Gewalt Nach Angriff am Herrenberg: Debatte um Rechtsextremismus in Erfurt
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08. August 2020, 14:47 Uhr
Rund eine Woche nach einem gewalttätigen Übergriff mit Rechtsextremisten am Erfurter Herrenberg haben Oberbürgermeister Bausewein und Innenminister Maier am Freitag den Stadtteil besucht. Dabei kündigten sie die Gründung eines Netzwerks an. Gleichzeitig ist eine Debatte um den Umgang mit rechten Strukturen und rechtsextremer Gewalt in der Thüringer Landeshauptstadt entbrannt.
Am Herrenberg in Erfurt wird ein Demokratienetzwerk gegründet. Das gaben Oberbürgermeister Andreas Bausewein und Thüringens Innenminister Georg Maier (beide SPD) am Freitag bei einem Besuch des Stadtteils bekannt. Bei monatlichen Treffen soll darüber gesprochen werden, wie besser gegen Rechtsextreme vorgegangen werden kann.
Der Verein "Neue Stärke Erfurt" am Herrenberg ist seit mehreren Jahren ein Treffpunkt für Rechtsextremisten. Obwohl der Neonazi-Verein eine gemietete Immobilie bis Ende September räumen muss, erledige sich damit das Problem nicht, sagte Erfurts Oberbürgermeister Bausewein. Vor allem mit Blick auf einen gewalttätigen Übergriff in der vergangenen Woche, bei dem drei Männer aus Guinea verletzt wurden, forderte Innenminister Maier eine stärkere Zusammenarbeit. Im Demokratienetzwerk sollen demnach unter anderem das Stadtteilzentrum, der Ortsteilbürgermeister, der Ortsteilrat und das Innenministerium organisiert sein.
Sorge um Sicherheit am Herrenberg in Erfurt
Bei dem Besuch der SPD-Politiker beklagten sich gegen Rechtsextremismus engagierte Menschen über zunehmende Übergriffe. In den vergangenen zwei Jahren hätten Bedrohungen gegen sie deutlich zugenommen, sagte Steffen Präger, der Vorsitzende eines Vereins, der am Herrenberg ein Stadtteilzentrum betreibt. Er schilderte, dass zum Beispiel auf dem Auto einer Mitarbeiterin geköpfte Engelsfiguren hinterlassen worden seien. Auch seien Mitarbeiter von ihnen gezielt angesprochen worden, um sie einzuschüchtern. Mehrere Mitarbeiter hätten Angst um ihre Sicherheit, sagte Präger.
Bausewein wies Vorwürfe zurück, am Herrenberg sei in den vergangenen Jahren zu wenig gegen rechtes Gedankengut unternommen worden. Zugleich betonte er: "Es gibt auf Vieles keine einfachen Antworten." Statt nach jedem rechtsextremen Übergriff zu beklagen, es hätte mehr getan werden können, gelte es nach vorne zu schauen "und zu versuchen, Dinge zu verbessern". Maier nannte den Besuch am Freitag ein Zeichen der Wertschätzung an die Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. "Wir haben im Blick, was hier passiert."
Ezra und Mobit beklagen rechte Gewalt in Erfurt
Zuletzt hatte unter anderem die Opferschutzorganisation Ezra beklagt, Erfurt sei seit Jahren die Kommune, in der es die meisten rechten und rassistischen Angriffe in Thüringen gebe. "Aufgrund dieser Zahlen, nach denen es mindestens alle zwei Wochen eine rechtsmotivierte Gewalttat in Erfurt gibt, hätte das schon längst zum Schwerpunkt in der Stadtpolitik gemacht werden müssen", sagte der Ezra-Projektkoordinator Franz Zobel. Auch die Demokratieberater von Mobit, einem Verein für Demokratie und gegen Rechtsextremismus, kritisierten, in Erfurt gebe es zahlreiche Treffpunkte der Szene. Die jüngsten Übergriffe seien schockierend. "Sie sind aber keineswegs überraschend, sondern Teil einer jahrelangen Kontinuität brutaler extrem rechter Gewalt in der Landeshauptstadt", sagte Sprecher Felix Steiner. Laut Mobit ist die lange Verfahrensdauer gegen mutmaßliche Täter eines der zentralen Probleme.
Ermittlungen zu Angriff auf Afrikaner
Inzwischen prüfen Staatsanwaltschaft und Polizei auch, ob die von dem Angriff betroffenen Afrikaner selbst unmittelbar vor der Tat einen der Männer, der aus dem von Rechtsextremen genutzten Gebäude kam, angriffen haben. Gerüchte, wonach die drei in der Vergangenheit wegen Drogendelikten aufgefallen seien, wies ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt zurück. Maier sagte, er wolle dem Ergebnis der Ermittlungen nicht vorgreifen. Die Polizei gehe derzeit allerdings noch immer davon aus, dass es sich bei dem Übergriff auf die drei Männer um eine rechtsmotivierte Straftat gehandelt habe. Maier und der Leiter der Landespolizeiinspektion Erfurt, Jürgen Loyen, kündigten an, dass die Polizei in den nächsten Monaten verstärkt am Herrenberg Streifen einsetzen würden. Maier sagte: "Wir haben rechtsextreme Strukturen überall im Land, die gewachsen sind."
Anmerkung der Redaktion In einer früheren Version des Artikels wurde ein mutmaßlich angegriffener Mann, der zuvor an einer Feier in dem von Rechtsextremen genutzten Gebäude teilnahm, als rechtsextrem bezeichnet. Laut Angaben der Polizei wird der Mann bisher nicht als Rechtsextremist geführt.
Quelle: MDR THÜRINGEN/maf,dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. August 2020 | 19:00 Uhr
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