Sonneberg Energiekrise und Ukraine-Krieg: Demonstranten und Lokalpolitiker im Gespräch

06. November 2022, 14:25 Uhr

In Sonneberg haben sich Lokalpolitiker mit Demonstranten des Vereins "Sonneberg zeigt Gesicht" getroffen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Es ging dabei vor allem um die Energiekrise und die Ukraine-Politik der Bundesregierung. Dabei hätte es "viele gemeinsame Schnittmengen" gegeben. Ein gemeinsamer Protest ist auch im Gespräch.

MDR THÜRINGEN-Reporterin Bettina Ehrlich
Bildrechte: MDR/Daniela Dufft


Seit inzwischen zwei Jahren gibt es in Sonneberg regelmäßig Demonstrationen. Begonnen haben die Proteste mitten in der Corona-Pandemie. Organisiert und angemeldet werden die Demonstrationen von Anna Bernardy im Namen des Vereins "Sonneberg zeigt Gesicht". Seit Beginn des Krieges in der Ukraine nehmen die Teilnehmerzahlen wieder zu.

"Anfangs haben wir vor allem gegen die Corona-Auflagen protestiert. Momentan geht es hauptsächlich um die deutsche Außenpolitik und die Energiekrise", sagt Bernardy. Ihr persönlich mache der Krieg in der Ukraine Angst. Die Sanktionen gegen Russland schadeten Deutschland eher, sagt sie. "Waffenlieferungen an die Ukraine machen alles nur noch schlimmer", so Bernardy.

Verein weist Rechtsradikalismus-Vorwürfe von sich

Der Verein "Sonneberg zeigt Gesicht" meldet - anders als zum Beispiel in der Nachbarkreisstadt Hildburghausen - die Demonstrationen an. Darüber sind vor allem die Polizei und die Versammlungsbehörde im Landratsamt dankbar. "Wir haben einen guten Weg miteinander gefunden", sagt eine Mitarbeiterin im Landratsamt.

Vorwürfe, der Verein sei von rechten Kräften unterwandert, weist Anna Bernardy von sich. Der Verein sei für alle offen und parteiunabhängig. "Natürlich sind auch AfD-Mitglieder bei uns, aber wir vertreten keine radikalen Positionen", so Bernardy.

Sie selbst sei noch vor zwei Jahren völlig unpolitisch gewesen. Erst die Corona-Pandemie habe sie dazu gebracht, über Politik nachzudenken. Sie möchte außerdem nicht mit ihrem Vater Heiko über einen Kamm geschoren werden, der sich früher unter anderem für die AfD engagiert hatte. "Er vertritt tatsächlich rechtsradikale Ansichten, doch dafür kann ich doch nicht in Sippenhaft genommen werden. Ich bin ich und mein Vater ist mein Vater."

Kritik an Wirmer-Flagge und AfD-Populismus

Martin Truckenbrodt sagt von sich selbst, ein "bodenständiger, grün angehauchter Sozialdemokrat" zu sein. Weil er mit den etablierten Parteien aber seit Jahren hadert, ist er 2009 in die Ökologisch Demokratische Partei eingetreten. Die Demonstrationen in Sonneberg wecken bei ihm gemischte Gefühle.

"Einerseits ist es wichtig, dass die Menschen ihre Sorgen und Nöte und vielleicht auch ihre Wut äußern können, andererseits wird aber viel Populismus verbreitet, der niemandem etwas bringt", so Truckenbrodt. Auf einer der Demonstrationen hat Truckenbrodt eine Stauffenberg- beziehungsweise Wirmer-Flagge identifiziert. Solche Fahnen werden aktuell gern von Rechtsextremisten wie der Identitären Bewegung auf Demonstrationen geschwungen.

Polarisierende Redebeiträge vor allem von AfD-Vertretern ärgern Truckenbrodt. Zum Beispiel wenn gegen Kriegsflüchtlinge Stimmung gemacht werde: "Ich halte es zum Beispiel auch für falsch, dass man den Flüchtlingen aus der Ukraine volle Sozialleistungen gewährt und sie damit zu Flüchtlingen Erster Klasse macht. Aber ich würde niemals den Neid auf Flüchtlinge schüren und zum Beispiel ihre Autos bewerten."

Vizelandrat bot Runden Tisch an

Auch für den Vizelandrat Jürgen Köpper (CDU) ist hier eine rote Linie überschritten. "Hetze, Hass und extremistische Positionen gehen gar nicht", so Köpper. Trotzdem ist er davon überzeugt, dass man miteinander im Gespräch bleiben muss. Deshalb bot Köpper Anna Bernardy und ihrem Verein einen Runden Tisch an.

Der ist am 4. November nichtöffentlich über die Bühne gegangen. Mit dabei waren unter anderem die Bürgermeister von Sonneberg und Neuhaus am Rennweg sowie Kreisräte verschiedener Fraktionen. Fast drei Stunden lang ist nach Angaben von Köpper lebhaft, aber fair diskutiert worden.

Ins Detail will Köpper nicht gehen. Nur dass sehr viel über die aktuelle Politik der Bundesregierung gesprochen worden sei. Dabei überwogen laut Köpper die kritischen Töne. Vor allem die aktuelle Energiekrise bereiteten die größten Sorgen. "Ich habe dargelegt, wie wir uns als Landkreis auf die Energiekrise einstellen und welche Vorsorge wir treffen", so Köpper. In der Kritik lägen die Teilnehmer des Runden Tisches oft gar nicht sehr weit auseinander.

Wappen des Landkreises Sonneberg am Landratsamt.
In Sonneberg ist die Lokalpolitik ins Gespräch mit Demonstranten gekommen - unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das heißt ohne Journalistinnen und Journalisten. Bildrechte: MDR/Bettina Ehrlich

Viele gemeinsame Schnittmengen

"Wir haben unfassbar viele gemeinsame Schnittmengen gefunden", sagt auch Bernardy kurz nach dem Runden Tisch. "Die Lokalpolitiker haben uns zugehört und nehmen unsere Ängste ernst." Das könne sehr viel Wind aus den Segeln nehmen, wenn man künftig tatsächlich den Protest gemeinsam formulieren und bündeln könnte.

Man hat miteinander geredet, trotz unterschiedlicher Ansichten.

Martin Truckenbrodt Landesvorsitzender der ÖDP Thüringen

Bernardy schwebt eine Großdemonstration oder ein gemeinschaftlich formulierter Brief an die Bundesregierung vor. Auch Martin Truckenbrodt saß mit am Runden Tisch: "Das war eine gute Runde, voller Wertschätzung und auf Augenhöhe." Vielleicht sei das der größte Erfolg gewesen. "Man hat miteinander geredet, trotz unterschiedlicher Ansichten", so Truckenbrodt.

Zweiter Runder Tisch geplant

Die Gespräche hinter verschlossenen Türen sollen fortgesetzt werden. Dann soll ausgelotet werden, ob künftig tatsächlich ein gemeinsamer Protest möglich ist. Einen Termin für den zweiten Runden Tisch in Sonneberg gibt es aber noch nicht.

MDR THÜRINGEN (dgr)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 06. November 2022 | 13:00 Uhr

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