Staumauer. Im Sommer fahren die Schiffe dreimal täglich über den Stausee.
Dann passieren sie oft ganze Schwärme der großen Fische, die Anfang der 1990er-Jahre wegen der Algenteppiche an der Hohenwarte eingesetzt wurden. "Wir hatten bis zu 20 Zentimeter dicke Algenschichten auf dem Wasser", sagt Falko Tiesel. "Jetzt haben wir selbst in warmen Sommern keine solche Plage mehr."
Joachim Krause hat die Tiere damals selbst mit zum Stausee transportiert. Als Mitarbeiter eines Fischereiunternehmens fuhr er dazu in die Gegend von Torgau und brachte die damals etwa 500 Gramm schweren Silber- und Marmorkarpfen mit. "Wir sind mit den Containern in der Lothrabucht bis ins Wasser gefahren", erzählt er. "Dann haben wir sie eingesetzt und nach ein paar Tagen waren alle in den Stausee rausgeschwommen."
Bis zu zwei Meter große Karpfen
Inzwischen sind über 30 Jahre vergangen und die nun bis zu zwei Meter großen Tiere bringen ein stattliches Gewicht auf die Waage. Im Durchschnitt sind es um die zehn Kilo, sagt Krause, der selbst schon durch Zufall Marmorkarpfen gefangen hat.
Denn angeln lassen sich die Tiere eigentlich nicht. "Sie haben keine Zähne, sondern filtern das Wasser und nehmen dabei Plankton und Algen auf. Deshalb interessieren sie sich auch nicht für Angelhaken mit Beute."
Das Landratsamt für den Saale-Orla-Kreis geht davon aus, dass noch etwa ein Drittel der damals eingesetzten Karpfen im Hohenwarte-Stausee unterwegs ist. Bei ursprünglich 70.000 Tieren wären das etwa 24.000, mit einem entsprechenden Gesamtgewicht also umgerechnet 240 Tonnen Fisch.
Sie haben keine Zähne, sondern filtern das Wasser und nehmen dabei Plankton und Algen auf. Deshalb interessieren sie sich auch nicht für Angelhaken mit Beute.
Experten sprechen von einer tickenden Zeitbombe, denn die Lebensdauer liegt zwischen 25 und 30 Jahren. Die sind inzwischen verstrichen, und Anlieger wie Touristiker fürchten nun ein Massensterben wie an der Talsperre Heyda. Dort starben im Frühjahr 2013 tausende Fische an Altersschwäche. Helfer mussten die stinkenden Kadaver mühsam beseitigen.
Karpfen schwer aus dem Wasser zu holen
Für den Tourismus am Hohenwarte-Stausee wäre ein solches Szenario eine Katastrophe. Deshalb fordern sie seit langem, die Karpfen zu entnehmen, ehe es zu spät ist. Doch das ist schwierig. "Wir haben hier unterschiedliche Wassertiefen, da muss man die Fische erst mal finden", sagt Joachim Krause. "Und mit dem Schleppnetz entnimmt man auch viele Nutzfische, was das ganze System durcheinanderbringt."
Denn neben den Riesenkarpfen bevölkern auch viele Barsche, Hechte und Zander den Stausee. Sie würden in den Schleppnetzen von den Riesenkarpfen wohl zerquetscht werden.
Und mit dem Schleppnetz entnimmt man auch viele Nutzfische, was das ganze System durcheinanderbringt.
Fachleute gehen inzwischen davon aus, dass die Lebenserwartung der Karpfen bis zu 70 Jahre betragen könnte. Deshalb bleibt auch das Landratsamt entspannt und will erst einmal keine große Aktion zur Entnahme starten. "Wir haben zusammen mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt einen Gewässerschutzplan für die Talsperren", sagt der Landrat des Saale-Orla-Kreises, Christian Herrgott (CDU). "Dort ist auch die Situation eines plötzlichen Massensterbens von Fisch geregelt."
Bekommen die Karpfen in der Hohenwarte Nachwuchs?
Noch streiten die Experten, ob die Karpfen im Hohenwarte-Stausee schon Nachwuchs produzieren. Dafür sind eigentlich wärmere Gewässer nötig. Doch mit dem Klimawandel steigen auch die Temperaturen des Stausees. Und Martin Görner vom Artenschutz-Zentrum in Ranis ist überzeugt, dass es im Stausee schon eine jüngere Generation Silber- und Marmorkarpfen gibt. "Wir haben hier im Zentrum einen präparierten Karpfen aus der Saale", sagt er. "Der wurde auf etwa acht Jahre geschätzt."
Fischexperte Joachim Krause glaubt nicht, dass die Karpfen in nächster Zeit in großen Mengen sterben. Anders als in Heyda gebe es im Hohenwarte-Stausee auch im Winter ausreichend Wasser, in dem sich die Tiere frei bewegen können. "Ich habe bisher immer nur mal ein paar einzelne tote Fische gesehen", sagt Krause. "Das ist aber normal."
Er ist überzeugt, dass die Karpfen gesund sind und genügend Nahrung haben. An den wenigen gefangenen Exemplaren konnte er jedenfalls keine Alterserscheinungen feststellen.
Karpfen-Frage bleibt offen
Das Problem für Artenschützer Martin Görner ist, dass die Tiere alle gleichaltrig sind. Damit steigt die Gefahr, dass sie alle gemeinsam sterben. Wann das ist, wisse niemand, so Görner. Er plädiert trotz aller Hemmnisse dafür, die Fische aus dem Stausee zu holen.
Unklar ist, was bei einer Entnahme der Fische mit dem Stausee-Wasser passiert. Ohne die Karpfen dürfte der Algenbewuchs wieder steigen. Da stecken auch die Touristiker in einer Zwickmühle.
MDR (adr/sar)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 30. Juli 2024 | 19:00 Uhr
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