Besucher eines Festivals verfolgen ein Konzert im strömenden Regen.
Immer wieder haben Open-Air-Veranstalter mit Regen, Hitze und Windböen zu kämpfen. Bildrechte: picture alliance / dpa | Sven Hoppe

Veranstaltungen Hitze und Gewitter: Wie der Klimawandel Open-Air-Events in Thüringen erschwert

07. Juli 2024, 16:07 Uhr

Der "Sommer" und die Open-Air-Saison haben gerade erst begonnen. Vor allem die schnell heranziehenden und heftigen Gewitter treiben den Veranstaltern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Der Klimawandel macht auch vor den Freiluftveranstaltungen keinen Halt. Welche Zukunft haben Open-Air-Veranstaltungen überhaupt noch?

Zum Sommertheater braucht es schon lange nicht mehr nur das Ticket, sondern auch einen Fächer, ein Regencape und einen guten Draht zum Wettergott. Der spielt immer häufiger verrückt. "Früher haben wir die Gewitterwolke heranziehen sehen, eine Pause eingelegt, die Leute in Sicherheit gebracht und dann ging es weiter", sagte der Produktionsleiter der Jenaer Kulturarena Kristjan Schmitt MDR THÜRINGEN. "Heute kommt alles viel schneller, viel unerwarteter. Und wir müssen noch schneller reagieren. Das Allerwichtigste ist die Sicherheit der Besucher."

Eine der schwersten Entscheidungen. Man will nicht zu früh, man darf aber auch nicht zu spät abbrechen. Die Leute müssen Zeit haben, sich in Sicherheit zu bringen.

Kristjan Schmitt

Die Veranstalter sind dabei direkt mit der Wetterstation und den Meteorologen verbunden und im Kontakt zu Feuerwehr und Polizei. Gemeinsam wird das Risiko abgewogen. Die Absage eines Konzertes oder eines Theaterabends liegt dann aber allein in der Hand des Veranstalters. "Eine der schwersten Entscheidungen. Man will nicht zu früh, man darf aber auch nicht zu spät abbrechen. Die Leute müssen Zeit haben, sich in Sicherheit zu bringen", sagt Schmitt.

"Das sind auch große finanzielle Einbußen. Wenn man ein großes Konzert hat, das man abbrechen muss, sind schnell mal 100.000 Euro dahin. Das reißt große Löcher in die Kasse. Es ist aber nicht so, dass wir sagen, wir machen das nicht mehr. Man muss sich so gut wie möglich vorbereiten", so Schmitt. Er hat sechs Wochen Open-Air vor sich.

Ein Mann in weißem Anzug und eine Frau in silbernem Outfit liegen auf einem Holzbofen und sprechen gestikulierend miteinander. 4 min
Das Theaterhaus Jena eröffnet am Mittwochabend die Kulturarena Jena mit einem Stück über Caroline Schlegel-Schelling, die um 1800 in Jena lebte. Marlene Drexler war bei den Proben der Abschiedsproduktion des Ensembles. Bildrechte: Joachim Dette

Spezieller Bühnenboden soll Schauspieler und Sänger schützen

Als Schutz vor Unwetterschäden gibt es auch sogenannte Schlechtwetter-Versicherungen, die den Veranstalter entschädigen. Die aber sind laut Schmitt enorm teuer und würden die Sommer-Events zu einem noch größeren Kostenfaktor machen.

Für den Schutz von Schauspielern und Sängern bei Regen wurde der Bühnenboden in der Kulturarena mit einer speziellen Farbe gestrichen, die mit Sand gemischt ist. So soll ein Ausrutschen auf der Bühne verhindert werden.

Der Boden ist damit rau wie Sandpapier und man kann bei Regen weiterspielen. Ihn graue es aber vor allem vor Gewittern, so Schmitt. Die Zuschauertribünen sind aus Metall, das ergibt eine gefährliche Mischung. In Dresden waren zu Pfingsten bei einem Blitzeinschlag zehn Menschen am Elbufer zum Teil schwer verletzt worden. Das Gewitter war in Windeseile aufgezogen.

