Porträt der neuen Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt.
Am Tag vor ihrer Vereidigung war die neue Justizministerin noch beim Ausräumen und Kistenpacken im alten Büro. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Vorgestellt Von der Polizistin zur Thüringer Ministerin: Doreen Denstädt im Porträt

01. Februar 2023, 11:21 Uhr

Doreen Denstädt ist die neue Thüringer Ministerin für Migration, Justiz und Verbraucherschutz - und damit die erste Schwarze Ministerin in Ostdeutschland. Doch wer ist die 45-jährige Polizeihauptkommissarin und was bewegt sie? Wir haben nachgefragt.

Autorenbild Grit Hasselmann
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Ein bisschen hallt es schon in den Räumen der Polizeivertrauensstelle. Kisten sind gepackt, Bilder abgehängt. "Das hier muss unbedingt noch mit", ruft Doreen Denstädt und nimmt ein Plakat von der Wand und legt es in die Kiste mit ihrer Uniform. Vorbereitungen auf einen völlig neuen Lebensabschnitt, denn seit Mittwoch ist Denstädt Thüringer Ministerin für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.

Alleinerziehende Mutter und Studentin

Geboren wurde Doreen Denstädt in Saalfeld, dann zog die Familie nach Erfurt. Dort ging sie in den Kindergarten und zur Schule. "Damals noch in die POS, weil ich ja zu DDR-Zeiten in die Schule gegangen bin." Nach der Wende wechselte sie aufs Gymnasium, "alles am Roten Berg".

Direkt nach dem Abitur studierte sie dann Bauingenieurwesen in Dresden. "Sehr zum Leidwesen meines Großvaters, der war Architekt und wollte, dass ich auch Architektur studiere." Weil aber ihr Herz besonders für den Tiefbau schlug und sie als Bauleiterin arbeiten wollte, blieb sie bei ihrer Entscheidung.

Nachdem dann aber ihre Tochter geboren war, zog Doreen Denstädt zurück nach Erfurt und studierte dort weiter. Sie fand es als alleinerziehende Studentin doch praktisch, Oma und Opa in der Nähe zu haben. Denstädt konnte so parallel zum Studium auch auf der Baustelle arbeiten, vor allem im Tiefbau.

Arbeit und Familie nicht vereinbar

Als ihr Sohn geboren wurde, merkte sie aber, dass die Arbeitszeiten einer Bauleiterin nicht wirklich zu kleinen Kindern passen. Abends wird es oft spät, wenn eine Leitung platzt oder ein anderer Notfall eintritt, muss man schnell vor Ort sein.

Also plante Doreen Denstädt ihr Leben neu. Sie hat immer Sport gemacht, erst Leichtathletik und Handball, dann mit Anfang zwanzig hatte sie Rugby für sich entdeckt. "Dort habe ich tatsächlich eine ganz tolle Gemeinschaft kennengelernt."

Mannschaftsfoto Erfurt Oaks, hi. v. li.: Conny Haschke, Vera Tränkner, Nicole Förster, Doreen Denstädt, vorn: Sabrina Rottstegge, Claudia Pollok, Kati Steinbrück Rugby Damen Regionalliga 2005/2006
Mannschaftsfoto der Erfurt Oaks, hi. v. li.: Conny Haschke, Vera Tränkner, Nicole Förster, Doreen Denstädt, vorn: Sabrina Rottstegge, Claudia Pollok, Kati Steinbrück Rugby Damen Regionalliga 2005/2006 Bildrechte: IMAGO / Axel Heyder

Sie wollte den Sport und die Arbeit "auf eine gute Art verbinden" und kam schnell auf die Polizei. Und das, obwohl sie ihre Jugend eher in linken Kreisen verbracht hat. Denn während ihrer Schulzeit in den sogenannten "Baseballschlägerjahren" gab es nur die Wahl zwischen einem linken oder einem rechten Freundeskreis. Von den Rechten hatte sie aber schon auf dem Schulhof Anfeindungen erfahren. Da fiel die Entscheidung leicht. "Aber die Polizei war in diesen Kreisen eher das Feindbild."

Polizeiausbildung in Meiningen

Sie selbst hatte allerdings keine schlechten Erfahrungen mit ihren späteren Kollegen. Im Gegenteil. Nach einem sehr entspannten Gespräch bei einer Verkehrskontrolle hinterfragte sie mehr und mehr die Vorbehalte, die der Polizei oft begegnen. Sie informierte sich genauer über deren Aufgaben und begann 2006 schließlich ihre Ausbildung in Meiningen.

