Prof Christoph Koch
Professor Christoph Koch von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena untersucht, welche Nährstoffe und welche Schwermetalle in den Proben der Jenaer Gärtner stecken. Bildrechte: MDR/Annett Zündorf

Bürgerwissenschaften Jena: Alles gut im Garten? Forschungsprojekt zum Boden

20. Juni 2023, 05:00 Uhr

Bodenproben geben Auskunft darüber, wie es dem Boden geht. Besteht er aus Sand, Ton oder Lehm? Enthält er Schadstoffe? Fehlen bestimmte Mineralien, die für Pflanzen wichtig sind? Wie viel Nitrit ist im Boden? Agrarbetriebe sind verpflichtet, regelmäßig solche Bodenproben zu nehmen. Auch auf öffentlichen Flächen gibt es solche Analysen. Allerdings weiß kaum jemand, wie es in privaten Gärten aussieht. In Jena soll ein Projekt mit Bürgerbeteiligung dies ändern.

Am Anfang war es nur ein schöne Idee fürs Praktikum. Christoph Koch, Professor für Umweltchemie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, brachte seinen Studierenden bei, wie man Böden untersucht. Die jungen Leute brachten Erde von ihren Balkons und aus ihren Gärten, dann mal von der Mama oder vom Opa aus dem Garten mit.

"Aus diesem kleinen Projekt entstand die Idee, die Böden in Jenaer Gärten systematisch zu untersuchen", erklärt Koch. Ein aus Neugier getriebenes Projekt mit Relevanz. Die letzte flächendeckende Untersuchung öffentlicher Böden hatte es in Jena in den 90er-Jahren gegeben.

Über Gärten wissen wir nicht viel. Dabei wird in Gärten eine Menge Obst und Gemüse erzeugt. Da gibt es keine Qualitätskontrolle.

Christoph Koch Professor für Umweltchemie an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena

Gärten sind dagegen unbekanntes Terrain. Niemand weiß, was unter der Oberfläche liegt. Manchmal liegt über Schutt oder Müll aus früheren Zeiten nur eine dünne Schicht Erde. Manchmal können Schwaden eines nahen Industriebetriebes oder verunreinigtes Wasser Schadstoffe in den Boden bringen. "Über Gärten wissen wir nicht viel. Dabei wird in Gärten eine Menge Obst und Gemüse erzeugt. Da gibt es keine Qualitätskontrolle. Wir wollen wissen, was im Gartenboden drin sein könnte."

Wie kommt man an Proben aus den Gärten?

Maria Peter, Projektmitabeiterin bei Expedition Boden, hatte früher bereits in so genannten Citizen-Science-Projekten gearbeitet. Solche Projekte beziehen Daten oder Proben von Bürgerinnen und Bürgern und werten diese dann aus. Bekannte Beispiele sind die Stunde der Gartenvögel des NABU und der Insektensommer. Aber es gibt noch viel mehr Citizen-Science-Projekte. Auch in Jena bauen die Wissenschaftler auf die Hilfe der Gärtnerinnen und Gärtner, um an ihre Proben zu kommen.

Testkit
Gärtner, die am Experiment teilnehmen, können einfach so eine Probe abgeben oder zuerst dieses Testkit holen. Damit lassen sich auch pH-Wert und Nitrat-Belastung selbst messen. Bildrechte: MDR/Annett Zündorf

Wer teilnehmen möchte, muss in Jena wohnen. Die Gärtner brauchen einfach nur auf die Website des Experiments zu gehen, sich dort anzumelden, eine Bodenprobe im Garten zu nehmen und verschiedene Fragen zu beantworten. Dann gibt es eine Probennummer. Die Probe selbst kann man an verschiedenen Stellen in der Stadt abgeben - und dann heißt es warten. Denn die Probe wird in ein professionelles Prüflabor geschickt. Dort wird getestet: Wie viele der wichtigen Pflanzennährstoffe Magnesium, Kalium und Kalzium sind im Boden enthalten? Kommen Schwermetalle wie Blei, Kadmium, Arsen, Zink, Nickel, Kupfer oder Chrom vor?

Die Ergebnisse der Untersuchung gibt es ein paar Wochen später auf der Webseite. Wer noch ein bisschen mehr wissen möchte, holt sich an verschiedenen Stellen in der Stadt ein Testkit. Damit lassen sich bei der Bodenprobe der pH-Wert des Bodens sowie der Gehalt an Nitrit bestimmen. Beides sind wichtige Marker. Stimmt der pH-Wert nicht, das heißt ist der Boden zu sauer oder zu stark alkalisch, wachsen manche Pflanzen nicht. Ist der Gehalt an Nitrit zu hoch, könnte das zumindest für fleißige Gemüseanbauer- und -esser gefährlich werden.

Was untersucht werden kann und was nicht

Die Untersuchung auf Schwermetalle soll nur ein erster Schritt der Studie sein. Nach der Probennahme füllen die Forscher auch ein Glas mit Erde ab. Diese wird gefriergetrocknet und soll in einer zweiten Projektphase auf Mikroplastik untersucht werden.

Nicht möglich ist im Rahmen dieses Citizen-Science-Projektes der Nachweis von Pestiziden. "Das sind organische Schadstoffe. Sobald sie aus der Erde kommen und Kontakt mit Sauerstoff haben, werden sie abgebaut. Sie müssten sofort gekühlt werden, um die Ergebnisse nicht zu verfälschen", erklärt Koch.

