Erfurt-Azmannsdorf Streik angedroht: Feuerwehr wartet seit zehn Jahren auf neues Feuerwehrhaus

12. Oktober 2021, 16:23 Uhr

Die Freiwillige Feuerwehr in Erfurt-Azmannsdorf schiebt Frust. Seit über zehn Jahren kämpfen die Kameraden um ein neues Feuerwehrhaus. Das alte ist eine Garage, gebaut einst für einen DDR-Kleinbus B1000 - ohne Wasser, ohne Klo, ohne Tisch, ohne Stuhl. Mit der Ankündigung, den Dienst ab Januar zu verweigern, machen die Feuerwehrleute nun auf ihre Lage aufmerksam.

Es brennt bei der Feuerwehr in Erfurt-Azmannsdorf. "Die Leute haben es satt, immer wieder vertröstet zu werden", sagt Ortsteilbürgermeister Jens Bose. Bis Ende des Jahres geben sie der Stadtverwaltung Erfurt nun Zeit, etwas an der Situation zu verbessern. Wenn sich bis dahin nichts tut, wollen sie den Dienst verweigern.

Zumindest posten sie das in den sozialen Medien und der Deutschen Feuerwehrzeitung. Ein Feuerwehrmann, der nicht ausrückt, wenn es brennt? "Wir haben gedroht, und wir werden jetzt endlich gehört", sagt Bose, selbst mit Leib und Seele Feuerwehrmann.

Wir sind und bleiben einsatzbereit. Klar werden wir ausrücken, aber die Stadt muss endlich handeln.

Ortsteilbürgermeister und Feuerwehrmann Jens Bose

Bose sagt, seit zehn Jahren stehe der Neubau eines Feuerwehrhauses in Azmannsdorf im Haushalt der Stadt. "Auch in diesem Jahr waren wieder 100.000 Euro eingeplant. Nur es tut sich nichts, und nun ist es auch für Azmannsdorf zu spät."

Kein Platz für ein neues Feuerwehrhaus?

Im Ort sind keine Grundstücke mehr frei. "Wenn neu gebaut werden sollte, dann kann das nur außerhalb sein. Die Stadt hat versäumt, sich rechtzeitig um ein Grundstück zu kümmern. Ein städtisches war lange im Gespräch, das sah sehr gut aus, dafür wurden auch die Planungskosten in den Haushalt eingestellt. Doch es liegt im Hochwasserschutzgebiet", beschreibt der 49-Jährige das Dilemma. Ein Feuerwehrhaus außerhalb des Ortes verlängert die Wege, und noch ist auch das nicht geplant.

Der Azmannsdorfer Löschzug zählt 18 Männer. "Frauen mussten wir immer dankend ablehnen. Wir haben ja keine Möglichkeiten, dass sie sich ordentlich umziehen können", sagt Bose. Und die Männer müssen tapfer sein. Sie lassen die Hose sprichwörtlich auf der Straße runter. Denn das Tor zur Feuerwehrgarage steht offen - einen Umkleideraum gibt es nicht. Ist die Tür offen, wird es im Winter in Windeseile eisig kalt und das Umziehen zu einer Art Eis-Challange. Außerdem ist es eng.

"Wenn es gut läuft, ist der Maschinist der Erste, der da ist. Der fährt dann das Fahrzeug raus. Dann können sich die Leute umziehen", erklärt Löschgruppenführer Sascha Bennewitz. Am Fahrzeuge kommt immer nur einer vorbei, die Haken für die Kleidung hat jemand einst gesponsert. Für die geforderte Trennung der Kleidung in Schwarz und Weiß, in privater und Einsatzkleidung ist kein Platz. Das aber muss sein, damit die Feuerwehrleute beispielsweise keine giftigen Stoffe von Bränden mit nach Hause schleppen.

Feuerwehrleute warten vergeblich auf Sanitäranlagen

Es gibt im Feuerwehrhaus auch keine Toilette, kein Waschbecken, keinen Tisch, keinen Stuhl. Das haben die Azmannsdorfer lange hingenommen. "Da gab es ja immer das Versprechen, bald wird das Haus erweitert oder neu gebaut", sagt Jens Bose, der sich vor drei Jahren zu seinem Amtsantritt als Ortsteilbürgermeister genau diese Baustelle als eine der wichtigsten im Ort vorgenommen hatte. "Feuerwehr ist ein Ehrenamt und das einzige Dankeschön für die Männer ist ihr Gerätehaus und Fahrzeug, die Bedingungen für den freiwilligen Job eben."

Hier möchte man kein Feuerwehrmann sein, ich bewundere die Leute.

Christian Poloczek-Becher, Ortsteilbürgermeister von Vieselbach

Der 49-Jährige öffnet das Tor zur Feuerwehrgarage mit viel Ruckeln und warnt: "Vorsicht. Im Boden sind tiefe Löcher." Das Fahrzeug aus dem Jahr 1997 füllt den Raum komplett aus, die Fahrertür lässt sich nur zur Hälfte öffnen, so eng ist es. "Hier möchte man kein Feuerwehrmann sein, ich bewundere die Leute. Es wird Zeit, dass sich hier was ändert", sagt Christian Poloczek-Becher, der als FDP-Stadtrat und Ortsteilbürgermeister von Vieselbach - das liegt gleich nebenan - das Thema Feuerwehr Azmannsdorf seit zehn Jahren kennt.

"Es gab zwischen den Ämtern viele Unstimmigkeiten, das hat alles immer wieder verzögert. Die Bedingungen für die Jungs sind katastrophal. Wir brauchen die Kameraden aber ganz dringend." In der Nähe verläuft die ICE-Strecke nach Halle und Leipzig, liegt das Güterverkehrszentrum Linderbach. Zu über 70 Einsätzen rücken die Azmannsdorfer im Jahr aus. Sie sind eine junge Löschtruppe, zwischen 18 und 50 Jahre alt.

Hoffnung nach Gespräch mit Dezernenten

Die "Streik"-Androhung zeigt Wirkung. Am Montagabend gab es ein langes Gespräch der Feuerwehr mit dem zuständigen Dezernenten. "Es wurden die Mängel erfasst, und es wurde uns schnelle Hilfe versprochen - auch wenn es mit dem neuen Feuerwehrhaus noch dauern wird", so Bose. Dezernent Andreas Horn (CDU) lobt die Azmannsdorfer. "Es ist eine tolle Truppe. Die Leute leisten gute Arbeit und wir wollen den Löschzug unbedingt erhalten."

Jetzt soll es im immer noch alten und engen Feuerwehrhaus schnell die nötigsten Reparaturen geben. Die Stolperfalle im Fußboden soll beseitigt werden. Nach den Einsätzen sollen die Kameraden sich in der Rettungswache Süd umziehen und duschen können. Und langfristig sollen im neuen Feuerwehrbedarfsplan dauerhaft bessere Bedinungen geschaffen werden. Die Jahre der Garagen-Feuerwehr sollen gezählt sein.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Regionalnachrichten | 12. Oktober 2021 | 15:30 Uhr

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