Ein Mann kaut Fingernägel, dahinter ein großes Transparent.
Ein junger Mann grübelt auf einer Demonstration vor dem Erfurter Landtag. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Reichel

Thüringer Landtagswahl 2024 Demonstration in Erfurt: Tausende erwartet - Hunderte gekommen

02. September 2024, 12:10 Uhr

In Thüringen hat die AfD den Wahlsieg eingefahren. Zu den Demonstrationen am Sonntagabend in Erfurt kamen aber weitaus weniger Menschen als erwartet. 30 Menschen erhielten eine Anzeige wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz.

Tausende Demonstranten aus dem rechten und linken Lager waren wegen der brisanten Thüringer Landtagswahl am Sonntagabend in Erfurt erwartet worden. Am Ende waren mindestens genauso viele Sicherheitskräfte in der Stadt unterwegs wie Demonstranten: Aus Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt waren zusätzliche Polizisten angereist.

Für die Antifa kamen Kleingruppen etwa auch aus Göttingen, Kassel, Leipzig, Berlin und Hamburg. Trotzdem blieb es überwiegend ruhig in der Erfurter Innenstadt nach der Thüringer Landtagswahl.


Antifa Wenn in Verbindung mit Linksextremismus von "Antifa" die Rede ist, ist meist die "Antifaschistische Aktion" gemeint. Deutschlandweit gibt es mehrere lokale Gruppierungen und Initiativen, die oft für einen gewissen Zeitraum, einer bestimmten Aktion und auch mit wechselnden Personen zusammenkommen. Die "Antifa" im Sinne einer bundesweit agierenden und klaren Organisation existiert derzeit nicht. Bundesamt für Verfassungsschutz

Die "DGB Jugend", die "Omas gegen Rechts", "Campact," "Fridays for Future", das "Auf die Plätze"-Bündnis und auch "Konsequent Antifaschistisch" hatten zu Demos und zum Protest in der Erfurter Innenstadt aufgerufen. Am Ende erschienen weniger Menschen als erwartet - rund 600 Teilnehmer kamen vor dem Landtag zusammen. Angemeldet hatten die Veranstalter nach Angaben der Erfurter Stadtverwaltung bis zu 2.000 Personen.

Demonstrantin: "Das ist kein gutes Gefühl"

Eine davon war Studentin Merle Harenbrock aus Erfurt. Ihre Motivation vor den Landtag zu kommen formuliert sie so: "Ich finde es sehr wichtig zu zeigen, dass eben nicht alle Leute in Thüringen rechts sind und dass eben die Leute, die keine Nazis sind, zusammenstehen." Sie hofft, dass die AfD in Thüringen nicht in die Regierungsverantwortung kommt und zeigte sich betroffen von den Ergebnissen: "Ich finde es schon sehr belastend. Es ist keine große Überraschung gewesen, aber wenn man es jetzt so Schwarz auf Weiß hat, ist das kein gutes Gefühl."

Ruhe auf dem Hopfenberg

Für mediales Aufsehen hatte die Entscheidung der AfD gesorgt, keine Pressevertreter bei der Wahlkampfparty im Erfurter Traditions-Gasthaus "Hopfenberg" einzulassen. Rund 50 Medienvertreter warteten daher auf dem Vorplatz des zwischen Villen und Einfamilienhäusern liegenden Gasthauses auf die ersten Reaktionen der Wahlkampfparty. Geladene Gäste standen dicht gedrängt in einer Schlange, um Einlass in das Gebäude zu erhalten.

Thüringens AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke erreichte kurz vor der offiziellen Wahlprognose um 18 Uhr das Lokal. Von Security-Personal umringt, antwortete er auf die Frage der Medien, was er für den heutigen Tag erwarte: "einen historischen Sieg". Ausgelassene Reaktionen dann, als um 18 Uhr die Prognose bekannt gegeben wurde.