Bereits auffällige Proben gefunden

Etwa 100 Proben wurden bisher untersucht. Viele sind unauffällig. Aber es gibt auch die ein oder andere, bei der die Wissenschaftler erstaunt die Augen aufgerissen haben. So enthielt eine Probe 6.900 Milligramm Blei in jedem Kilogramm Boden - ganze 0,7 Prozent!

Für jeden Stoff gibt es sogenannte Vorsorge- und Prüfwerte. "Die sind abhängig von der Bodenart und von der Nutzungsart des Bodens", erklärt Christoph Koch. Für Gärten gelten andere Werte als für einen Industriestandort. Der Vorsorgewert für Blei für den konkreten Garten liegt bei 40 Milligramm. Das bedeutet, bis zu diesem Wert ist alles unauffällig. Der Prüfwert für Blei liegt hingegen bei 400 Milligramm pro Kilogramm Boden. "Ab diesem Wert sollte man schauen, was da im Boden los ist!" Denn solche Konzentrationen eines Schwermetalls gefährden die Gesundheit.

Schlammprobe
Braun, erdig, klebrig: Feuchter Gartenerde ist nicht anzusehen, ob darin unliebsame oder gesundheitsschädliche Stoffe wie Schwermetalle stecken. Ein Projekt in Jena soll das ändern. Bildrechte: MDR/Annett Zündorf

"Werden hohe Schwermetallkonzentrationen im Boden analytisch nachgewiesen, so sollte sich der Gartennutzer an die zuständige untere Bodenschutzbehörden (UBB) wenden", heißt es vom Fachdienst Umweltschutz der Stadt Jena. Dort gibt es Experten, die bei Problemen beraten können.

Wer übernimmt die Kosten?

Die Kosten möglicher Untersuchungen und Sanierungsmaßnahmen müssen Grundstückseigentümer, Nutzer oder Verursacher übernehmen. Das Land Thüringen hat bei der Thüringer Aufbaubank ein Förderprogramm - Förderrichtlinie Altlasten - aufgelegt, über das Kosten für Untersuchungen und Sanierungsmaßnahme finanziert werden können. Anträge können betroffene Grundstückseigentümer, Pächter und Nutzer direkt bei der Thüringer Aufbaubank stellen. Ausgenommen sind lediglich Verursacher von Bodenbelastungen, sofern diese nachgewiesen werden können.

Was die Gärtner konkret tun können, hängt auch vom jeweiligen Schwermetall ab. Pflanzen nehmen unterschiedliche Stoffe unterschiedlich auf. So sind besonders Kreuzblütler wie der Kohl dafür bekannt, besonders hohe Menge an Metall aufnehmen zu können. Das führt einerseits dazu, dass bestimmte Pflanzen auf keinen Fall gegessen werden sollten. Andererseits können Pflanzen auch zur Sanierung eingesetzt werden.

Bodenprobe in Plastiktüte und Glas füllen
Abgefüllte Bodenprobe: Spätestens drei Monate nach dem Einschicken sollen die Gärtner erfahren, was bei den Untersuchungen herausgekommen ist. Bildrechte: MDR/Annett Zündorf

Spätestens drei Monate, nachdem die Proben eingereicht wurden, sollen die Gärtner erfahren, was bei den Untersuchungen herausgekommen ist. "Wir können keine ganz genauen Düngeanweisungen geben. Aber wir geben Empfehlungen und wollen ein bisschen über den Boden aufklären", erklärt Koch den Nutzen für die Teilnehmer der Expedition Boden.

Das Ergebnis des Experiments Boden ist offen

Auf ihre Forschungsergebnisse sind die Forscher sehr gespannt. Noch werden Gärtner gesucht, die beim Projekt mitmachen. Erst dann geht es an die Auswertung. "Wir haben keine Hypothese. Wir schauen, was passiert", sagt Projektmitarbeiterin Marie Peter. Vermutlich wird die Konzentration von Blei in der Nähe großer Straßen erhöht sein. Aber sonst lassen sich die Forscher überraschen. Die Ergebnisse interessieren nicht nur die Wissenschaftler und die Gärtner. So gab es bereits interessierte Nachfragen von verschiedenen Seiten.

MDR (anz)

Videos: Was ist in unserem Boden los?

Tiere 1 min
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1 min

Regenwürmer, Springschwänze, Asseln - ein Blick unter die Erde zeigt, wie viele Tiere dort herumwuseln. Ein Gleichgewicht bei den kleinen Bodenbewohnern ist wichtig für einen gesunden und fruchtbaren Gartenboden.

MDR FERNSEHEN So 10.05.2020 08:30Uhr 00:44 min

https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/schaedlinge/boden-lebewesen-gartenbewohner-tiere-100.html

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Wurelwachstum 1 min
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Wurzeln wachsen normalerweise unsichtbar in die Tiefe. In unserem Zeitraffer-Video können Sie sehen, wie junge Bohnenpflanzen wachsen und ihre Wurzeln im Boden ausbreiten. Dabei zeigen sich je nach Bodentyp Unterschiede.

MDR FERNSEHEN So 10.05.2020 08:30Uhr 00:40 min

https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/aussaat/zeitraffer-video-wurzeln-wachsen-100.html

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Bodenexperte Dietmar Näser 9 min
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9 min

Der erste Schritt zum besseren Boden ist, zu erkennen, was fehlt. Gartenexperte Dieter Näser erklärt, wie eine Bodenprobe funktioniert, welche Böden es gibt und wie man sie verbessern kann.

So 10.05.2020 09:40Uhr 08:45 min

https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/boden-nachhaltig-verbessern-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Radiogarten | 23. September 2023 | 08:30 Uhr

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