Vorgestellt Neue Bühne für Bernhard Stengele: Thüringens Umweltminister im Porträt
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01. Februar 2023, 11:21 Uhr
Als Kind galt seine Familie im Allgäu als "Antichristen" - jetzt ist der Regisseur und ehemalige Grünen-Sprecher Bernhard Stengele Thüringer Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz geworden. Was will er umsetzen?
- Warum Bernhard Stengele seine Mütze abgelegt hat.
- In seiner Kindheit galt die SPD-geprägte Familie im Allgäu als politische Außenseiterin.
- Was der neue Minister in seiner Amtszeit als Priorität sieht.
Vom Schreiner-Sohn über Schauspieler und Regisseur zum Berufspolitiker: Die Karriere von Bernhard Stengele war nicht geplant, sie hat sich ergeben. Nach dem Rücktritt von Anja Siegesmund im Dezember übernimmt Stengele nun die Position als Umweltminister. Zumindest für die kommenden anderthalb Jahre bis zur Wahl.
Bisher ist Bernhard Stengele bei Presseterminen und Parteikonferenzen eher leger aufgetreten - meist mit Mütze oder Kopftuch. Doch die Kopfbedeckung hat er nun, zusammen mit seiner Funktion als Landessprecher der Thüringer Grünen, abgelegt. Dafür trägt er jetzt ein Sakko. Optisch hat sich der 59-Jährige seiner neuen Aufgabe schon mal angepasst.
Ministerposten bringt höheren Anspruch mit sich
Drei Jahre war Stengele Landessprecher der Grünen, zuletzt war er im Sommer vergangenen Jahres wiedergewählt worden. Was ändert sich nun für ihn? "Der Anspruch ist jetzt höher. Und ich kann die Termine weniger selbst bestimmen", sagt Stengele. Die Themen Umwelt, Energie und Naturschutz sind für ihn aber keineswegs neu.
Wir waren die Antichristen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Politisch geprägt worden ist Stengele schon in seiner Kindheit im Allgäu. Dort wuchs er als Sohn einer Schreiner-Familie zusammen mit vier Geschwistern auf. "Damals lag die CDU bei uns bei 92 Prozent - und mein Vater war bei der SPD. Wir waren die Antichristen, im wahrsten Sinne des Wortes", erzählt er. Bis 2017 konnte sich Stengele jedoch nicht vorstellen, selbst einer Partei beizutreten.
Traumberuf Schauspieler
Dem Schreinerberuf des Vaters wollte er nicht nachfolgen. Sein Plan war es, Journalismus und vergleichende Religionswissenschaft zu studieren. "Und dann hat mich mein Freund mit zu einer Aufnahmeprüfung bei einer Schauspielschule genommen. Da wusste ich: Das muss ich machen", sagt Stengele. Sein Schauspielstudium absolvierte er in Paris und spielte anschließend an verschiedenen Theatern, unter anderem in Konstanz.
Griechisches Theater als demokratische Lehre
In dieser Zeit hat er sich viel mit den Stücken der griechischen Antike beschäftigt. Und in diesem Zuge die Ursprünge von Demokratie und Politik verinnerlicht. Die großen klassischen griechischen Dramatiker Aischylos, Sophokles und besonders Euripides haben ihn in seiner Arbeit geprägt.
Dabei habe ich deutlich mehr als Regisseur gearbeitet.
"Ich werde in den meisten Berichten als Schauspieler betitelt, dabei habe ich deutlich mehr als Regisseur gearbeitet", sagt er. Von 2012 bis 2017 war Stengele Schauspieldirektor am Theater Altenburg-Gera. Dort hat er viele internationale Projekte umgesetzt, sich mit den Auswirkungen des Klimawandels insbesondere auf Migration beschäftigt.
2014 hat er Euripides "Die Schutzflehenden" mit Schauspielern aus Burkina Faso neu inszeniert und im Kern die Flüchtlingsthematik aufgegriffen. Kunst und Politik hat er in seinen Arbeiten miteinander verbunden.
