Kundgebung am Landtag Wer die Demo am Samstag in Erfurt organisiert
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12. November 2022, 09:32 Uhr
Plattformen wie "Freies Thüringen" rufen für Sonnabend zu einer Kundgebung in Erfurt auf. Dafür angekündigt sind mehrere Redner aus dem rechtsextremen Spektrum. Wer organisiert diese Veranstaltung?
- Wer wird auf der Kundgebung sprechen?
- Welche Rolle spielt die Thüringer AfD?
- Wer ist Demo-Organisator Christian Klar?
- Wie stark sind Unternehmer eingebunden?
Christian Klar fackelte nicht lange bei seiner Eröffnungsrede am Tag der Deutschen Einheit in Gera. "Egal, ob Massenmigration, Klimawandel, Corona, Impfung oder Ukraine-Krieg", rief der Demo-Anmelder aus Gera vor Tausenden ins Mikrofon. "Alles dient einem großen Plan. In den feuchten Träumen der Globalisten sind wir alle das untere Ende der Nahrungskette. Wie man diese behandelt spüren wir seit Jahren." Jedes Mittel sei recht, "uns gefügig" zu machen.
Für solche Reden haben die Sicherheitsbehörden die neue Kategorie "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates" eingeführt, weil damit Misstrauen geschürt werden kann beispielsweise gegen Regierungen oder Wissenschaftler. In Gera hatte der 42-Jährige bereits vor dem 3. Oktober mehrere ähnliche Demonstrationen angemeldet.
Für Kundgebung und Demo in Erfurt bis zu 10.000 Teilnehmer angemeldet
Bei der bevorstehenden Kundgebung vor dem Thüringer Landtag am Samstagnachmittag mit anschließendem "Spaziergang" durch Erfurt ist Christian Klar stellvertretender Versammlungsleiter. Beide Veranstaltungen finden unter dem Motto: "Deutschland zuerst!" statt.
Stadt Erfurt rechnet mit größeren Verkehrseinschränkungen
Die Stadt Erfurt rechnet aufgrund der Demonstrationen mit größeren Behinderungen.
Betroffen seien Busse und Bahnen in der Innenstadt. In der Zeit von 17 bis 22 Uhr müsse mit möglichen Ausfällen gerechnet werden.
Wie die Erfurter Verkehrsbetriebe (EVAG) weiter mitteilten, kann nicht abgeschätzt werden, wie stark und wie lang einzelne Stadtbahn- oder auch Bus-Linien betroffen sind, da die Demonstrationen an verschiedenen Orten stattfinden.
Prominent als Redner angekündigt sind dafür unter anderem Jürgen Elsässer, der Herausgeber des "Compact-Magazins", das das Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert extremistische Bestrebung" einstuft, Lutz Bachmann von der "Pegida"-Bewegung sowie der gerade wegen Volksverhetzung verurteilte Martin Kohlmann von der Regionalpartei "Freie Sachsen". Beide Zusammenschlüsse stuft der sächsische Verfassungsschutz als "gesichert extremistisch" ein.
Bei der Stadt Erfurt für bis zu 10.000 Teilnehmer angemeldet hat die Veranstaltungen die Erfurterin Gitta K. Die Aktivistin organisiert solche Veranstaltungen häufig und stellt sich im Internet immer wieder an die Seite radikaler Querdenker. Nach Angaben der Linksfraktion im Thüringer Landtag nahm K. im September an einem Netzwerktreffen der rechtsextremen NPD in Eisenach teil. Mit dabei war auch Frank H, ein Dachdecker aus Zeulenroda. Noch am 3. Oktober wurde H. in einschlägigen Internetkanälen für dessen Mit-Organisation der Demo in Gera gedankt.
Auch "Freies Thüringen" ist dabei
Auf den Flyern, die die Erfurter Veranstaltungen bewerben, findet sich auch das Logo der Vernetzungsplattform "Freies Thüringen", die laut Verfassungsschutz zu den "zentralen Mobilitätsplattformen für das unangemeldete Corona-Protestgeschehen in Thüringen seit dem Jahresende 2021" zählt. In den dazugehörigen Telegram-Kanälen würden "extremistische Inhalte" verbreitet, teilte die Behörde auf MDR-Anfrage mit. Auch Dachdecker H. soll sich für "Freies Thüringen" engagieren.
