Facettenreiches Werk Jena: Neue Ausstellung entdeckt Künstlerin Frida Mentz-Kessel wieder

16. Dezember 2023, 12:36 Uhr

Das Schaffen von Künstlerinnen, die Anfang des 20. Jahrhunderts wirkten, gilt nach wie vor als blinder Fleck der Kunstgeschichte. Die Kunstsammlung Jena hat sich mit ihrer neuen Ausstellung entschlossen, das vielfältige Werk der einst in der Stadt lebenden Künstlerin Frida Mentz-Kessel in einer großen Retrospektive sichtbar zu machen. Ulrike Thielmann hat die Ausstellung mit Malerei, Grafik, Keramik oder Batik-Arbeiten, die bis 17. März 2024 zu sehen ist, besucht.

Zwei Elefanten sitzen wie zwei dicke Präsidenten in der Manege, wedeln mit ihren Rüsseln, scheinen sich gar zu unterhalten. Die Kapelle spielt und das dicht versammelte, gesichtslose Publikum schaut dem gleichnishaften Treiben der "großkopferten" Tiere zu. So stellte die Jenaerin Frida Mentz-Kessel 1925 das bunte Treiben in der Arena dar – in einem Farblinolschnitt. Mit mindestens vier Farben druckte die Künstlerin, was als hohe Kunst gilt.

Der Druck braucht den Vergleich zum Gemälde nicht zu scheuen, betont auch Eric Stephan, Leiter der Kunstsammlung Jena, der sagt: "Es ist auf jeden Fall formal ein spannendes Blatt: naiv aber kraftvoll gearbeitet, von den Farben her sehr schön. Ich finde, dass es eines der besten Blätter ist, die sie gemacht hat und deswegen haben wir es auch fürs Plakat verwendet."

Ausstellung zeigt Keramik, Grafik, Malerei und Batik

Bis Radio, Film und Fernsehen die Rolle des Zirkus' übernahmen, galt er als Massenmedium und wurde, mit der Wende zum durchrationalisierten 20. Jahrhundert, zum Raum, in dem andere Gesetze galten: Die Expressionisten fühlten sich vom Zirkus wie vom Linolschnitt angezogen.

Frida Mentz-Kessel, Jahrgang 1878, adaptierte jene Mischung in ihrer eigenen, reduzierten Formensprache, nur hatte sie nie eine Kunstakademie von innen gesehen! Das blieb Frauen jener Zeit verwehrt. Unter anderem an der renommierten Damenakademie des Münchner Künstlerinnen-Vereins genoss Mentz-Kessel eine strenge, traditionelle Ausbildung, was jedoch nicht die vielfältige und gekonnte Ausdrucksweise der Künstlerin gleich in mehreren künstlerischen Disziplinen wie Druckgrafik, Malerei, Batiken sowie Keramik erklärt.

"Was hinzukam, war autodidaktische Selbstarbeit und das Schauen und Sehen bei dem, was damals möglicherweise im Jenaer Kunstverein ausgestellt wurde", betont Eric Stephan.

Jena widmet Künstlerin erste Retrospektive überhaupt

Frida Mentz-Kessel ist eine Jenaer Künstlerin, die in akademisch-bürgerlichen Verhältnissen leben konnte, zwei Töchter aufzog und 1969 in ihrer Villa am Steiger, an der Kante der Jenaer Berge, mit 91 Jahren starb. Dass ihre Verpflichtungen als Ehe- und Hausfrau ihr zu wenig Zeit für die Kunst ließen, beklagte sie zeitlebens.

Die jetzige Ausstellung in der Kunstsammlung Jena, die durch die Kontaktaufnahme eines Sammlers aus dem familiären Umfeld zustande kam, die erste Retrospektive überhaupt, die Jena Frida Mentz-Kessel widmet, zeichnet ein anderes Bild.

Batik zeigt den Jenaer Hausberg Jenzig

So beherrschte die Künstlerin auf hohem Niveau etwa die Kunst des Batikens. Augenfällig in der Schau, die eine ganze Ausstellungsetage umfasst, eine gebatikte und leicht abstrahierte Ansicht von Jenas Hausberg, dem Jenzig. Hannah Sachsenmeier von der Kunstsammlung Jena erklärt: "Wir sehen, wie Frida Mentz-Kessel den Berg über Jena ikonisch aufgefasst hat, die Menschen, die hochlaufen. Diesen Umzug kann man bei Mentz-Kessel als Ornament begreifen, als ein Mäander; ein Rückgriff auf die ursprünglichen Batiken, sie haben ja nicht Bilder dargestellt, sondern Muster und Ornamente."

Holzschnitt wichtigstes Medium für Grafikerin

Mentz-Kessels bevorzugtes Medium jedoch war der Holzschnitt. Hier befreite sie sich von allzu braven Alltagssichten, die ihre teils impressionistisch beeinflusste Malerei sowie ihre farbig glasierten Keramiken – bevorzugte Modelle waren hier ihre Töchter Sonjamaria und Barbara – prägen.

Im Holzschnitt wagte Mentz-Kessel Abstraktion und Sichten auf die Gesellschaft, emanzipierte sich von der akademischen Malweise. "Für mich liegt da der Schwerpunkt ihres Schaffens", erklärt Eric Stephan, "dort hat Mentz-Kessel ein höheres Abstraktionsniveau erreicht als bei der Malerei. Die Verdichtung, von dem was sie sieht, was sie an Wissen und Erleben hineingibt, das setzt sie in der Grafik am besten um."

Kunstsammlung entdeckt vergessene Künstlerin wieder

Immer wieder begegnen einem in der Ausstellung auch freundlich-spöttische Charakterisierungen ihrer Zeitgenossen, seien es ganze Kirchenprozessionen, sonstige Fahnenträger in Jena oder auch eine Kindergärtnerin samt, Titel "unseren Jüngsten" – formal gesehen eines der wichtigsten Blätter von Mentz-Kessel mit hohem Abstraktionsniveau. Die Kinderschar, das sind einerseits die lieben Kleinen, andererseits wirken sie auch ein bisschen unheimlich, wie kleine Aliens.

Etliche Entdeckungen sind zu machen in dieser Retrospektive – einer Querschnittsschau, die das Werk einer Jenaer Künstlerin würdigt, deren Werdegang und Werk zwar nicht typisch aber naheliegend sind für Künstlerinnen des letzten Jahrhunderts.

Informationen zur Ausstellung Ausstellung "Frida Mentz-Kessel"
16. Dezember 2023 – 17. März 2024

Kunstsammlung Jena
Markt 7
07743 Jena

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Montag geschlossen

Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro

Redaktionelle Bearbeitung: vp

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 16. Dezember 2023 | 13:45 Uhr

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