Landesregierung Thüringen hat neue Migrationsministerin und neuen Umweltminister
Hauptinhalt
01. Februar 2023, 11:50 Uhr
Die beiden Grünen-Politiker Doreen Denstädt und Bernhard Stengele sind am Mittwoch im Thüringer Landtag als neue Justizministerin und als neuer Umweltminister vereidigt worden. Denstädt folgt auf Dirk Adams, der auf Drängen seiner Partei entlassen worden war. Stengele übernimmt das Umwelt- und Energieressort von Anja Siegesmund, die bereits vor Weihnachten ihren Rückzug aus der Politik angekündigt hatte.
Doreen Denstädt ist im Thüringer Landtag als neue Justizministerin des Landes und Bernhard Stengele als neuer Umweltminister vereidigt worden. Die beiden Grünen-Politiker legten ihren Amtseid am Mittwoch ohne den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" ab.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, Denstädt sei eine erfahrene Vertreterin aus dem Polizeidienst. "Mit Herrn Stengele haben wir einen erfahrenen Politiker, der in internationalen Projekten, aber auch als Künstler erfolgreich tätig war", sagte der Regierungschef kurz vor der Vereidigung. Zuvor hatten Stengele und Denstädt ihre Ernennungsurkunden erhalten.
Personalkarussell nach Siegesmund-Rücktritt
Stengele folgt an der Spitze des Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz Anja Siegesmund (ebenfalls Grüne), die bereits kurz vor Weihnachten ihren Rückzug aus der Landespolitik angekündigt hatte. Denstädt übernimmt das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, das bis Anfang Januar von Dirk Adams geführt wurde.
Adams wurde auf Drängen seiner Partei entlassen. Thüringen wird von einer Koalition aus Linken, SPD und Grünen in einer Minderheitsregierung regiert und ist daher bei Abstimmungen auf Stimmen aus der Opposition angewiesen.
Keinen "Welpenschutz" und wenig Zeit für Einarbeitung
Die Personalwechsel kamen für viele in Thüringen überraschend - für die Grünen sind sie ein Komplett-Neustart beim Regierungspersonal. Viel Zeit für eine Einarbeitung bleibt den beiden nicht. Schon im Jahr 2024 soll ein neuer Landtag in Thüringen gewählt werden - spätestens im letzten Drittel des Jahres.
"Ich habe keine 100 Tage, das ist mir klar. Geplant ist ein Sprintstart", sagte Denstädt am Dienstag. Migrationspolitik stehe auf der Tagesordnung ganz oben. Sie kündigte an, sich in ihren ersten Wochen als Ministerin einen Überblick verschaffen und mit einigen Kommunen über die Migrationspolitik sprechen zu wollen.
Zuvor hatte bereits Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) betont, dass die beiden neuen Regierungsmitglieder drängende Probleme zu lösen hätten. "Sie haben keinen Welpenschutz", hatte Ramelow gesagt.
Stengele: Vom Schauspieldirektor zum Minister
Stengele stammt aus dem Allgäu (Baden-Württemberg) und ist von Beruf Schauspieler und Regisseur. Zwischen 2012 und 2017 war er Schauspieldirektor am Theater Altenburg Gera, kehrte dann nach Baden-Württemberg zurück.
Im Jahr 2019 trat er für die Thüringer Grünen bei der Landtagswahl als Direktkandidat für den Wahlkreis Altenburger Land II an, wobei er mit einem Ergebnis von 5,6 Prozent hinter den Mitbewerbern von CDU, Linke, FDP und SPD landete und nicht in den Landtag einzog.
Anfang 2020 wurde Stengele zusammen mit Ann-Sophie Bohm Landessprecher der Thüringer Grünen. Zu seinem Ministerium gehört auch der Energiebereich, der durch die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im vergangenen Jahr an Bedeutung gewonnen hat.
Kritik an Personalentscheidungen
An den beiden Personalentscheidungen der Grünen hatte sich auch Kritik entfacht - so kamen Bedenken auf, den beiden könnte die nötige fachliche Qualifikation fehlen. Denstädt etwa ist Polizeihauptkommissarin, Diplom-Verwaltungswirtin und arbeitete zuletzt in der Polizeivertrauensstelle im Thüringer Innenministerium.
Juristin ist sie allerdings nicht - wie schon ihr Vorgänger Adams. Sie wisse, wie eine Behörde funktioniere, durch ihre Zeit als Streifenbeamtin kenne sie viele Probleme der Menschen, sagte sie. Bei Denstädt driftete die Kritik an der Personalentscheidung auch in rassistische und beleidigende Hetze im Internet ab. Die Polizei ermittelt.
"Das ist einfach nur das, was Frauen mit Migrationsgeschichte tagtäglich erleben. Und ich fand es gut, dass das jetzt stärker gesehen wird", sagte Denstädt. Neu sei diese Situation für sie nicht.
Denstädt in sozialen Netzwerken gegen Hass auch verteidigt
"Ich hatte jetzt 45 Jahre lang Zeit, mich daran zu gewöhnen. Dass solche Hetze aus dem rechten Spektrum kommt, war klar. Dass bestimmte Netzwerke da zusammen agieren, war ebenfalls vorhersehbar", sagte sie.
Viele Kolleginnen und Kollegen hätten sich gemeldet und gefragt, wie es ihr gehe. Teils sei sie von Kollegen, die sie politisch nicht bei den Grünen verorten würde, in den sozialen Netzwerken verteidigt worden.
Ob Denstädt und Stengele auch als Spitzenkandidaten für die Grünen zur Landtagswahl 2024 ins Rennen gehen, ist offen. Nach Auffassung des Erfurter Politologen André Brodocz sind die Personalentscheidungen mit Blick auf die bald anstehende Wahl riskant.
Minister jenseits der Grünen weitgehend unbekannt
"Wir haben hier eine Ministerin und einen Minister, die im Land jenseits der Grünen weitgehend unbekannt sind", sagte Brodocz der "Deutschen Presse-Agentur".
Anja Siegesmund habe in Thüringen bereits eine große Bekanntheit erreicht. "Dieser Personalisierungseffekt ist nicht zu unterschätzen heutzutage, weil mit Personen auch Vertrauen verbunden wird. Und Vertrauen ist eine starke Ressource, wenn es darum geht, Wahlentscheidungen zu treffen", sagte Brodocz. Die Partei müsse möglicherweise damit rechnen, um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfen zu müssen.
dpa/MDR(co/dst)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 01. Februar 2023 | 06:00 Uhr