Tierschutz Wo kleine Vogel-Waisen aufgepäppelt werden
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21. Juli 2020, 15:03 Uhr
In vielen Menschen regt sich Mitleid, wenn sie einen verwaisten Jungvogel sehen. Sie möchten dem Tier helfen, es nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Allerdings ist die Handaufzucht von Jungvögeln eine schwierige, zeitraubende Aufgabe. Eine von nur drei Pflegestellen für Wildvögel in Weimar gibt es bei Kirstin Bößer.
Der Nachbarsjunge hatte das Schwalbennest kaputt gemacht und nun stand Lene (12) mit einem Pappkarton in der Wohnung, in dem sich drei kleine Schwalben ängstlich aneinander kuschelten. Sie hatte ihnen eine Wärmflasche dazu gelegt und versucht, für die Kleinen Fliegen zu fangen. Aber - wie weiter?
Suche nach Pflegestellen kompliziert
Es war acht Uhr abends, kein Tierarzt mehr zu erreichen. Die Anfrage an den Nabu blieb bis heute unbeantwortet. Eine Anfrage bei Facebook allerdings setzte Unglaubliches in Gang.
Zunächst meldete sich eine Tierschützerin und erklärte Eltern und Kind, was unbedingt zu beachten ist: Auf keinen Fall sollten die Schwälbchen Körner bekommen, weil sie reine Insektenfresser sind. Falsches Futter kann in einem solchen Fall gefährlicher sein, als gar kein Futter. Und auch Wasser sollte man den kleinen Vögeln nicht einflößen, weil direkt hinter der Zunge ihre Atemöffnung liegt. Sie können sich schnell verschlucken oder das Wasser kann eine schlimme Lungenentzündung auslösen.
Effizientes Netzwerk
Parallel dazu hatte sie aber auch schon eine Pflegestelle gefunden und eine zweite Frau hatte sich ins Auto gesetzt, um die Schwälbchen abzuholen. Denn in einem solchen Fall zählt jede Stunde. All diese Frauen arbeiten übrigens ehrenamtlich, ihre Motivation ist es, die Tiere zu retten.
Pflegestelle im eigenen Garten
Die Schwalben landeten schließlich in Umpferstedt bei Kirstin Bößer. Sie ist eine von drei "Päpplerinnen" in Weimar. Eigentlich ist sie Lehrerin. Doch als ihre Tochter eines Tages eine angeschossene Taube mit nach Hause brachte, begann ihre "Nebentätigkeit" als Vogel-Retterin. Im ersten Jahr betreute sie zwei Vögel, im nächsten waren es schon 20. Und in diesem Jahr hat sie sich bisher um 90 verletzte oder verwaiste Vögel gekümmert.
Wir sind vor einem Jahr hier eingezogen und die Volieren standen eher als die Möbel in unserer Wohnung.
Morgens steht sie zwei Stunden eher auf, um ihre gefiederten Gäste zu versorgen. Die Kleinsten müssen jede Stunde gefüttert werden. Und jeder hat andere Ansprüche. Es gibt Vegetarier und reine Insektenfresser. Nur die Spatzen fressen alles. Dazu kommt, dass auch Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle spielen. Vor allem, solange die Vögel kein Gefieder haben. Kirstin Bößer hat schließlich einen Inkubator angeschafft, weil das mit Wärmflaschen und Kissen einfach nicht funktioniert hat.
Hilfe mehr als willkommen
Zuschüsse bekommen die "Päpplerinnen" nicht. Sie bezahlen die kostspielige Jungvogelaufzucht aus eigener Tasche. Zudem stehen ihnen in aller Regel keine oder nur wenige Helfer zur Seite, sodass sie vor allem jetzt in der Brutzeit bis an die Grenzen ihrer Kapazitäten ausgelastet sind. "Es wäre schön, wenn mehr Menschen Pflegestellen einrichten würden. Aber auch jemand, der mich hier mal ein paar Tage vertritt, wäre schon hilfreich" meint Kirstin Bößer.
Großer Arbeitsaufwand
Zum Glück hilft Tochter Fenja (11). Sie ist mittlerweile eine richtige Expertin geworden. Schwalben beispielsweise werden mit Heimchen gefüttert. Allerdings müssen bei denen vorher die Beine entfernt werden, weil daran Widerhaken sitzen. Und solange die Vögel nicht von selber den Schnabel aufsperren, muss Fenja den vorsichtig aufdrücken, um das Insekt mit der Pinzette reinschieben zu können. Und jede Schwalbe frisst bis zu 50 Heimchen täglich!
Rückschläge sind unvermeidlich
Selbst Vögel, die nur ein paar Tage alt sind, haben die beiden schon retten können. Und manchmal kommen die nach dem Auswildern nochmal vorbei. "Das ist wunderschön. Gerade haben wir ein Rotkehlchen ausgewildert und jeden Abend kommt es Hallo sagen", erzählt Kirstin Bößer. "Aber natürlich sterben auch Vögel. Und wenn es einer ist, der einem besonders am Herzen liegt oder an Tagen, wo mehrere sterben, möchte man schon manchmal alles hinschmeißen." Aber dann denkt sie daran, dass all diese Vögel ohne ihre Pflegestelle gar keine Chance gehabt hätten. Und so macht sie immer weiter. Für all die anderen, die ihr immer wieder gebracht werden.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 21. Juli 2020 | 16:50 Uhr
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