Health and Medical University Nach 30 Jahren: Erfurt hat wieder eine Medizin-Hochschule
Hauptinhalt
14. April 2023, 07:22 Uhr
Nach 30 Jahren kann in Erfurt wieder Medizin studiert werden. Die private Health and Medical University (HMU) hat mit einer Feierstunde ihren Studienbetrieb aufgenommen und die ersten fast 120 Studierenden begrüßt. Viele von ihnen waren zuvor wegen des strengen Numerus Clausus an staatlichen Hochschulen abgelehnt worden. Nun können sie doch noch Psychologie oder Medizin studieren - für 700 Euro oder 1.500 Euro im Monat.
Die private Erfurter Health and Medical University (HMU) hat am Donnerstag mit einer Feierstunde in der Kaufmannskirche ihren Studienbetrieb aufgenommen. Sie begrüßte dabei die ersten knapp 120 Studierenden. Die Kaufmannskirche war gewählt worden, weil die Uni noch keine Aula hat. Die Hochschule knüpft damit an eine jahrhundertealte Tradition an. Schon an der einstigen Alma Mater Erfordensis wurden im Mittelalter Medikusse ausgebildet.
Tränen rollen, als neuem Rektor die Amtskette überreicht wird
Als dem neuen Rektor der neuen Medizinischen Hochschule die Amtskette überreicht wurde, rollten bei vielen die Tränen: bei den Studierenden, für die ein Traum in Erfüllung geht, und bei Dozenten und Politikern, die für die Rückkehr des Medizinstudiums gekämpft haben. "Damit ist eine alte Wunde geheilt", fasste Alt-Oberbürgermeister Manfred Ruge den - wie er es selbst nannte - historischen Augenblick in Worte. Er war es, der vor 30 Jahren die Medizinische Akademie in Erfurt abwickeln musste. Das war, erinnert er sich, der Preis dafür, dass Erfurt wieder eine Universität bekam.
Nun also der Neustart. Zu den 96 Studierenden der Humanmedizin gehören beispielsweise Tabea Günther aus Hamburg, Susan Steger aus Bruchsal in Baden-Württemberg und Ann-Kathrin Leisentritt aus Werne bei Münster. Alle drei sind 20, haben bereits in Krankenhäusern gearbeitet oder ein Freiwilliges Soziales Jahr hinter sich. Und alle drei haben kein Einser-Abitur. An einer staatlichen Universität mit einem Numerus Clausus von 1,0 oder 1,2 beim Medizinstudium hatten sie keine Chance.
Deshalb haben sie sich an der privaten HMU beworben. Auch hier mussten sie ein Auswahlverfahren durchlaufen. "Und als ich den Platz bekommen habe, war ich überglücklich", erzählt Tabea Günther. Endlich kann sie das studieren, was sie schon so lange wollte. "Ich habe schon im Krankenhaus gearbeitet. Meine Mama ist Krankenschwester, mein Papa Zahnarzt. Ich konnte mir nie was anderes vorstellen, als Medizin zu studieren." Tabea hat ihr Abitur mit 1,5 abgeschlossen. Das private Studium nun zahlt der Opa.
Die HMU im Überblick
Die vom Land Thüringen anerkannte HMU Health and Medical University hat in Erfurt die ersten sechs Professoren ernannt und nahm rund 90 Studierende der Humanmedizin und 20 angehende Psychologen auf.
Geplant sind die weiteren Studiengänge Medizinpädagogik, Medizin-Controlling und -Management sowie Psychotherapie.
Ein Studium kostet abhängig vom Studienfach zwischen 450 Euro (Medizinpädagogik) und 1.500 Euro (Medizin) im Monat.
Die HMU in Erfurt ist Teil einer privaten Hochschulgruppe mit derzeit mehr als 7.000 Studierenden und eigenständigen Standorten in Potsdam, Berlin und Hamburg.
Monatliche Studiengebühren von bis zu 1.500 Euro an der HMU
An der HMU werden abhängig vom Studienfach monatlich Studiengebühren von 450 Euro bis hin zu 1.500 Euro fällig. Susann Steger wird einen Kredit aufnehmen: "Den muss ich dann später als Ärztin zurückzahlen." Mit ihrem 1,9er-Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr hatte sie sich an vielen staatlichen Universitäten beworben - erfolglos. Ann-Kathrin Leisentritt freut sich, eine der ersten Medizinstudentinnen in Erfurt zu sein: "Das Angebot hier ist super gut, mit dem Helios-Klinikum als Ausbildungskrankenhaus, mit Auslandskooperationen. Und Erfurt ist wunderschön." Bei ihr bezahlt die Familie das Studium und sie will mit dem einen oder anderem Nebenjob das Geld aufbringen.
