Supermond und Straßenlaterne
Sollte es nachts im Dorf dunkel bleiben? - Die Meinungen gehen auseinander. Bildrechte: IMAGO/Marc John

Der Redakteur | 25.11.2024 Bürgel macht die Lichter aus: Muss eine Gemeinde nachts die Straßen beleuchten?

25. November 2024, 15:52 Uhr

Katrin Zunft lebt in Thalbürgel, einem Ortsteil der Landstadt Bürgel im Saale-Holzland-Kreis. Seit etwa einem Monat werden hier nachts zwischen 0 und 4 Uhr die Straßenlaternen ausgeschaltet, um Geld zu sparen. Katrin Zunft fragt sich, wie viel Geld das eigentlich spart und ob das die Gemeinde überhaupt darf. Redakteur Thomas Becker hat sich mit dem Thema auseinandergesetzt.

Thomas Becker
Bildrechte: MDR/Christoph Falkenhahn

Hintergrund ist die angespannte finanzielle Lage der Stadt, die Töpfe in Bürgel sind leer. Seit 2015 steht Bürgel unter einem Haushaltssicherungskonzept. Darin hat sich die Stadt zum Sparen verpflichtet, konkret auch zum Lichtabschalten, überwacht wird das von der Kommunalaufsicht. Deren Sparvorgabe in Sachen Stromkosten lautet für Bürgel: 15.000 Euro im Jahr. Die von Bürgel anvisierte Summe zur Einsparung liegt zwischen 20.000 € und 30.000 €.

Klingt nach nicht so viel, aber eine alternative Streichposition hat der Stadtrat auch nach längerer Debatte nicht gefunden. Wo man auch zog, die Decke war zu kurz. Also bleibt es erstmal dunkel in der Nacht. Doch ist das rechtlich überhaupt möglich? Für eine Antwort reicht der Blick in den angenehm übersichtlichen Paragrafen 9 des Thüringer Straßengesetzes.

Demnach sind Kommunen nicht verpflichtet, Straßen zu beleuchten. Dennoch sorgt der Stadtratsbeschluss für Diskussionen und stellt Bürgermeister Sebastian Förster (parteilos) vor kommunikative Herausforderungen. Förster verweist im Gespräch mit MDR THÜRINGEN auf den Gemeinschaftsgedanken und die Notwendigkeit, individuelle Interessen zugunsten des Allgemeinwohls zurückzustellen.

Aus Solidarität habe der Stadtrat deshalb entscheiden, dass alle Lampen im Ort ab Mitternacht ausbleiben. Am Ende kann nämlich auch Bürgel jeden Euro nur einmal ausgeben. Ideen wie Bewegungsmelder oder sektionsweise Beleuchtung seien finanziell nicht umsetzbar, zumal das bestehende Netz diese Lösungen auch gar nicht unterstützen würde.

Bürgel bleibt nicht alleine dunkel

Die Frage, wie sinnvoll Straßenlaternen überhaupt sind, wurde zuletzt in der MDR THÜRINGEN-App kontrovers diskutiert. Katrin Zunft aus Thalbürgel wohnt in einer Gegend, in der man in den Nächten ohne Mondlicht die Hand vor Augen nicht mehr sieht. Sie sagt, das sei gefährlich für Schichtarbeiter und eine Einladung für Langfinger.

Eine sehr helle Straßenlaterne
Eine Befürchtung viele Bürger: Bleiben die Laternen aus, zieht das Langfinger an. Bildrechte: picture alliance/dpa | Lino Mirgeler

Alex aus Jena schreibt, es sollten aus Energiespargründen in noch mehr Dörfern und Städten nachts die Lichter ausgehen. Steffen aus Trockenborn-Wolfersdorf im südlichen Saale-Holzland-Kreis sitzt mit seiner Gemeinde nachts schon lange im Dunkeln. Seine Kritik: Das seien Sparmaßnahmen, die zu Lasten der Bürger gehen und dunklen Gestalten in die Hände spielen. Jörg Heyl aus Neuenbeuthen im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt schreibt hingegen mit einem Augenzwinkern, dass in seiner Gemeinde auch schon seit Jahren die Lichter aus sind. "Wir müssen da auch immer im Dunkeln vom Stammtisch heim."

Der Stammtisch wäre übrigens ein guter Platz für die allgemeine Diskussion, denn am Ende ist es immer eine Entscheidung der Gemeinde beziehungsweise Kommune - mit Mehrheitsbeschluss des Rates - wie viel Geld die nächtliche Illumination Wert ist. Die Thüringer Energieagentur, die Kommunen auch zum Thema "Modernisierung von Straßenlaternen" berät, hat ausgerechnet, dass 10 Euro pro Jahr und Einwohner anfallen, die mit modernen Technologien auf 2 bis 5 Euro sinken können.

Die Energiekosten können um 50 bis 80 Prozent sinken, wenn energieeffiziente Technologien wie LED-Technik oder gedimmte Natrium-Dampf-Lampen zum Einsatz kommen.

Thüringer Energieagentur

Die Andreaskirche in Erfurt mit LED Straßenbeleuchtung
LED-Straßenlaternen können helfen, die Kosten für die Beleuchtung zu senken. Bildrechte: IMAGO / VIADATA

LED-Lampen: Einsparpotenzial und Herausforderungen

Auch wenn eine Ersparnis von 80 Prozent sehr verlockend klingt - die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED-Technologie kann sich nicht jede Kommune leisten, schon gar nicht, wenn sie sich wie Bürgel in der Haushaltssicherung befindet. Zwar berät die Thüringer Energieagentur auch zu Fördermöglichkeiten, nur der Eigenanteil bleibt am Ende trotzdem und so lange der Freistaat Geld zuschießt über die sogenannte Bedarfszuweisung, um den Haushalt auszugleichen, sind die Taschen der Kommunen teilweise zugenäht.

Den Kommunen in der Haushaltsicherung wird das Leben dahingehend erschwert, dass solche investive Sachen in der Regel nicht finanziert werden dürfen über die Bedarfszuweisung.

Sebastian Förster, Bürgermeister von Bürgel

Bislang wurden in Bürgel bereits etwa 75 Prozent der Straßenlampen auf LEDs umgerüstet, ermöglicht durch Fördermittel. Dennoch betont Förster, dass selbst eine vollständige Umrüstung nicht automatisch zu einem durchgehenden Betrieb führen muss. Das ist letztlich wieder eine Entscheidung des Stadtrates, der bei solchen Entscheidungen ganz sicher auch in die Bevölkerung reinhorcht. Denn die sogenannte "Lichtverschmutzung", also das Erleuchten der Orte in der Nacht, gefällt auch nicht jedem.  

Lichtblick in Bürgel: Weg aus der Haushaltssicherung

Sebastian Förster, der am 1. September 2024 neu ins Amt gewählt wurde, hofft, bis Ende 2025 aus der Haushaltssicherung herauszukommen. Dies würde der Stadt Bürgel mehr finanzielle Freiheit geben, auch bei der Straßenbeleuchtung.

Trotzdem ist er mit Versprechungen vorsichtig: Ein durchgängiger Betrieb aller Lampen hängt auch wieder von zukünftigen Stadtratsbeschlüssen ab, sodass der Bestand der endlich wieder erreichten "Schwarzen Null" auch weiterhin durch eine schwarze Nacht erkauft werden könnte. 

MDR (ask)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 25. November 2024 | 15:45 Uhr

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