Federmappen und Hefte liegen auf einem Tisch in einer Grundschule.
Viele Thüringer Schulen kämpfen gegen den Lehrermangel. In der Grundschule Triebes im Kreis Greiz ist er besonders sichtbar. Bildrechte: picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Der Redakteur | 07.07.2023 Was tun gegen den Lehrermangel?

07. Juli 2023, 19:20 Uhr

In der Grundschule in Triebes im Landkreis Greiz wird der Lehrermangel besonders sichtbar. Die Hälfte der Lehrer fehlt langfristig, die Klassen müssen zusammengelegt werden. Das Beispiel ist sicher extrem, doch macht es ein Problem deutlich, das eine lange Geschichte hat.

Der Lehrermangel hat viele Facetten, in Thüringen sogar sehr viele. Los geht es vor Ort in Triebes. Wenn dort ohnehin schon alles auf Kante genäht ist und die Schule nur klein, dann reicht mathematisches Grundwissen Klasse 1, für wie viele der acht Klassen fünf Lehrer ausreichen. Der Rest der Lehrer ist dauerhaft krank oder in Elternzeit.

Die Signale aus der Elternschaft lauten: Zu lange wurde der Schwarze Peter hin- und hergeschoben zwischen Schule und Schulamt. Lehrer, die theoretisch da sind, praktisch aber nicht, nutzen niemandem.

Krankschreibungen, die quasi immer nur im Vier-Wochen-Takt verlängert werden, können auch nicht sofort eine Stellenausschreibung nach sich ziehen. Und wenn dann vor Ort die Ärmel hochgekrempelt werden und pragmatisch gehandelt wird, besteht die Gefahr, dass anderswo der Handlungsdruck sinkt: Läuft doch erstmal!

Grundschule Triebes: Alle Kinder eines Jahrgangs in einer Klasse

Die Grundschule Triebes ist eigentlich zweizügig. Jetzt nicht mehr, weil die Klassen zusammengelegt wurden, obwohl die Räume das nicht hergeben - was die betroffenen Lehrer mit viel Engagement und unter Nervensubstanzverlust stemmen. Doch Klassengrößen mit an die 30 Kinder ermöglichen in der Grundschule nur wenig individuelle Betreuung.

Die zwei Klassen jeder Klassenstufe mussten zusammengelegt werden.

Susanne, Elternsprecherin der dritten Klassen.

Individuelle Betreuung haben aber viele Kinder bitter nötig, die etwa während Corona eingeschult wurden und ihre Lehrer viele Wochen nur auf dem Bildschirm sahen. Nun mag es Leute geben, die behaupten, schon immer gewusst zu haben, dass das Virus Kinder nicht so sehr tangiert. Wer aber die Verantwortung trägt, kann es sich nicht so einfach machen. Sonst steht nämlich die andere Hälfte des Meinungsspektrums vor der Tür. Bestenfalls hat man halbwegs valide Daten, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Lehrerbedarf in Thüringen falsch eingeschätzt

Valide Daten fehlten offenbar Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre, zumindest wurde der Lehrerbedarf in Thüringen jahrelang völlig falsch eingeschätzt, mit Folgen, die bis heute reichen.

Diese Erklärungen nützen der Grundschule in Triebes aber nichts, hier braucht man schlicht Lehrer - die aber eben nicht da sind. Trotzdem wollen Schulamt und Ministerium über die Ferien ihre Hausaufgaben machen, um die Situation zu entschärfen, so Ministeriumssprecher Felix Knothe.

Wir versuchen jetzt durch Abordnung und Ausschreibung neuer Stellen oder durch eine Zweitbesetzung einer Doppelklasse mit Hilfe einer Erzieherin Lösungen zu finden. Das muss und wird pragmatisch passieren.

Felix Knothe, Sprecher Thüringer Bildungsministerium

Hier kommt dem Freistaat zugute, dass die Erzieherinnen quasi "zum Team" gehören, also wie Lehrer auch vom Schulamt bzw. Freistaat eingestellt werden. Doch eines ist auch klar: Alles, was jenseits einer wirklichen Neubesetzung liegt, reißt anderswo eine Lücke. Das kann eigentlich auch keine zufriedenstellende Lösung sein.

Wo ist eigentlich die fehlende Lehrer-Generation?

