Politik Nach der Landtagswahl: Ramelow auf der Suche nach Koalitionspartnern
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28. Oktober 2019, 08:00 Uhr
Der einzige linke Regierungschef Ramelow hat einen historischen Sieg eingefahren - doch wer kann und will mit ihm koalieren? Und was folgt aus der nächsten Schlappe der CDU? Und die der SPD? Alle Parteien suchen Antworten.
Nach der Landtagswahl in Thüringen steht eine schwierige Regierungsbildung bevor. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) reklamierte den Auftrag zur Führung des Landes nach dem klaren Wahlsieg erneut für seine Partei. Die CDU muss nach massiven Einbußen in ihrer einstigen Hochburg ihr weiteres Vorgehen klären. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, die zur zweitstärksten Kraft in Thüringen aufstieg, schließen alle anderen Parteien aus. In Berlin kommen am Montag die Parteigremien zusammen, um über den Wahlausgang und mögliche Konsequenzen zu beraten.
Ramelow sagte, alle Demokraten müssten in der Lage sein, miteinander zu sprechen. "Lasst uns doch auch mal ausloten, was es an gemeinsamer Kraft im Parlament gibt." Dies sei noch jenseits der Frage, wer mit wem offiziell in Regierungsgespräche eintrete. In Thüringen habe man es immer wieder geschafft, "über scheinbare parteipolitische Gräben hinweg" in entscheidenden Fragen an einem Strang zu ziehen, etwa nach Bekanntwerden der NSU-Terrorserie. Ramelow betonte, er habe natürlich die Absicht, sich "sehr schnell im Parlament zur Wahl zu stellen".
Die Linke war bei der Wahl am Sonntag erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. Die bisherige rot-rot-grüne Koalition verlor aber ihre Mehrheit. Die CDU, die seit 1990 stets vorn gelegen hatte, stürzte auf das schlechteste Ergebnis der Landesgeschichte. Sie kam hinter der AfD auf Platz drei, die ihr Resultat mehr als verdoppelte.
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 65 Prozent und war damit deutlich höher als 2014 (52,7 %).
Mike Mohring signalisiert Gesprächsbereitschaft
Nach dem vorläufigen Ergebnis verbesserte sich die Linke auf 31,0 Prozent (2014: 28,2) und kam auf das beste Ergebnis bei einer Landtagswahl überhaupt. Die CDU von Spitzenkandidat Mike Mohring sackte auf 21,8 Prozent (2014: 33,5 Prozent) - ein Minus von knapp 12 Prozentpunkten. Die AfD, die in Thüringen vom Wortführer des rechtsnationalen Flügels, Björn Höcke, geprägt wird, sprang von 10,6 auf 23,4 Prozent. Die SPD rutschte weiter ab: auf den neuen Tiefstand von 8,2 Prozent (12,4). Die Grünen lagen bei 5,2 Prozent (5,7). Die FDP kam auf 5,0 Prozent (2,5 Prozent) und zog damit wieder in einen ostdeutschen Landtag ein.
SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee brachte eine Minderheitsregierung ins Gespräch. Gegebenenfalls könnte eine rot-rot-grüne Regierung mit wechselnden Mehrheiten bei Entscheidungen, die nicht grundsätzlicher Art seien, agieren, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Alle Parteien auf demokratischem Grund müssten gesprächsfähig sein. "Komplizierte, auch längere Gespräche stehen an", betonte er.
CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring hat nach den unklaren Mehrheitsverhältnissen eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausdrücklich nicht ausgeschlossen. "Die CDU in Thüringen ist bereit für Verantwortung, wie auch immer die aussehen kann und sollte", sagte Mohring am Montag vor Gremiensitzungen seiner Partei in Berlin. "Deswegen muss man bereit sein, nach diesem Wahlergebnis auch Gespräche zu führen. Ohne was auszuschließen, aber in Ruhe und Besonnenheit." Die Frage nach einem möglichen Modell könne er noch nicht beantworten, sagte Mohring.
Die CDU musste nicht nur bei den Zweitstimmen im Vergleich zu 2014 massive Verluste hinnehmen. In mehreren Wahlkreisen verlor sie auch Direktmandate an Wettbewerber von AfD und Linken. Die AfD hatte vor fünf Jahren noch keinen Wahlkreis geholt, nun gewann sie bei den Erststimmen elf Direktmandate.
Die FDP in Thüringen liebäugelt mit einer Minderheitsregierung. Diese "wäre eine Herausforderung für die Demokratie, aber die Wähler würden dann auch wieder sehen, dass Demokratie tatsächlich im Parlament stattfindet", sagte FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich.
Welche Koalitionen sind möglich?
Nach der sich gegenwärtig ergebenden Sitzverteilung sind bislang keine klaren Optionen für eine Regierungsbildung erkennbar. Für die derzeit regierende Koalition aus Linke, SPD und Grüne reicht es nicht zur Stimmenmehrheit im Parlament. Möglich wäre diese, sie die FDP in eine Koalition einbeziehen würde. Kemmerich (FDP) schloss das aber in einer ersten Reaktion am Sonntagabend aus.
Auf der anderen Seite würde eine Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP mit 39 Sitzen keine Mehrheit haben. Auch eine Koalition aus AfD und CDU hätte keine Mehrheit.
SPD bestürzt über schlechtes Ergebnis
Die Linke-Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sprach in einer ersten Reaktion von einem historischen Ergebnis für ihre Partei.
Wir haben zum ersten Mal eine Wahl gewonnen.
Linke-Spitzenkandidat Bodo Ramelow sprach von einem klaren Regierungsauftrag für seine Partei. "Und ich werde diesen Auftrag auch annehmen", sagte er. Wegen der guten Wahlbeteiligung sei er stolz auf das Land Thüringen. "Die Wahlbeteiligung ist seit langem nicht mehr so hoch gewesen, deswegen ist es ein großer Tag für unser Parlament."
"Ein bisschen traurig" sei er, dass SPD und Grüne nicht von der starken Wahlbeteiligung hätten partizipieren können. "Wir haben alle drei für den Erfolg gearbeitet", sagte Ramelow dem MDR.
Die SPD reagierte bestürzt auf ihr schlechtes Ergebnis. Im Vergleich zur Wahl vor fünf Jahren hat sie rund vier Prozentpunkte verloren. Landtagsfraktionschef Matthias Hey sagte: "Das ist ein sehr, sehr bitteres Ergebnis für die Sozialdemokraten." SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Tiefensee bezeichnete das Wahlergebnis als "für uns enttäuschend, wenn auch wie befürchtet". Seine Partei werde in den nächsten Tagen ausloten, welche Möglichkeiten zur Bildung einer stabilen Regierung in Thüringen bestehen. Dabei gelte, dass alle demokratischen Parteien miteinander reden müssten und ihrer Verantwortung für das Land gerecht werden. Tiefensee nannte keine Parteien im Einzelnen.
Das fühlt sich nicht gut an.
AfD-Landeschef und -Spitzenkandidat Björn Höcke sagte im MDR, seine Partei sei der Gewinner des Abends. Die Regierung von Bodo Ramelow sei abgewählt, die AfD wolle regieren. Die Altparteien seien gut beraten, das Votum des Wählers zur Kenntnis zu nehmen.
Co-Landeschef Stefan Möller umwarb die CDU. Diese solle die Möglichkeiten einer "bürgerlichen Regierung" nutzen - oder diese "verraten" und sich der Linkspartei "andienen".
Quelle: MDR THÜRINGEN/dr, dpa, AFP
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 28. Oktober 2019 | 19:00 Uhr
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