Thüringen Ein zerrissenes Land - Kommentar zur Landtagswahl

27. Oktober 2019, 21:10 Uhr

Thüringen hat den künftigen Landtag gewählt - und ist ein zerrissenes Land, meint MDR THÜRINGEN-Chefredakteur Matthias Gehler. Ein Kommentar.

Thüringen ist ein zerrissenes Land. Diese Wahl ist historisch, weil es in der bundesdeutschen Geschichte so etwas noch nicht gegeben hat. Die Linke liegt bei circa 30 Prozent - die AfD bei knapp 24 Prozent.

Bodo Ramelow als einziger linker Ministerpräsident in Deutschland hat das beste linke Ergebnis überhaupt geholt. Wenn man ihn kennt, weiß man auch woran das liegt: Ramelow ist ein Linker und doch kein Außenseiter für die Wähler - eher ein Außenseiter seiner Partei. Die hat sich im Wahlkampf - wie auf vielen Plakaten zu sehen war - ganz auf Ramelow konzentriert - bis hin zur Selbstverleugnung.

Ramelow hat keine extremen Positionen bezogen. Er ist Realist, kennt sich im Land aus. Er hat voll auf den Bonus des Amtsinhabers gesetzt. Für mich hat nicht die Linke, sondern Bodo Ramelow als Staatsmann gewonnen.

Im rechten Lager sieht es genau anders aus:

Der zweite Gewinner ist die AfD

Wie man es auch dreht - den größten Zuwachs hat die AfD. Von 10,6 Prozent auf fast 24 Prozent. Das ist mehr als eine Verdopplung. Auf den ersten Blick ist das ein riesiger Erfolg, auf den zweiten Blick ein uneingeschränkter Erfolg für Björn Höcke?

Im Vergleich zu den Erfolgen der AfD bei den Landtagswahlen in Sachsen und in Brandenburg lag beim Thüringer Parteivorsitzenden die Latte, über die er innerhalb seiner Partei springen musste, weitaus höher.

Er vertritt eine extreme Rechtsaußenlinie mit seinem innerparteilichen Flügel und hatte die größte Chance, sich in Opposition zu einer linksgeführten Regierung zu profilieren. Das ist ihm gelungen. Aber reicht das innerhalb seiner Partei? Er hat in Thüringen einen Bekanntheitsgrad von fast 90 Prozent, aber Dreiviertel lehnen ihn ab. "Herr Höcke, Sie machen mir Angst", hat kürzlich eine Frau im Fernsehen zu ihm gesagt.

Ist das AfD-Wählerpotenzial nun ausgeschöpft? Auch Protest- und Wechselwähler - von denen es im Osten der Republik bekanntlich mehr gibt als im Westen - lassen sich nicht unendlich mobilisieren. Wobei es allerdings der AfD bei dieser Wahl gelungen ist, Nichtwähler an die Wahlurnen zu holen - das hat dazu beigetragen, die Wahlbeteiligung auf 65,5 Prozent zu erhöhen - auch das ist Demokratie.

Das im Besonderen die Grünen und aber auch die anderen Parteien unter der Polarisierung zwischen rechts und links aufgerieben wurden und extrem Federn lassen mussten, steht auf einem anderen Blatt und macht eine Regierungsbildung unendlich schwerer, wenn nicht unmöglich.

Bodo Ramelow - der jetzt auf andere zugehen will - ist dafür bekannt, dass er unkonventionelle Wege gehen kann.

Der Druck auf die CDU wächst, denn zwei Drittel der Thüringer sprechen sich gegen eine Minderheitsregierung aus. Neue Ideen sind gefragt. Es scheint, auch die Zeit nach der Wahl bleibt historisch.

Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 27. Oktober 2019 | 18:00 Uhr

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