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Nortal hat den Auftrag für die zentrale Fachanwendung für Gesundheitsämter in Thüringen bekommen. Als Nachunternehmen ist neben Nexus Deutschland auch Innocon Systems mit im Boot, eine Firma aus Sachsen-Anhalt. Bildrechte: IMAGO / Depositphotos

Digitalisierung in Thüringen Millionen-Auftrag für Gesundheitsamt-Software vergeben

29. April 2025, 17:26 Uhr

Allen Unkenrufen und juristischen Widersprüchen zum Trotz hat Thüringen die Ausschreibung der zentralen Software für die Gesundheitsämter wie geplant an das Unternehmen Nortal vergeben. Beobachter hatten damit gerechnet, dass Thüringen wegen der Verzögerungen vor der Vergabekammer auf eine der entstehenden Neuentwicklungen zurückgreift. Um diese auszugleichen, muss das Ministerium bei der Finanzierung umdenken.


Thüringen wird allen Verzögerungen im Ausschreibeverfahren zum Trotz eine eigene zentrale Software für die Gesundheitsämter entwickeln. Wie das Gesundheitsministerium MDR INVESTIGATIV jetzt mitteilte, ist der entsprechende Auftrag am 14. April an die "Nortal AG" vergeben worden. Damit kann sich auch ein Unternehmen aus Sachsen-Anhalt über Arbeit freuen: "Innocon Systems" aus Tangermünde ist dem Ministerium zufolge ein sogenannter Nachunternehmer und wird damit ebenso wie Nexus Deutschland an den Arbeiten für die Fachanwendung beteiligt.

Nortal Das estnische Unternehmen hat es nach eigenen Angaben in Estland 40 Prozent der Regierungsverfahren umgesetzt. Estland zählt zu den Ländern, wo die Digitalisierung weltweit am fortgeschrittensten ist. Nortel hat weltweit zahlreiche Niederlassung, darunter eine in Berlin.

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Die kommunalen Gesundheitsämter in Thüringen sollen eine neue Software bekommen. Bundesgesundheitsministerium stellt dafür 16,8 Millionen Euro bereit. Aktuell arbeiten die Behörden mit mehreren Programmen.

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Ministerium will Modernisierungsschub

Das Ministerium erwartet von dem Projekt einen Digitalisierungsschub in den Gesundheitsbehörden. Einer Sprecherin zufolge soll den Einrichtungen im Öffentlichen Gesundheitsdienst damit ein modernes Fachverfahren zu Verfügung gestellt werden, mit gemeinsam definierten Anforderungen und direkten Kanälen von und zu Bürgern und Einrichtungen, die mit den Ämtern zusammenarbeiten. Ziel sei eine medienbruchfreie Ende-zu-Ende Digitalisierung, die auch dazu führe, dass Bürgeranliegen schneller bearbeitet werden können. Unter anderem sollen diese direkt auf digitale Formulare zugreifen können, deren Daten dann digital verarbeitet werden - also eine medienbruchfreie Ende-zu-Ende Digitalisierung. Medienbruchfrei - das bedeutet unter anderem, dass die Ämter online ausgefüllte Formulare auf ihrer Seite nicht noch einmal ausdrucken und weiterverarbeiten müssen.

Was die Fachanwendung soll Die neue Software verspricht mehr Effizienz und einen deutlich leichteren Umgang für Mitarbeiter sowie Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen. Unter anderem sollen Bürgern direkt auf digitale Formulare zugreifen können, deren Daten dann digital verarbeitet werden.

Knapp ein Jahr für Umsetzung

Mit der Vergabe jetzt haben die Projektbeteiligten nur ein knappes Jahr, um Ergebnisse vorzulegen. Derzeit laufen laut Sprecherin die Auftaktabstimmungen zwischen Ministerium und Nortal. Dabei sei allen Projektbeteiligten bewusst, "dass der verbleibende Projektzeitraum für die Entwicklung des Fachverfahren bis zum 31.03.2026 sehr effektiv genutzt werden muss".

Eines der größten Probleme für die neue Software ist derzeit die Zeit. Der Bundeszuschuss für das Gesamtprojekt über rund 16,8 Millionen stammt aus dem "Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst". Diesen Fördertopf hatte der Bund vor dem Hintergrund der Pandemieerfahrung aufgelegt. Die Zuschüsse sind an klare Fristen gebunden. Die letzte davon läuft Ende März 2026 aus - sofern die Länder keine weitere Verlängerung beim Bund erwirken.

Wegen "unverschuldeter Verzögerungen" - Freistaat muss mit in die Finanzierung

Schon das Vergabeverfahren war Beobachtern zufolge relativ spät gestartet - weil aber viele Länder um Fristverlängerung baten, räumte der Bund diese ein. Hinzu kam dann aber auch eine Beschwerde vor der Thüringer Vergabekammer, die erst im Januar 2025 beschieden wurde.

Auf diese verweist auch die Sprecherin: "Aufgrund der unverschuldeten Verzögerungen im Vergabeverfahren, bedingt durch das lange Nachprüfungs- und Beschwerdeverfahren, können im Projektzeitraum voraussichtlich nur noch die Entwicklungskosten mit Fördermitteln des Bundes finanziert werden." Als Folge könnten Kosten auch auf Thüringen zukommen: Für die Einrichtung der neuen Anwendung in den Ämtern sollen nun "Vorkehrungen im Landeshaushalt 2026/2027 getroffen werden".

Beobachter hatten andere Entscheidung erwartet

Beobachter hatten zuletzt erwartet, dass Thüringen wegen des Zeitdrucks auf eine der aktuell in Entwicklung befindlichen Fachanwendungen aus Baden-Württemberg (proprietäre Software) oder Hessen, wo eine Open-Source-Lösung gerade ausgerollt wird, zurückgreift.

Das zeigt auch eine Kleine Anfrage der Linken-Abgeordnete Lena Saniye Güngör. Gestellt am 13. Februar liegt Stand 29. April immer noch eine Antwort vor - unüblich. Sie habe die Kleine Anfrage wegen begründeter Zweifel an der Transparenz und der Fairness des Vergabeprozesses gestellt, sagt sie MDR Investigativ. Die Entscheidung jetzt sieht sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge:

"Nortal bringt natürlich große Erfahrung in der Digitalisierung von Verwaltungen mit - gerade die estnische E-Government-Entwicklung ist international anerkannt. Aber: Wenn Thüringen jetzt auf eine sogenannte proprietäre Lösung setzt, die Software also nicht der Allgemeinheit gehört, sondern Eigentum des Unternehmens bleibt, dann kann diese Lösungen teuer werden, gerade falls spätere Anpassungen oder Erweiterungen nötig werden." Wenn es der Landesregierung möglich gewesen wäre, wäre es sinnvoll gewesen, auch offen verfügbare, gemeinwohlorientierte Open-Source-Alternativen ernsthaft zu prüfen.

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 29. April 2025 | 16:00 Uhr

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