Heiligenstadt Heiligenstadt: Warum Villa Lampe und Jugendamt im Streit liegen

10. Januar 2023, 11:57 Uhr

Nach 30 Jahren hat der Eichsfeldkreis der Einrichtung "Villa Lampe" in Heiligenstadt den Kinder- und Jugendschutzdienst wegen Missbrauchsvorwürfen gekündigt. Jetzt streiten beide Seiten vor Gericht, ob das rechtens war.

Seit über 30 Jahren engagiert sich die Villa Lampe unter gemeinsamer Trägerschaft der katholischen Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos und des Bistums Erfurt in der Kinder- und Jugendarbeit. Wer aus dem Eichsfeld kommt, kennt die Einrichtung. Und wer in Heiligenstadt unterwegs ist, kann das Gebäude mit seiner bunten Graffiti-Mauer kaum übersehen. Die Villa Lampe ist präsent.

Umso größer schlugen die Wellen, nachdem im Sommer 2022 das Jugendamt des Landkreises Eichsfeld beschlossen hatte, einen Vertrag mit der Villa Lampe zu kündigen: Seit 1997 war sie Träger des Kinder- und Jugendschutzdienstes und sollte von der Aufgabe entbunden werden. Nun streiten Jugendamt und Villa Lampe vor Gericht, ob die Kündigung rechtens war.

Mitarbeiterin berichtete von sexueller Belästigung per Whatsapp

Beim Treffen mit dem Leiter der Villa Lampe, Maik Herwig, und Geschäftsführer Pater Franz-Ulrich Otto erklären beide noch einmal die Umstände, wie es ihrer Meinung nach zu der Kündigung kam. Laut Pater Otto meldete sich 2018 eine Mitarbeiterin und gab an, per Whatsapp von einem Kollegen sexuell belästigt worden zu sein. Die Situation wurde mit beiden Mitarbeitern besprochen. Auf eine Anzeige wurde verzichtet. Beide Mitarbeiter arbeiteten nach Angaben von Herwig und Otto weiter in der Villa Lampe - von da an jedoch in verschiedenen Bereichen. Auf die Frage, ob der betroffene Mitarbeiter zu dem Zeitpunkt hätte entlassen werden müssen, sagt Pater Otto klar: "Nein. Es gab keinen Grund dafür."

Jugendamt rief dazu auf, Belästigungen zu melden

Laut Pater Otto wollte Mitarbeiterin später dann doch die Villa Lampe verlassen. Sie habe sich an das Jugendamt gewandt und dort erstmals von sexueller Belästigung gegenüber Kindern und Jugendlichen berichtet. Das ergab eine neue Situation: Als das Jugendamt die Villa Lampe mit den neuen Vorwürfen konfrontierte, sei der beschuldigte Mitarbeiter noch am gleichen Tag aus dem Dienst genommen worden. In einer Pressemitteilung rief das Jugendamt danach Eltern und Kinder auf, sich bei bekannten Fällen zu melden.

Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Mühlhausen das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gegen den Beschuldigten mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Ein Verfahren wegen eventuell strafbarer sexueller Handlungen an der Mitarbeiterin läuft noch.

Salesianer sehen Kündigung nicht als rechtmäßig an

Das Jugendamt hat die Zusammenarbeit im Kinder- und Jugendschutzdienst zum Jahresende 2022 beendet. Aber war die Kündigung rechtmäßig? Pater Otto findet das nicht, sondern sieht den über 30 Jahre aufgebauten guten Ruf der Villa Lampe geschädigt.

Zwei Mitarbeiter waren in dem gekündigten Bereich tätig. Sie können weiter in der Villa Lampe eingesetzt werden. Dort gibt es insgesamt 50 Mitarbeiter. Wer ab dem neuen Jahr den Kinder- und Jugendschutzdienst übernimmt, teilt das Jugendamt nicht mit. Eine Ausschreibung hatte es gegeben. Villa-Lampe-Leiter Maik Herwig bedauert, dass nun Kinder und Jugendliche darunter leiden müssen. Der Kinder- und Jugendschutzdienst war ein niedrigschwelliges Angebot. Kinder, die beispielsweise von häuslicher Gewalt betroffen waren, konnten sich zunächst hierhin wenden, anstatt das Jugendamt direkt einzuschalten.

Auch Bürgermeister vom Jugendamt enttäuscht

Auch Heiligenstadts Bürgermeister Thomas Spielmann (BI) ist enttäuscht vom Umgang mit der Villa Lampe durch das Jugendamt. Die Stadt finanziert die Einrichtung mit 125.000 Euro im Jahr mit - auch weiterhin. Spielmann findet es nicht fair, dass durch das mögliche Fehlverhalten eines Einzelnen alle Mitarbeiter der Villa Lampe in ein schlechtes Licht gerückt werden. Zudem hätte er sich die Informationen dazu nicht aus der Zeitung, sondern vom Jugendamt direkt gewünscht.

Jugendamt sieht Vertrauen in Kinderschutz gestört und lehnt Gespräch ab

Das Jugendamt selbst antwortete nur allgemein und war trotz zweier Anfragen nicht zu einem Gespräch bereit. Insbesondere wollte die Behörde nicht die genaueren Umstände erklären, warum aus Sicht des Jugendamts der Villa Lampe gekündigt wurde, noch erläutern, wer als Träger für den Kinder- und Jugendschutzdienst der Villa Lampe nachfolgt. Begründet wird dies damit, dass über die Klage der Villa Lampe gegen die Kündigung noch nicht entschieden ist. Öffentlich sollte daher keine inhaltliche Diskussion erfolgen.

Stattdessen erklärte die Behörde generell, dass der Villa Lampe gekündigt wurde, weil das Vertrauen in eine gute Arbeit im Kinderschutz weiter gestört sei. Die Villa Lampe habe weder das Schutzkonzept noch die Vereinbarung zum Vorgehen bei Kindeswohlgefährdung umgesetzt. Das Jugendamt betont dabei, dass es Unterschiede gebe, wie der Schutz des Kindes im Strafrecht und im Jugendrecht bewertet wird.

Gericht weist Eilantrag der Villa Lampe ab

Zuletzt wurde ein Eilantrag vom Verwaltungsgericht Weimar abgewiesen. Darin hatte die Villa Lampe gefordert, den Kinder- und Jugendschutzdienst weiter betreuen zu können, bis über das Hauptverfahren - die Kündigung -entschieden ist. Die Villa Lampe hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt. Über das Hauptverfahren ist noch nicht entschieden.

MDR (rom)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 10. Januar 2023 | 18:05 Uhr

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