Neuer Rektor kommt vom Helios-Klinikum
Der neue Rektor der HMU ist der bisherige Ärztliche Direktor des Helios-Klinikums, Thomas Steiner. "Ich habe in den Auswahlgesprächen hochmotivierte junge Leute erlebt. Sie haben ein Abitur durchaus mit einem Durchschnitt von 1,4 oder 1,6 - was ein super Abi ist. Aber sie haben keine Chance, auf dem regulären Weg ein Medizinstudium zu erreichen. Sie haben zum Teil schon eine Ausbildung, haben im Rettungsdienst oder in der Pflege gearbeitet. Ihre Motivation ist beeindruckend und mitreißend." Das Schwierige am Aufbau der privaten Hochschule sei nicht gewesen, Studierende zu finden, sondern passende Räume.
Die HMU ist aufs gesamte Stadtgebiet verteilt. Die Studierenden der Psychologie haben ihre Studienplätze und Bibliothek in der Alten Hauptpost auf dem Erfurter Anger, für die Studierenden der Humanmedizin wurden und werden noch Hörsäle und Labore in einem Bürogebäude am Flughafen eingerichtet und die praktische Ausbildung hat das Helios-Klinikum übernommen. Dessen ärztlicher Direktor, Heinrich-Volker Groesdonk, sagte zum Studienstart: "Es ist für uns als Klinikum, aber auch für die Stadt und den Freistaat etwas ganz Besonderes, dass wir nun wieder Studierende der Medizin in Erfurt haben und wir damit künftige Kollegen und Kolleginnen ausbilden können."
Zu den ersten Psychologiestudenten gehört Hendrik Schmacka aus Hannover. Der 19-Jährige hatte im Internet nach einer Uni gesucht. Es musste eine private Uni sein, weil sein NC mit 2,8 zu schlecht war für eine staatliche. "Psychologie hat mich aber schon lange interessiert. Und ich bin sehr froh, dass meine Eltern das dreijährige Bachelor-Studium bezahlen." Den Master kann er später, so hofft er, an einer staatlichen Universität machen.
Bis 2030 Angebot für 2.000 Studierende geplant
Die HMU ist die dritte private Hochschule in Thüringen. Die Studierenden der Medizin in Erfurt zahlen nach Angaben von Geschäftsführerin Ilona Renken-Olthoff monatlich 1.500 Euro für ihre Ausbildung. Es gebe jedoch Studium-Finanzierungsmöglichkeiten - Darlehen über einen speziellen Fonds. Zugang zu der Medizinausbildung hätten damit nicht nur, wie oft angenommen, Kinder reicher Eltern. Viele junge Leute nutzten die Fondsfinanzierung, so Renken-Olthoff.
Für Erfurt ist das heute ein großer, wenn nicht gar ein historischer Tag.
Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sprach von einer Ergänzung zum staatlichen Hochschulsystem mit seinen rund 47.000 Studierenden in Thüringen. "Wir brauchen solche Einrichtungen", sagte er bei der Eröffnung der HMU, an der die Zahl der Studierenden bis Ende des Jahrzehnts nach Angaben der Geschäftsführerin auf etwa 2.000 steigen soll. Nach ihren Angaben werden in den kommenden Jahren weitere Studiengänge, darunter für Psychotherapie, Medizinpädagogik und -management oder für Hebammen angeboten. Im Wintersemester werde bereits mit 150 Medizin-Studierenden und 60 Psychologie-Studierenden in Erfurt gerechnet.
"Für Erfurt ist das heute ein großer, wenn nicht gar ein historischer Tag", freute sich Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD). "Das Aus der Medizinischen Akademie vor 30 Jahren war ein Trauma. Als ich Thomas Steiner jetzt die Rektorkette umhängen konnte, hat mich das sehr bewegt." Die Kette lag 30 Jahre im Tresor des Stadtarchivs. Die Studierenden bekamen zudem Zuckertüten und ein Anatomie-Lehrbuch: 1.338 Seiten dick.
MDR (kir/rom)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 13. April 2023 | 15:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/0e84dd79-acb3-43d2-ad26-5e4a5818ead4 was not found on this server.