Landtagswahl AfD wird stärkste Partei vor CDU und BSW - Debatten um Koalitionen
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12. September 2024, 13:34 Uhr
Die Thüringerinnen und Thüringer haben am Sonntag einen neuen Landtag gewählt. Laut amtlichem Endergebnis wurde die AfD stärkste Partei vor CDU und BSW. Die rot-rot-grüne Regierungskoalition verlor deutlich. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) kündigte an, den CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt bei der Regierungsbildung zu unterstützen. AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke reklamierte den Auftrag zur Regierungsbildung für seine Partei. Die Wahlbeteiligung lag bei über 70 Prozent.
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Die AfD ist bei der Landtagswahl am Sonntag in Thüringen stärkste Partei geworden. Nach dem amtlichen Endergebnis kam die vom Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei auf 32,8 Prozent der Stimmen.
Zweitstärkste Partei wurde die CDU mit rund 23,6 Prozent der Stimmen. Das erst vor kurzem gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wurde drittstärkste Kraft mit 15,8 Prozent
Die bisher ohne eigene Mehrheit regierende rot-rot-grüne Koalition aus Linken, SPD und Grünen hat massiv verloren. Die Linke kommt nur noch auf 13,1 Prozent. Sie verlor damit mehr als die Hälfte ihres Stimmenanteils bei der letzten Wahl.
Die SPD landet bei 6,1 Prozent, die Grünen haben mit 3,2 Prozent den Wiedereinzug in den Thüringer Landtag verpasst. Auch die FDP wird dem neuen Landtag mit einem Stimmenanteil von 1,1 Prozent nicht mehr angehören. Die Wahlbeteiligung lag bei 73,5 Prozent.
Parteien senden erste Gesprächssignale
Nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen reklamierten die Spitzenkandidaten von AfD und CDU, Björn Höcke und Mario Voigt, den Auftrag zur Regierungsbildung jeweils für ihre Parteien. Höcke sagte, die Gremien der AfD würden in den nächsten Tagen beraten, welchen der anderen im Landtag vertretenen Parteien man Gespräche anbieten wolle. Voigt sagte, die CDU habe als stärkste demokratische Kraft im neuen Landtag den Auftrag zur Regierungsbildung. Die SPD werde sein erster Ansprechpartner sein.
Die Bundesvorsitzende des BSW, Sahra Wagenknecht, sagte, eine Koalition mit der AfD komme für das BSW nicht in Frage. Man hoffe, gemeinsam mit der CDU und möglicherweise auch der SPD eine stabile Regierung zusammenzubekommen. Allerdings reicht die Anzahl der Sitze der drei Parteien im neuen Landtag voraussichtlich nicht für eine Mehrheit. Daher wäre ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD von einem Tolerierungspartner abhängig.
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) sagte am Sonntagabend, er wolle CDU-Landeschef Voigt dabei unterstützen, eine Regierung zu bilden. Er habe im Wahlkampf immer wieder gesagt, er kämpfe nicht gegen die CDU und nicht gegen das BSW.
Der Co-Vorsitzende der Thüringer Linken, Christian Schaft, sprach am späten Sonntagabend davon, dass seine Partei eine Koalition aus CDU, BSW und SPD möglicherweise tolerieren könnte. Eine Voraussetzung sei aber, dass die CDU ihren Parteitagsbeschluss überdenke, der ihr jede Zusammenarbeit mit den Linken verbietet. Sollten Tolerierungsverhandlungen oder Ähnliches nötig werden, würden er und seine Partei jedenfalls offen in diese Gespräche gehen, sagte Schaft.
Eine Wiederauflage des rot-rot-grünen Regierungsbündnisses ist angesichts der großen Verluste der drei beteiligten Parteien Die Linke, SPD und Grünen nicht möglich, zumal die Grünen im neuen Landtag nicht mehr vertreten sein werden.
Reaktionen der Spitzenkandidaten
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte in der ARD-Sondersendung zur Wahl, der heutige Abend stelle nicht das Ende seiner politischen Karriere dar, er ziehe allerdings Konsequenzen für sich aus dem Ergebnis. Die hohe Wahlbeteiligung stelle "einen Festtag in der Demokratie" dar.
AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke sagte in der Sendung, er sei überglücklich und stolz auf seinen Landesverband. Die AfD sei zum ersten Mal in ihrer noch jungen Geschichte stärkste parlamentarische Kraft geworden.
Thüringens CDU-Chef Mario Voigt sieht in den Zahlen zum Ausgang der Landtagswahl den Auftrag zur Regierungsbildung bei den Christdemokraten. "Wir begreifen das als CDU auch als Chance für den politischen Wechsel unter der Führung der CDU“, sagte Voigt in Erfurt. Er werde Gespräche führen, dass es eine "vernünftige Regierung" in Thüringen gebe. Die CDU sei die stärkste Kraft der politischen Mitte.
Die Thüringer BSW-Spitzenkandidatin Katja Wolf sprach angesichts der Zahlen für ihre Partei von einem "Gänsehaut-Moment". Es sei historisch, dass eine vor fünf Monaten gegründete Partei mit diesem Ergebnis in den Thüringer Landtag einzieht. BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht sagte in der ARD, mit der AfD könne man nicht zusammenarbeiten. Höcke vertrete ein völkisches Menschenbild, "davon sind wir meilenweit entfernt".
SPD-Spitzenkandidat Georg Maier sieht den Regierungsauftrag bei der CDU. Diese sei "die demokratische Partei, die am stärksten abgeschnitten hat", sagte er. Zugleich sehe er die SPD in Koalitionsfragen in staatspolitischer Verantwortung. Die Partei werde dazu am Montag in den Gremien beraten. Die SPD "hatte es schwer, weil dieser Wahlkampf komplett überlagert war von all diesen geopolitischen Themen".
Die Spitzenkandidaten der Grünen, Madeleine Henfling und Bernhard Stengele äußerten sich enttäuscht über das Abschneiden ihrer Partei. Stengele sagte, "wir sind nicht schockiert, weil wir wussten, dass es so kommen kann". Man sei auch nicht enttäuscht, "weil, dann hätten wir uns ja täuschen müssen im Vorfeld". Henfling sagte, Thüringen sei das Bundesland, in dem erstmals eine rechtsextreme Partei als stärkste Kraft in den Landtag einziehe. Notwendig seien jetzt starke Bündnisse, um zu bestehen.
Demonstration vor dem Landtag
Vor dem Thüringer Landtag gab es am Sonntagabend eine Demonstration von Anhängern des linken Spektrums. Laut Polizei versammelten sich rund 550 Teilnehmer unter dem Motto "Konsequent Antifaschistisch" zunächst am Landtag. Organisiert hatte den angemeldeten Protest das Bündnis "Auf die Plätze". Dabei gab es mehrere Redebeiträge. Nach der Kundgebung am Landtag liefen laut Polizei rund 400 Teilnehmer über den Juri-Gagarin-Ring zur Magdeburger Allee.
MDR (dr), dpa, AFP
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 01. September 2024 | 19:00 Uhr
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