Höcke Hopfenberg
AfD-Fraktionsvorsitzender Björn Höcke vor dem Erfurter Gasthaus, in dem die Partei ihren Wahlerfolg feierte. Bildrechte: Elisabeth Czech

Die Polizei hatte das Areal um die Gaststätte weiträumig abgesperrt. Eine wegen des starken Abschneidens der Partei erwartete Demonstration vor Ort blieb aus - sowohl von rechten, als auch linken Gruppen.

Grüne Spitzenkandidatin unterstützt Demonstrationszug

Während der Kundgebung saßen die Menschen auch auf dem Hügel vor dem Erfurter Landtag. Gegen 20 Uhr ging es dann in Richtung Innenstadt, wo auch Madeleine Henfling an der Spitze des antifaschistischen Demonstrationszuges auftauchte. Die Spitzenkandidatin der Grünen wischte sich immer wieder Tränen aus dem Gesicht - ihre Partei holte 3,2 Prozent der Stimmen und verpasste damit den Einzug ins Parlament.

Madeleine Henfling (Bündnis 90/Die Grünen), Teil des Spitzenkandidaten-Duos der Grünen, reagiert nach der Veröffentlichung der ersten Prognose zur Landtagswahl in Thüringen bei der Wahlparty der Grünen.
Madeleine Henfling am Wahlabend Bildrechte: picture alliance/dpa | David Breidert

"Dass es mir nicht gut geht, ist logisch", sagte die 41-Jährige kurz nachdem klar wurde, dass ihre Partei es nicht in den Thüringer Landtag schafft. "Ich mache mir große Sorgen um die nächsten Wochen und die Frage, wie wir damit umgehen, dass in einem Bundesland das erste Mal eine extrem rechte Partei die stärkste Kraft geworden ist und ich zumindest noch nicht sehe, dass es hier tatsächlich eine stabile Mehrheitsbildung für eine Regierung geben kann."

Unter Rufen des Schwarzen Blocks der Antifa "Alerta, Alerta, Antifascista!" und "Alle zusammen gegen den Faschismus" setzte sich der kleine Demonstrationszug dann in Bewegung Richtung Anger. Die Menschen trugen Schilder mit Aufschriften wie "AfD Verbot Jetzt" und der Aufforderung "Mario Voigt: Sagen Sie Nein zur AfD".

Demonstranten aus mehreren Bundesländern vor Ort

Einige der Demonstranten kamen auch von außerhalb Thüringens: Falk war für die Demo aus Berlin angereist: "Weil ich seit 2020, als damals Kemmerich gewählt wurde, die Stadt und das Land verfolgt habe und seitdem versuche, mich zu engagieren, wo es sich anbietet. Heute ist ein wichtiger Tag, kein schöner."

Wie es ihm mit den bisherigen Wahlergebnissen geht? "Die Arbeit wird weitergehen, man wird versuchen müssen, sowohl politisch als auch außerparlamentarisch so gut wie möglich dagegen zu arbeiten und natürlich auch nicht nur gegen was zu sein, sondern auch für eine Demokratie, an die auch mehr Leute glauben.", formuliert der Berliner.

Demo Landtagswahl 1.9.2024
Demonstranten vor der Eishalle, gegenüber des Erfurter Landtages. Bildrechte: MDR/Bobo Mertens

Erfurt war am Wahltag vorbereitet auf Tausende Demonstranten. Das zeigte nicht zuletzt die Präsenz der Polizei. Die ermittelt nun auch gegen einige Demonstranten: So erhielten 30 Menschen eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Wie die Polizei mitteilte, hatten sie sich im Laufe eines Protestaufzugs vermummt.

Es ist zwar ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, dass eine vom Verfassungsschutz gesichert rechtsextremistische eingestufte Partei eine Landtagswahl gewinnt. Große Auseinandersetzungen blieben an diesem historischen Wahlabend in Erfurt jedoch aus.

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MDR (dst, mam)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 02. September 2024 | 09:00 Uhr

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