Porträt der neuen Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt.
Egal, wo Doreen Denstädt hingeht - die Uniform muss mit. Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Um ihre Kinder nicht aus ihrem Umfeld zu reißen, blieb sie in Erfurt wohnen. "Das hieß dann: einmal am Tag 95 Kilometer hin nach Meiningen und 95 Kilometer wieder zurück. Und das drei Jahre lang."

Dienst in schwierigem Revier

Ihren Dienst begann sie in Erfurt-Nord, die Dienststelle kannte sie schon vom Praktikum. "Es gab dort viele schöne Erlebnisse, auch anstrengende Sachen, auch unschöne Sachen. Aber im Großen und Ganzen habe ich die Zeit sehr genossen."

Nach einer Zwischenstation in der Landeseinsatzzentrale wurde sie schließlich in die Polizeivertrauensstelle versetzt. Die gehört als Stabsstelle zum Innenministerium und betreut Menschen, die sich über die Polizei beschwert haben. Denstädt bot Seminare an, arbeitete mit Jugendämtern, Verbänden und der Polizei zusammen.

Erfahrungen mit Behörden

Das kommt ihr heute zugute. "Es macht sich gut, wenn man aus einem Ministerium herauskommt und in ein anderes Ministerium geht", sagt sie. Bestimmte Abläufe und Vorgänge sind die gleichen. Und als Ministerin bringt sie einen neuen Blick auf bestimmte Sachen mit.

"Kommunikation ist extrem wichtig, das ist eine Sache, die ich quasi von klein auf, von ganz unten in der Behörde gelernt habe. Und ich glaube, damit habe ich schon einen riesigen Vorsprung gegenüber anderen."

Erst spät in Partei eingetreten

Seit Mitte 2021 ist Doreen Denstädt Mitglied bei den Grünen. Durch Kollegen hatte sie damals "PolizeiGrün" kennengelernt, eine Berufsvereinigung innerhalb der Polizei. "Da gab es relativ viele Menschen, die auch Mitglied bei den Grünen waren. Was mich erstaunt hat, denn in Thüringen wird eher darauf geachtet, dass man das politische Engagement und die Polizeiarbeit nicht vermischt."

Und 2021, als Denstädt in die Polizeivertrauensstelle versetzt wurde, wollte sie sich auch politisch mehr engagieren und wurde Mitglied bei den Grünen.

Porträt der neuen Thüringer Justizministerin Doreen Denstädt.
"Im Ministerium gibt es dann hoffentlich eine Spülmaschine." Bildrechte: MDR/Grit Hasselmann

Unerwartete Anfrage per Telefon

Dass man ihr eines Tages einen Ministerposten anbieten würde, hat Doreen Denstädt nicht erwartet. Entsprechend überrascht war sie, als sie einen Anruf bekam mit der Frage, ob sie sich vorstellen könne, das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu übernehmen. "Da habe ich tatsächlich noch mal eine Nacht drüber geschlafen und habe dann zugesagt, weil ich denke, dass ich der Aufgabe gewachsen bin."

Da habe ich tatsächlich noch mal eine Nacht drüber geschlafen und habe dann zugesagt, weil ich denke, dass ich der Aufgabe gewachsen bin.

Doreen Denstädt

Natürlich hat sie sich auch mit Freunden ausgetauscht und vor allem mit der Familie, "denn zum Schluss hängen die ja jetzt quasi mit drin". Und ihre Kinder "fanden das sofort gut".

Schließlich gab es dann auch noch ein intensives Gespräch mit dem Landesverband. "Da wurden ein paar Eckpunkte benannt und auch Dinge, die noch zu beachten waren. Und dann noch einmal die Frage, ob ich mir wirklich sicher bin. Und das bin ich."

Positive Reaktionen aus dem Umfeld

Meike Herz war in der Polizeivertrauensstelle Denstädts Chefin. Sie beschreibt die Ministerin als "intelligent, leistungsstark und integer. Sie ist jemand, der klare Ziele hat und die auch umsetzt."

Als Doreen Denstädt ihr erzählt hatte, welche neue Aufgabe sie jetzt übernehmen wird, antwortete Meike Herz: "Sie sind der Aufgabe gewachsen. Ihr Kleiderschrank ist es nicht." Aber dieses Problem, so Herz, habe sie inzwischen gelöst.

