Prozess Kastrationen im Wohnzimmer: Mann aus Sömmerda bot Dienste im Internet an
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04. Januar 2024, 21:22 Uhr
Ein Mann aus Sömmerda soll in seinem Wohnzimmer mehrere Männer auf deren Wunsch hin kastriert haben. Nun muss er sich vor dem Erfurter Landgericht wegen schwerer Körperverletzung verantworten.
Es ist die absolute Ausnahme, dass der Staatsanwalt die Anklage unter Ausschluss der Öffentlichkeit verliest. Im Prozess vor der 10. Strafkammer des Erfurter Landgerichts war das am Donnerstag so. Grund war der Schutz von sieben Männern, die in diesem Prozess Geschädigte heißen. Männer die im Internet auf den Angeklagten aufmerksam wurden, zu ihm kamen und sich in seinem Wohnzimmer Eingriffen an ihren Geschlechtsorganen unterzogen. Und die bestimmt nicht wollten, dass ihre sexuellen Wünsche öffentlich werden. In der Anklageschrift werden ihre Namen und ihre Wohnorte genannt, die Art des Eingriffs wird beschrieben. In der Justiz geht es um äußerste Genauigkeit, um Details. Die verliest der Staatsanwalt hinter verschlossenen Türen.
Kunden auf Wunsch die Geschlechtsteile entfernt
Danach wird die Anklage grob zusammengefasst: Sechs Jahre lang soll der Angeklagte, der über keine medizinische Ausbildung verfügt, Männern auf deren ausdrücklichen Wunsch hin Geschlechtsteile entfernt haben. Den Penis, die Hoden. Bis zu 2.000 Euro hat er den Ermittlungen zufolge für seine Dienste genommen.
Die Männer willigten ausdrücklich in diese Eingriffe ein - und trotzdem steht der 74-Jährige nun vor dem Erfurter Landgericht. Der Vorwurf: schwere Körperverletzung. Schwer definiert das Strafgesetzbuch mit einer dauerhaften Entstellung, lebenslangen Schäden und, ganz explizit, mit dem Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit. Schwere Körperverletzung wird von Amts wegen verfolgt, es bedarf also keines Strafantrags des Opfers, wie bei einer einfachen Körperverletzung. Und eine schwere Körperverletzung kann trotz der Einwilligung der Betroffenen strafbar sein. Das sieht die Staatsanwaltschaft in diesem Fall als gegeben an.
Angeklagter schweigt zu Vorwürfen
Der Angeklagte möchte sich am ersten Tag nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Vorsitzende Richter weist ihn eindringlich auf die strafmildernde Wirkung eines Geständnisses hin. Bei Durchsuchungen seien auf Speichermedien Fotos gefunden worden, die einzelnen Geschädigten genau zugeordnet werden könnten. Diesen Männern könnte der Angeklagte die Zeugenbefragung vor Gericht ersparen, würde er die Vorwürfe einräumen. Es bleibt beim Schweigen. Weil der Angeklagte gesundheitlich angeschlagen ist, wurden alle für den ersten Verhandlungstag geladenen Zeugen wieder ausgeladen.
Bayrische Ermittler waren im Zuge eines ähnlichen Verfahrens auf den 74-Jährigen gestoßen. Sie ermittelten damals gegen einen Mann aus dem Großraum München, dem ebenfalls Kastrationen zur Last gelegt wurden. Das Landgericht München verurteilte 2021 den damals 67-jährigen Bayern zu achteinhalb Jahren Haft.
Am Erfurter Landgericht wird Ende Januar weiterverhandelt.
MDR (ch/dr)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. Januar 2024 | 19:00 Uhr