Nationalsozialismus Opfer der NS-"Euthanasie": Schülerinnen lassen Stolperschwelle in Stadtroda verlegen
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06. März 2025, 12:53 Uhr
Es ist ein Denkmal mitten im Alltag, eines das dazu auffordert hinzusehen und sich an die Verbrechen der NS-"Euthanasie" in Stadtroda zu erinnern. Eine Stolperschwelle ziert nun den Bürgersteig unterhalb der Klinik. Sie erinnert an die Menschen, die dort vor und während des Zweiten Weltkriegs von Ärzten und Pflegepersonal ermordet wurden. Initiiert wurde die Verlegung der Schwelle von drei Gymnasiastinnen.
- Schülerinnen behandeln Stadtrodaer "Euthanasie"-Geschichte in Seminararbeit.
- Stolperschwelle soll auch außerhalb der Klinik an Nazi-Opfer erinnern.
Die Aufregung ist Laura Köhler, Nora Schulz und Klara Opitz deutlich anzumerken. Zögernd treten die drei Elftklässlerinnen an diesem kalten Mittwochmorgen ans Mikrofon, begrüßen die zahlreichen Menschen, die sich unterhalb des Asklepios-Klinikgeländes in Stadtroda versammelt haben, weiße Rosen in den Händen. Auf dem Bürgersteig vor ihnen ist ein Loch, etliche Pflastersteine liegen daneben, die Erde aufgeschüttet.
Im Boden wurde Platz gemacht für eine Stolperschwelle - ein 60 Zentimeter langer goldfarbener Balken, mit dem an diejenigen gedacht wird, die vor und während des Zweiten Weltkriegs in der damaligen Heilanstalt in Stadtroda von Ärzten und Pflegepersonal ermordet wurden.
Das einfache Denkmal hat eine so große Botschaft. Es fordert uns auf hinzusehen.
"Das einfache Denkmal hat eine so große Botschaft. Es fordert uns auf hinzusehen und lenkt unseren Blick auf die Geschichten, die in unserer Nachbarschaft an diesem Ort geschrieben wurden. Und auf die Menschen, die mit diesen Geschichten verbunden sind", spricht Klara zu den Menschen, die zur Verlegung der Stolperschwelle gekommen sind, darunter auch Angehörige von Opfern.
Ereignisse in Stadtroda - Thema der Seminarfacharbeit
Seit August 2024 forschen die drei Schülerinnen des Pestalozzi-Gymnasiums in Stadtroda im Rahmen ihrer Seminarfacharbeit zur Geschichte der Eugenik der Nazis in der Stadt.
"Mein Schulweg führt über das Klinikgelände, da kam uns die Idee, einmal im Internet zu recherchieren, was es zur Klinik in Stadtroda alles gibt. Und da sind wir auf echt was Großes gestoßen. Leider! Dann war uns ziemlich schnell klar, dass wir uns damit befassen wollen", erzählt Nora davon, wie sie auf das Thema ihrer Seminarfacharbeit gekommen sind.
Seit 1940 war die damalige Anstalt in Stadtroda tief verstrickt in die NS-Krankenmorde. Die Menschen dort wurden nackt in eine Zelle gesperrt, ruhiggestellt, Medikamente und Essen verweigert. Mehr als 2.200 Kinder, Männer und Frauen starben in Stadtroda, weil sie nicht der Rassenideologie der Nazis entsprachen.
NS-"Euthanasie" Bis 1945 fielen mehr als 300.000 Menschen in Deutschland der Euthanasie zum Opfer. Sie entsprachen nicht der Rassenideologie der Nazis, waren "lebensunwert", körperlich oder geistig behindert. Viele hatten auch andere Makel, die nicht der Vorstellung der Nazis von einem "gesunden Deutschen" entsprachen. Männer, Frauen und auch Jugendlichen wurden zwangssterilisiert, damit sie sich nicht fortpflanzen konnten. Tausende wurden ermordet.
Gedenken auch außerhalb des Klinikgeländes
Bisher erinnern ein Gedenkstein und der Glockenturm an die Opfer - allerdings nur auf dem Klinikgelände. Das wollten Nora, Laura und Klara mit der Stolperschwelle ändern. "Erstmal waren wir ein bisschen ratlos, wo man da anfängt und dann haben wir gegoogelt und die Stadt angefragt, ob das überhaupt in Ordnung ist und dort dann auch Unterstützung bekommen", erzählt Klara.
Es ist natürlich schön zu sehen, dass wir damit so viel bewirken können.
Mit der Stolperschwelle, die anders als ein Stolperstein einer ganzen Opfergruppe gedenkt, rückt das Thema nun auch außerhalb des Klinikgeländes in die Wahrnehmung, ist sich Dr. Udo Polzer, Ärztlicher Direktor der Asklepios-Klinik Stadtroda sicher.
"Es ist natürlich schön zu sehen, dass wir damit so viel bewirken können. Auch an den Rückmeldungen, die wir jetzt bekommen haben und auch daran, wie viele Leute hier sind, sieht man, dass es einfach eine große Sache ist, die wir auf die Beine stellen konnten, und da sind wir schon sehr stolz. Jetzt zu sehen, dass der Stein im Boden liegt, ist ein schönes Gefühl", erzählt Laura.
Es dauert keine Stunde, da ist das Loch im Boden auf dem Fußweg geschlossen. Statt grauer Pflastersteine mahnt nun der goldfarbene Balken daran, nicht zu vergessen und dass sich Geschichte nicht wiederholen darf. Jeder in Stadtroda kann jetzt ganz bewusst darüber "stolpern", davon sind Laura, Klara und Nora überzeugt.
Mehr zur Geschichte der Stolpersteine sehen Sie in dieser Kurzdoku von Arte auf Instagram:
MDR (ls)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 05. März 2025 | 19:00 Uhr
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