Landtagswahl 2024 Grünen-Spitzenkandidatin Madeleine Henfling
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31. August 2024, 10:00 Uhr
Madeleine Henfling ist aufgestiegen. Die 41-Jährige aus Ilmenau war einst grüne Wahlkreis-Mitarbeiterin. Inzwischen ist sie Landtags-Vizepräsidentin.
Zu verdanken hat Henfling ihren Aufstieg nicht zuletzt vielen persönlichen Eigenschaften. Selbstvertrauen, Ehrgeiz und ihre Beharrlichkeit gehören dazu. Im Landtag tritt sie bisweilen hoch emotional auf. Vor allem, wenn vor ihr ein AfD-Abgeordneter am Rednerpult gestanden und gesprochen hat und es darauf zu erwidern gilt.
Fest steht: Die 41-Jährige Thüringerin hat sich inzwischen einen Namen gemacht und etabliert. Aber ist Henfling auch die Richtige, um den Absturz der Grünen in die außerparlamentarische Opposition zu verhindern?
"Einige Menschen überfordern wir offensichtlich"
Dass es knapp werden kann, mit dem Wiedereinzug in den Thüringer Landtag, ist Henfling bewusst. Erstmals führt sie ihre Partei als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf. Aber selten, vielleicht nie zuvor, war die Ausgangslage so schwierig wie jetzt. Das Agieren der Bundespartei als Teil der Ampel-Regierung hat in Teilen der Bevölkerung Ablehnung erzeugt.
Das bekommt auch der Thüringer Landesverband, der ohnehin seit jeher im Freistaat einen schweren Stand hat, zu spüren. Zu spüren, indem die Fünf-Prozent-Hürde fast immer näher ist, als ein bequemes Polster etwa im zweistelligen Bereich. Fragt man Henfling, welcher Zusammenhang sie zwischen dem Handeln der Bundespartei und dem Dauertief des Landesverbands sieht, sagt die 41-Jährige unumwunden: "Einige Menschen überfordern wir offensichtlich mit unserer Politik."
Henfling weiß außerdem: Es fehlt an Wählerklientel im Freistaat. Die Grünen sind da stark, wo junge Menschen in großen Städten und universitärem Umfeld leben. Thüringen dagegen ist ein Land mit vergleichsweise alter Bevölkerung und ländlich geprägt. Demografische Umstände, die auch Henfling nicht zu ändern vermag.
Weiteres Problem der Thüringer Grünen: Der, wenn auch unfreiwillig durch den Abgang von Anja Siegesmund zum Jahreswechsel 2022/23 erforderliche, personelle Umbruch. Die langjährige Umweltministerin hatte plötzlich ihren Wechsel in die Privatwirtschaft erklärt.
Bis heute ein echter Rückschlag für die Partei. Denn Siegesmund konnte stets auf herausragende persönliche Beliebtheitswerte verweisen und galt als Zugpferd im Wahlkampf. Ihre Rolle hat jetzt Henfling übernommen.
Allerdings: In Sachen Beliebtheit und Popularität kann sie die Siegesmund-Lücke längst noch nicht schließen. Nur knapp jeder fünfte Thüringer kennt Henfling. Damit ist sie mit Abstand die unbekannteste Spitzenkandidatin der aussichtsreichen Parteien im Landtagswahlkampf.
Absturz in den Umfragen
Die Alarm-Zeichen sind unübersehbar. Im jüngsten Thüringen-Trend des MDR kommen Henfling und Co. gerade noch auf vier Prozent. Besonders bedrohlich an dieser Situation: Fast ausnahmslos waren die Thüringer Grünen in den letzten Umfragen vor Landtagswahlen stärker als schließlich am Wahlabend. Bestätigt sich dieser Trend, stünde die Partei vor dem parlamentarischen Aus.
Kampagnen-Auftakt auf der Streuobstwiese
Ortswechsel. Es ist ein lauer Juni-Morgen, die Ferien haben gerade begonnen. Madeleine Henfling steht auf einer Streuobst-Wiese am Rande von Erfurt, um dort die grüne Wahlkampf-Kampagne vorzustellen. Der Wind weht und bläst einige aufgestellte Plakate von den Ständern.
An Henflings Seite an diesem Tag: Bernhard Stengele, der amtierende Umweltminister, den die Grüne Personal-Rochade zum Jahreswechsel 2022/23 in dieses Amt gespült hatte. Stengele gibt in der Öffentlichkeit seitdem ein deutlich besseres Bild ab, als die ebenfalls damals neu installierte, aber zwischenzeitlich überfordert wirkende Justizministerin Doreen Denstädt. Der Umweltminister und frühere Theater-Chef ist neben Henfling der zweite Spitzenkandidat der Thüringer Grünen.
Auf der Steuobst-Wiese erklärt Henfling schließlich, wie und mit welchen Inhalten sie und ihre Partei um Stimmen werben wollen. Im Wahlprogramm findet sich das, was die Grünen und ihre Wähler als Markenkern empfinden: Klimaschutz, Migrationspolitik und Mobilität. Eines der Wahlversprechen: Ein öffentlicher Personen-Nahverkehr, der tagsüber stündlich einen Bus in jedes Dorf fahren lässt. Azubis, Studenten und Senioren sollen den ÖPNV zudem kostenlos nutzen können.
Ein anderes Wahlkampf-Thema: Henflings Grüne wollen die Schulnoten abschaffen. In einem ersten Schritt zumindest in musisch-künstlerischen und sportlichen Fächern. Das solle den Leistungsdruck mindern und echte Förderung zulassen. Auch Hausaufgaben soll es nach dem Willen der Grünen künftig nicht mehr geben. Laut Wahlprogramm sollen dafür "Alternativen" entwickelt werden.
Darüber hinaus hat Henfling unter anderem noch die Bekämpfung des Rechtsextremismus zum Wahlkampf-Thema erklärt. Es ist ihr persönliches Steckenpferd. Kaum eine Debatte im Landtag vergeht, ohne dass die fundamental linke Grüne die AfD attackiert und vor einem drohenden Rechtsruck in der Zivilgesellschaft warnt.
Mehr Dialog – auch mit Kritikern und Gegnern
Eines ist Henfling an diesem Tag auf der Streuobstwiese auch noch wichtig zu erwähnen: Sie will weg vom Image der Bevormundungspartei. Dazu plant die 41-Jährige mit ihrem Landesverband neue Dialog-Formate, um wieder mehr mit Bürgern ins Gespräch zu kommen. Auch, wie sie explizit betont, mit AfD-Wählern.
Dass Henfling auf diese Strategie setzt, kann kaum überraschen. Wahlkämpfer hatten nach der Landtagwahl 2019 beklagt, dass Reaktionen und Kritik aus den ländlichen Regionen auf grüne Wahlprogramm-Inhalte beim damaligen Spitzenkandidaten-Duo Siegesmund/Adams kaum Gehör fanden.
Und: Dass auf dem Land kaum noch aktiv Wahlkampf mit dort vertretbaren und anschlussfähigen Grünen-Ideen gemacht werde. Das will Henfling ändern. Aufgegeben hat sie ihre Grünen jedenfalls noch nicht. Im Gegenteil: Sie würde gern weiter mitregieren. Ihr Ziel sei eine Mehrheitsregierung, erklärt Henfling. Und weiter: "Das kann auch bedeuten, man muss zu viert regieren."
MDR
MDR THÜRINGEN JOURNAL
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