Lösungsorientiertes Arbeiten im Theater gelernt
Aus dieser Zeit nimmt er nicht nur Wissen, sondern auch Fähigkeiten mit, die er in seiner politischen Arbeit gut gebrauchen kann. "Ich habe gelernt, lösungsorientiert zu arbeiten. Wenn man mit verschiedenen Menschen ein gemeinsames Ziel verfolgt, das man in einer bestimmten Zeit erreichen muss, in dem Fall bis zur Premiere ein Stück auf die Beine zu stellen, braucht man schnelle Lösungen", sagt Stengele. Vom neuen Umweltminister ist also Pragmatismus zu erwarten.
Vom Theater in die Politik
Da ihn politische Themen in seiner Arbeit immer mehr eingenommen haben, ist Stengele im Mai 2017 dann den Grünen beigetreten. Auf Wunsch der Partei ist er 2019 als Direktkandidat für den Wahlkreis 44 Altenburger Land II angetreten.
Ja ich vermisse Theater. Aber eher wie man seine Kindheit oder Jugend vermisst.
In den vergangenen Jahren hat er vereinzelt noch an Theaterprojekten mitgewirkt, doch seit dem Amt als Landessprecher 2020 wurde auch das immer weniger. Nun sei das wahrscheinlich nicht mehr möglich, sagt Stengele, aber das sei in Ordnung: "Ja ich vermisse Theater. Aber eher wie man seine Kindheit oder Jugend vermisst."
Spätes Vaterglück und Klimakrise
In der freien Zeit, die Stengele zur Verfügung hat, treibt er gern ein bisschen Sport, geht laufen, praktiziert Yoga und trifft sich mit Freunden. Die meiste Zeit verbringt er aber mit seinem zweijährigen Sohn. "Ich singe, spiele und tanze sehr gerne mit ihm", erzählt er. Der 59-Jährige ist dankbar für sein spätes Vaterglück.
Kinder und Klimakrise widersprechen sich für Stengele keineswegs: "Die Klimakrise darf kein Grund sein, keine Kinder zu kriegen. Ich würde damit sonst sagen, dass das Leben keine Zukunft hat". Sein Sohn ist gleichzeitig auch eine große Motivation für seine Arbeit und sein Engagement für Klima- und Umweltschutz.
Die Klimakrise darf kein Grund sein, keine Kinder zu kriegen.
"Es gibt keinen Tag an dem ich meinen Sohn nicht angucke und denke: Wir müssen alles tun, um ihm eine Zukunft zu ermöglichen", sagt Stengele. Auch privat versucht er, möglichst klimafreundlich zu leben: Er besitzt kein Auto, fährt viel Fahrrad oder mit der Bahn und ernährt sich größtenteils vegetarisch und vegan.
"Wenn es bei einem Empfang oder Vor-Ort-Terminen aber nur Bratwurst gibt, dann esse ich auch die", sagt er und betont dabei, dass er niemandem zu einer vegetarischen Ernährung bekehren möchte.
Erneuerbare Energien als Teil der Gesellschaft
Für die kommenden anderthalb Jahre als Minister gibt es ganz konkrete Pläne: Ein Windkraftbeteiligungsgesetz, eine Solarbaupflicht und eine Neuerung des Klimagesetzes möchte Stengele umsetzen. Dahinter steht ein Gedanke: "Ich wünsche mir, dass die Menschen Windkraft und Solarenergie mehr akzeptieren und dass sie demokratisiert werden".
Die Thüringer sollen sich, laut Stengele, mit dieser Form der Energiegewinnung identifizieren können, ähnlich wie es mit dem Braunkohletagebau im Rheinland der Fall ist. "Dort ist das Teil der Geschichte und Teil der Gesellschaft - und so soll es auch mit den erneuerbaren Energien werden".
Im Gegensatz zu den konkreten Gesetzen ist das aber, so Stengele, nicht in den nächsten anderthalb Jahren zu schaffen: "Das sind Ziele für die Lebenszeit meines Sohnes", sagt er.
MDR (dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 01. Februar 2023 | 18:00 Uhr
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