Die Lehrer in Thüringen sind entweder frisch aus der (Hoch-)Schule oder stehen kurz vor der Rente. Dazwischen klafft eine größere Lücke, die aus heutiger Sicht vermeidbar gewesen wäre. Vor 25 Jahren wurde kein großer Bedarf an Lehrern gesehen. Im Ergebnis gab es eher eine Abwehrhaltung den Bewerbern gegenüber. Es gab viele Bewerber auf wenige Stellen, demzufolge wurden auch keine Anreize geschaffen - Stichwort Bezahlung, Verbeamtung und Schaffung von Annehmlichkeiten, die eine Entscheidung für Thüringen oder gar den ländlichen Raum leichter gemacht hätten.

Heute hat sich das komplett gedreht, sagt Felix Knothe, der Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums. Von den Schulen selbst bis zu den Bürgermeistern der Gemeinden sind quasi alle mit Trommeln ausgestattet, die nur noch gehört werden müssen.

Wir haben den Weg eingeschlagen zu einer sehr offenen Willkommenskultur für Lehrer.

Felix Knothe, Sprecher Thüringer Bildungsministerium

Das gilt auch für Quereinsteiger oder Wiedereinsteiger. Das bedeutet, auch Interessenten, die einst abgewiesen wurden und vielleicht sogar in andere Berufe gegangen und wenig nachtragend sind, dürfen sich gern wieder melden. Stellen gibt es genug und es kommen quasi täglich welche dazu. Es sind aktuell so viele, dass der Server durchaus fünf Sekunden braucht, die 765 Stellen (Stand 7.7.23) auch anzuzeigen. An dem offensichtlichen Filterproblem werde aber gearbeitet.

Und viele Kritikpunkte von zu späten Ausschreibungszeitpunkten, schlechtem Umgang mit Referendaren, umständlichen Bewerbungsverfahren, wenig ausgeschriebenen Stellen und unattraktiven Rahmenbedingungen sind längst ausgeräumt, so Felix Knothe und verweist auf das schwere Erbe, das man angetreten habe.

Aber auch Schulämter und Bildungsministerien lernten dazu. Wer hätte gedacht, dass das Land Thüringen einmal Imagefilme fördert, die für Lehrer werben? Beispiel: Das Video der Staatlichen Regelschule Unterwellenborn.

Wie geht man künftig mit Referendaren um?

Raus aus dem Studium, rein in den Stress. Das Referendariat, also die Stelle, wo man den letzten praktischen Schliff bekommt, war in Thüringen bisher sehr zentral organisiert. Auch erlebten viele Teilnehmer diesen Ausbildungsabschnitt weniger als Hilfestellung, sondern als stark leistungsorientierte Drucksituation.

Eine junge Frau spricht mit einem kleinen Mädchen.
Referendarinnen und Referendare sollen bei der Lehrerausbildung noch mehr unterstützt werden. Bildrechte: IMAGO/Panthermedia

Das soll jetzt anders werden, es soll mehr unterstützt werden, die künftigen Anforderungen an den Schulen zu meistern. Auch war es bisher nicht erstrebenswert, irgendwo in einer Schule im ländlichen Raum zu landen, wenn das Studienseminar - also der theoretische Teil einschließlich der Fachleiter -  in Erfurt beheimatet war. Logisch, dass man zuerst dort nach einer Schule gesucht hat. Dieses Studienseminar wird ab August quasi dezentralisiert und künftig in fünf Regionen durchgeführt.

Die Studienseminare für die Referendare werden in Gera, Erfurt, Nordhausen, Eisenach und Meiningen stattfinden.

Felix Knothe, Sprecher Thüringer Bildungsministerium

Das bedeutet: So könnten die Schulen auf dem Land für Referendare deutlich attraktiver werden, weil sich der regelmäßige Fahrweg zur "Theorie" deutlich verkürzt und auch die Betreuung durch die Fachleiter intensiver wird. Und wer sich eingelebt hat in einer Schule, bleibt vielleicht auch. Nun mag es trotzdem Situationen geben, dass der Bedarf an einer anderen Schule größer ist und doch ein Wechsel nötig wird. Aber die Regel soll das nicht mehr sein. Thüringen ist aus Sicht der Schulverwaltungen und des Ministeriums mittlerweile deutlich besser als sein Ruf - es muss sich halt nur noch herumsprechen.

MDR (dvs/fno)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 07. Juli 2023 | 16:40 Uhr

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