Überhaupt, so erzählt Doreen Denstädt, hat sie in ihrem Umfeld viele positive Reaktionen auf die Neuigkeit erlebt. "Es gab einen Kollegen, den kenne ich aus meiner Zeit als Polizistin in Erfurt-Nord. Der hat irgendeine Hassnachricht im Netz kommentiert. Er schrieb, dass er mit mir schon Dienst getan hat und ich mehr geleistet hätte als manch anderer und dass er nichts auf mich kommen lässt. Das hat mich sehr gefreut, weil ich das gar nicht erwartet hätte."

Stress in den vergangenen Tagen

Die vergangenen Tage waren sehr lang für Doreen Denstädt. Bis zum Schluss hat sie in der Polizeivertrauensstelle gearbeitet, nebenher das Büro ausgeräumt und Pressetermine dazwischengeschoben. Dazu kam, dass sie sich von Vereinen verabschieden musste, denn viele ihrer Ehrenämter hat sie niedergelegt. Dazu ist sie laut Ministergesetz verpflichtet. Öffentliche Ehrenämter sind für Thüringer Minister nur mit Genehmigung der Landesregierung erlaubt.

"Da gab es noch Sachen abzuschließen, man will ja auch nicht alles stehen und liegen lassen und einfach weggehen. Das war schon eine sehr herausfordernde Zeit." Aber jetzt fühlt sie sich gut gewappnet für die nächsten Wochen, für den Start im Ministerium.

Viele Aufgaben für wenig Zeit

Ganz wichtig ist es Doreen Denstädt, dass alle Bereiche, für die sie ab jetzt in Thüringen Verantwortung trägt - also Justiz, Migration und Verbraucherschutz - gleichermaßen wichtig sind und viele Herausforderungen bereithalten. Nachwuchsprobleme in der Justiz und im Justizvollzug, das geforderte Landesamt für Migration - viele Gespräche sind da in den nächsten Wochen zu führen, sagt die Ministerin. "Und wenn man weiß, woran es klemmt, muss man tatsächlich schnell handeln."

Und genau darauf freut sie sich. Auf die Möglichkeit mitzugestalten, wirklich etwas zu bewegen, mehr als bisher. "Ein Akzent, den ich da setzen möchte, ist der Opferschutz." Aus ihrer Zeit bei der Polizei-Vertrauensstelle kenne sie Fälle, "da hat grundsätzlich das System nichts falsch gemacht" und trotzdem habe das Opfer am Ende ohne ausreichend Hilfe dagestanden.

Und auch wenn Denstädt völlig klar ist, wann es in Thüringen die nächsten Wahlen gibt, ist sie überzeugt: "Man kann viel schaffen in anderthalb Jahren, was dann auch nachhaltig über die nächste Legislatur hinaus weiterbestehen kann."

Pläne für die ersten Tage

Zuerst will Doreen Denstädt das neue Haus kennenlernen, die Menschen, die dort arbeiten. Es gibt auch schon die ersten offiziellen Termine, über die wird aber jetzt noch nicht geredet. "Aber ich habe klare Vorstellungen davon, was ich besprechen und zuerst angehen will. Inhaltsfreie Sitzungen jedenfalls wird es mit mir nicht geben."

Erste Schwarze Ministerin in Ostdeutschland

Doreen Denstädt ist die erste Schwarze Ministerin in Ostdeutschland. Ihr selbst ist das gar nicht so wichtig, sagt sie. "Aber für die Schwarze Community ist das unglaublich wichtig. Und solange sich niemand aus diesem Bereich, aus irgendeiner marginalisierten Gruppe dagegen verwehrt, bleibt es auch so stehen, weil man es tatsächlich benennen muss." Sie beobachtet, dass es in der Gesellschaft immer noch einen Unterschied macht. "Es macht einen Unterschied, ob man eine Frau ist, es macht einen Unterschied, ob man Schwarz ist oder ob man Weiß ist."

Dass sich ihr Leben durch den neuen Job ändern wird, glaubt Doreen Denstädt eigentlich nicht. "Ich habe bisher jede Aufgabe mit ganzer Kraft in Angriff genommen und das wird sich auch nicht ändern, nur, dass ich jetzt keine Kontrolle mehr über meinen Kalender habe."

Und dann schnappt sich Doreen Denstädt die Kiste mit ihrer Uniform und verlässt zum letzten Mal die Polizeivertrauensstelle.

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MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 01. Februar 2023 | 18:00 Uhr

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