Meteorologen vor Ort beobachten Wetter

Der Klimawandel mache bundesweit den Open-Air-Veranstaltern zu schaffen. Einige kleinere hätten bereits die Flinte ins Korn geworfen, sagt Sabine Funk. Sie leitet das Internationale Bildungs- und Trainingszentrum für Sicherheit von Menschenmengen in Bonn (IBIT). Sie beobachtet die Branche seit 30 Jahren.

Früher hat man gesagt, da rollt was an, warten wir mal ab, ob es so heftig wird. Heute wird sofort reagiert. [...]

Sabine Funk

"Das Wetter bereitet vielen große Sorgen, vor allem Sturmböen, Hagel und Blitzschlag." Beim Blitzschutz gebe es inzwischen immer bessere Möglichkeiten auch für größere Gelände. "Es wird immer Open-Airs geben, aber man muss sich vorbereiten und manches geht eben auch nicht mehr." Riesige Kulissenaufbauten beispielsweise.

Bei den Domstufenfestspielen in Erfurt müssen die Kulissen, die Zelte, die Lichtmasten mit immer mehr Gewicht beschwert werden. Laut Funk müssen heute deutlich mehr Veranstaltungen abgebrochen werden - vor allem auch präventiv.

Zum Aufklappen: Klimadaten für Mitteldeutschland

"Früher hat man gesagt, da rollt was an, warten wir mal ab, ob es so heftig wird. Heute wird sofort reagiert. Man merkt, dass man umdenken muss. Heute hat man Meteorologen vor Ort oder ist mit dem Wetterdienst direkt verbunden. Große Events werden heute viel besser auch von den Behörden beobachtet. Alle machen sich extreme Sorgen, was die Wetterentwicklung angeht", sagt IBIT-Chefin Funk.

"Alle fragen sich tatsächlich, welches Risiko man bereit ist, noch einzugehen und wie viel Sinn ihr Open-Air vor dem Hintergrund noch macht. Da ist das Wetter ein Faktor, aber auch die Kostenentwicklung drückt", sagt die Open-Air-Beobachterin.

Hitze ist Risiko für Sänger, Schauspieler und Publikum

Sorgen bereite den Veranstaltern auch, dass sich die Besucher immer kurzfristiger Karten kauften. Sie würden erst in ihre Wetter-App schauen und wenn die Sonne voraussagt, werde Last-Minute gekauft. Nur für besonders begehrte Konzerte mit besonders gefragten Stars würden Karten lange im Voraus gekauft werden.

Wir haben immer weniger Planungssicherheit.

Kristjan Schmitt Produktionsleiter der Jenaer Kulturarena

Ein nicht zu unterschätzendes Risiko für Sänger, Schauspieler und Publikum könne auch große Hitze sein. Dann bestehe die Gefahr, dass Leute reihenweise kollabieren, so Funk. Rettungssanitäter und Notärzte stehen "Gewehr bei Fuß". Bei "Carmen" im Sommer 2018 war es bei den Erfurter Domstufenfestspielen heiß, "man hätte Eier auf den Autos der Kulisse braten können", sagte damals der Technische Direktor des Theaters, Christian Stark MDR THÜRINGEN.

Hauptprobe der 25. Domstufen-Festspiel in Erfurt, 2018
Die Oper "Carmen" wurde bei den Domstufenfestspielen im Sommer 2018 aufgeführt. Bildrechte: IMAGO / pictureteam

2021 fiel die Premiere der "Jungfrau von Orleans" in Wasser. Es goss wie aus Kannen. Wenn gar nicht gespielt werden kann, werden die Karten ersetzt. Sind 20-30 Minuten gespielt, gibt es keinen Ersatz. Bei Ticketpreisen zwischen 75 und 95 Euro überlegen sich Besucher das zweimal. "Wir haben immer weniger Planungssicherheit", resümiert der Jenaer Kulturarenachef Schmitt.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 07. Juli 2024 | 19:00 Uhr

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