Hintergrund Jenaplan-Schule – Die Pädagogik nach Peter Petersen
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23. April 2024, 14:14 Uhr
Wissensdurst, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt sind die Kernkompetenzen, die Schülerinnen und Schüler an Jenaplan-Schulen erwerben sollen. Individuelle Förderung steht im Vordergrund. Wie der Unterricht dort aufgebaut ist und auf welchen Grundlagen er beruht, erfahren Sie hier.
Der Unterricht an Jenaplan-Schulen ist ganz anders als an Regelschulen: keine 45-Minuten-Stunden, keine Noten in der Grundschule und kein Sitzenbleiben. Stattdessen stützt sich das Konzept auf die Kombination aus Arbeit, Spiel, Feier und Gespräch. Auch die Altersdurchmischung spielt eine große Rolle bei der Peter Petersen Pädagogik.
Die meisten Jenaplan-Schulen sind staatliche Schulen, die jedoch Fördervereine haben, um die Kosten für die Umsetzung aller schulischen Aktivitäten decken zu können.
Da sich alle Jenaplan-Schulen an den Rahmenlehrplänen der jeweiligen Bundesländer orientieren, können Schülerinnen und Schüler dort, je nach Schulform, staatlich anerkannte Schulabschlüsse erwerben, wie den Hauptschulabschluss oder das Abitur.
Stammgruppen und Kurssystem
Um der Jenaplan-Pädagogik gerecht zu werden, wird nach besonderen Standards gelernt. Es existiert eine rhythmisierte Wochenplanung, in der soziales und individuelles Lernen jedem einzelnen Kind ermöglicht wird. Basiswissen und -fähigkeiten werden individuell vermittelt, in einem differenzierten Kurssystem.
Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Kreativität und Kritikfähigkeit stärkt man durch Formen des Zusammenlebens wie Gruppenunterricht, Feiern und Kreisgespräche.
In den Jenaplan-Schulen werden jahrgangsübergreifende Stammgruppen gebildet, in denen Kinder aus drei Jahrgängen miteinander arbeiten und voneinander lernen. Dies wiederum soll Fähigkeiten wie soziales Verhalten oder emotionale Stabilität schulen. Vergleich und Selektion sind dabei unangebracht.
Wochenplan statt Stundenplan
"Der 45-Minuten- oder ähnliche Stundentakt zerreißt Motivation, zerhackt das Lernen der Kinder", so der Verein Gesellschaft für Jenaplan-Pädagogik in Deutschland. Die Wochenpläne, die anzeigen, was in den nächsten Tagen gelernt wird, richten sich also nach dem Lernrhythmus des Kindes, den projektorientierten Phasen und leistungsdifferenzierten Kursphasen. Zensuren gibt es erst ab der siebten Klasse.
Auf Entdeckertour
Entdecken und Forschen sind wesentliche Pfeiler der Jenaplan-Pädagogik. Denn beides gehört zum kindlichen Lernverhalten. So bekommen Kinder an den Jenaplan-Schulen vor allem im Kernunterricht die Möglichkeit, "aktiv, praktisch, ohne einengende Vorgaben selbst zu entdecken, zu experimentieren, zu forschen, mit den begleitenden Tätigkeiten des Planens und Reflektierens", definiert die Gesellschaft für Jenaplan-Pädagogik in Deutschland.
Diesem System wird das Schulhaus angepasst, mit Arbeits- und Lebensräumen. Bewegliches Mobiliar, keine räumlichen Einschränkungen, viele Pflanzen und Rückzugsmöglichkeiten sollen hier als Beispiele genannt werden.
Der Begriff "Schulwohnstuben" bezeichnet diesen Ansatz. Einbezogen in den Einrichtungsprozess wie auch den Lernprozess sind in verstärktem Maß Eltern, Partner, Vertreter der Gemeinde. Zu ihnen soll es möglichst viel Kontakt geben. Sie sind es auch, denen die Ergebnisse der einzelnen Projektphasen vorgeführt werden. Dies ist ein weiterer Kern von Jenaplan: Alle Arbeitsergebnisse werden öffentlich präsentiert, da Öffentlichkeit erzieht.
Peter Petersen
Die Jenaplan-Pädagogik wurde 1924 von Dr. Peter Petersen am Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft an der Universität Jena entwickelt. Ziel war eine Schulform, die Kinder individuell fördert und die Gemeinschaft durch jahrgangsübergreifendes Lernen, gegenseitiges Erklären, Feiern und andere Aktivitäten in der Gruppe stärkt.
In Deutschland gibt es nach Angaben der Gesellschaft für Jenaplan-Pädagogik ca. 70 Jenaplan-Schulen. Einige dieser Schulen, die nach dem Jenaplan-Modell unterrichten, werden auch als Peter-Petersen-Schulen bezeichnet. Sein Konzept wurde ab 1927 unter dem Namen Jenaplan bekannt. Reformpädagogen aus vielen Städten und Ländern machten sich auf den Weg nach Thüringen, um sich einen Eindruck von Petersens Idee zu verschaffen
Jenaplan und der Nationalsozialismus
Ab 1933 versuchte Peter Petersen seine Idee der Ideologie des Nationalsozialismus anzupassen. Auf der einen Seite zeigte er in Vorworten oder Redebeiträgen eine zumindest nach außen ersichtliche Übereinstimmung mit den Ideologien, andererseits artikulierte er klar den Widerspruch zu den nationalsozialistischen Ideen. Das hatte Folgen. Bereits 1933 musste Petersen die ersten Schulen schließen, 1936 stoppte ein Erlass des Reichserziehungsministeriums die weitere Ausbreitung der damals über 40 Schulen. Am Ende konnte nur die Universitätsübungsschule in Jena weiterarbeiten.
Fast vergessen
Peter Petersen konnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weiterlehren, da er nicht durch eine NSDAP-Mitgliedschaft belastet war. Allerdings wurde seine Schule vom Thüringer Ministerium für Volksbildung im Jahr 1950 geschlossen und als reaktionäres Überbleibsel aus der Weimarer Republik bezeichnet.
Peter Petersen starb 1952. Ab den 1960er-Jahren beschäftigten sich vor allem niederländische Erziehungswissenschaftler mit dem Jenaplan-Modell, in deren Land es bis heute die meisten dieser Schulen (über 200) gibt.
MDR (gh)