Auf einem Werbe-Flugblatt, verbreitet von dem islamfeindlichen Bündnis "Erfurt zeigt Gesicht", wird neben "Thüringer Bürgerinitiativen" auch die "Alternative für Deutschland" erwähnt. Welche Rolle die Thüringer AfD aber bei den Veranstaltungen am Samstag in Erfurt spielt, ist unklar.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Landtags-Fraktion, Torben Braga, ließ mehrere Anfragen dazu unbeantwortet. Bei Christian Klars Veranstaltung in Gera am Tag der Deutschen Einheit jedenfalls war auch der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke aufgetreten. Dieser veröffentlichte am Donnerstag einen Tweet mit den Worten: "Morgen sehen wir uns in #Erfurt!". Das Bild dazu zeigt Höcke bei einer Kundgebung auf einer Bühne. Der Verfassungsschutz stuft die Thüringer AfD als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung“ ein.
Demo-Organisator Christian Klar
Dem ZDF sagte Verfassungsschutz-Präsident Stephan Kramer über Demo-Organisator Klar, der Aktivist sei einer "der Protagonisten, der mit größter Sorgfalt angeschaut werden muss, um zu sehen, wohin sich die Szene" entwickele. Zudem wurde auf Rechercheportalen im Internet einiges über den 42-Jährigen zusammengetragen.
Bereits als Schüler soll Klar Teil der rechtsextremen Szene gewesen sein. Immer wieder soll er an Neonazi-Demonstrationen teilgenommen sowie Verbindungen zur rechtsextremen Kameradschaft "Thüringer Heimatschutz" unterhalten haben. Dieser Gruppierung entstammten auch die NSU-Terroristen Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos.
Ebenfalls offen ließ Klar Fragen zu zahlreichen Straftaten, die er begangenen haben soll. Die Polizei soll gegen ihn bisher wegen Volksverhetzung, Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Landfriedensbruch, Nötigung, Betrugs, besonders schweren Diebstahls sowie Drogenhandels ermittelt haben. Bereits zweimal soll er in Haft gesessen haben. Zuletzt hatte ihn das Landgericht Gera im Juli wegen schweren Diebstahls und Hehlerei zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat Klar Revision eingelegt und ist derzeit auf freiem Fuß.
Jenaer Unternehmer als Unterstützer
Während Klars Rede am 3. Oktober stand Peter Schmidt, der zweite Redner des Tages, auf der Geraer Bühne bereits in den Startlöchern. Der Unternehmer aus Jena bezeichnete sich im Gespräch mit MDR THÜRINGEN selbst als "Unterstützer", der Werbung für die Veranstaltungen mache.
Mit deren Organisation aber habe er "aktiv überhaupt nichts" zu tun. Lediglich "möglicherweise unterstützend am Rande" sei er tätig gewesen. Auf Nachfrage sagte er: "Wenn Fragen waren, hat man mal darüber geredet, was könnte man machen? In welcher Reihenfolge kann man einen Redebeitrag machen und so weiter. Ich hatte ein Gespräch mit geführt, wo es darum ging, wo ist die günstigste Route, wo man langlaufen kann?"
Redebeiträge oft sehr drastisch
Mit Blick auf die bevorstehende Kundgebung vor dem Landtag mit anschließendem Spaziergang durch Erfurt teilte Schmidt mit: "Eine Rolle in der Organisation spiele ich dort Null, überhaupt nicht." Ob er in Erfurt eine Rede halten wird, ließ er offen.
Auf der Bühne am 3. Oktober in Gera jedenfalls ging es bei Schmidt - in einer ähnlichen Tonlage wie kurz zuvor bei Christian Klar – um "Corona-Terror der Regierung", "Polit-Marionetten in Talkshows" sowie um eine "gewissenlose, korrupte Politikerclique".
Dazu sagte Schmidt dem MDR: "In der Coronazeit wurden Menschen bedroht, ihrer Grundrechte beraubt und genötigt, medizinische Eingriffe vornehmen zu lassen. Das ist für mich Terror. Manche Politiker haben sich am Elend der Menschen bereichert - siehe Maskenskandale! In Talkshows sitzen immer die gleichen Gesichter und diffamieren Menschen, denen die Demokratie am Herzen liegt, pauschal als rechtsextrem." In einer "fünf-minütigen Rede" allerdings sei für "ausführliche Darstellungen kein Raum". Daher habe er seine Positionen auf der Bühne in Gera "stark verkürzt" dargestellt.
MDR (gh)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 12. November 2022 | 19:00 Uhr