Landespolitik Das sind die neuen Grünen-Minister in Thüringen

12. Januar 2023, 11:23 Uhr

Die Thüringer Grünen besetzen mit Blick auf die Landtagswahl 2024 ihre beiden Ministerämter in der rot-rot-grünen Landesregierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) neu. Sie benennen eine Polizistin und einen ehemaligen Schauspiel-Direktor als neue Minister.

Die Grünen stellen sich in der Thüringer Landesregierung komplett neu auf. Wie die Staatskanzlei mitteilte, hat Justiz- und Migrationsminister Dirk Adams am Montag die Entlassungsurkunde erhalten. Bis zum Monatsende soll die ebenfalls scheidende Umweltministerin Anja Siegesmund die Amtsgeschäfte von Adams weiterführen.

Adams zum Rücktritt gezwungen

Migrationsminister Adams hatte sich zuvor geweigert, dem Wunsch seiner Partei zu folgen und freiwillig zurückzutreten. Wie die Grünen mitteilten, soll die Polizistin Doreen Denstädt auf Adams folgen.

Neuer Umweltminister wird der bisherige Landessprecher der Grünen, Bernhard Stengele. Denstädt sieht Migration als brennendstes Thema in ihrem zukünftigen Amt, Stengele möchte seinen Schwerpunkt auf die Energiewende legen.

Polizistin Denstädt wird neue Thüringer Justizministerin

Denstädt ist Polizeihauptkommissarin und Diplom-Verwaltungswirtin. Sie arbeitet derzeit in der Polizeivertrauensstelle im Innenministerium. Die 1977 geborene Saalfelderin hat die Thüringer Bündnisgrünen in der 17. Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten vertreten. Zudem war sie früher erfolgreiche Rugby-Spielerin. Sie hat zwei Kinder.

Laut Grünen-Landessprecher Stengele wisse sie aus ihrer Erfahrung als Ermittlungsbeamtin der Staatsanwaltschaft um den Stellenwert einer unabhängigen Justiz und die Notwendigkeit von Vertrauen in den Rechtsstaat. Außerdem engagiere sie sich seit vielen Jahren gegen Rassismus und jedwede Form der Diskriminierung. Denstädt wäre nach ihrer Ernennung nach Angaben der Grünen die erste schwarze Ministerin in Ostdeutschland.

Einvernehmliche Lösung nicht möglich

Nach den Worten von Bernhard Stengele war seine Partei auf der Suche nach einer "Gesamtlösung". Nachdem die gegenwärtige Umweltministerin Anja Siegesmund ihren Rücktritt ankündigt habe, sei schnell klar gewesen, dass auch die Personalie Adams ausgetauscht werden soll. Stengele sagte, die Grünen hätten auf eine einvernehmliche Lösung gehofft, die leider nicht zustande gekommen sei. Er dankte Adams für seine gute Arbeit.

Stengele wird Umweltminister und Vize-Ministerpräsident

Bernhard Stengele
Bernhard Stengele führt seit Januar 2020 gemeinsam mit Ann-Sophie Bohm den Landesverband der Grünen. Bildrechte: IMAGO / STAR-MEDIA

Stengele wird neben dem Amts des Umwelt- und Ernegieministers auch die Rolle von Siegesmund als Vize-Ministerpräsident übernehmen. Er führt seit Januar 2020 gemeinsam mit Ann-Sophie Bohm den Landesverband der Grünen. Stengele ist darstellender Künstler und Regisseur mit internationaler Leitungserfahrung, zuletzt als Schauspieldirektor am Theater Altenburg.

So reagieren die Parteien im Thüringer Landtag

Steffen Dittes bedankte sich als Vorsitzender der Linksfraktion für Adams Engagement im rot-rot-grünen Bündnis. Als Migrationsminister habe er eine schwierige Aufgabe gehabt. Den künftigen Ministern wünsche er viel Erfolg bei der herausfordernden Arbeit.

Aus Sicht des Parlamentarischen Geschäftsfühers der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, Andreas Bühl, ist der Austausch der beiden Ministerposten ein Eingeständnis der schlechten Krisenpolitik von rot-rot-grün. Adams sei mit seiner Migrationspolitik katastrophal gescheitert. Die Koalition würde bröckeln. Noch deutlicher äußerte sich der Thüringer CDU-Generalsekretär Christian Herrgott, der von einer bröckelnden "Chaos-Regierung" sprach.

Andreas Bühl (CDU)
Andreas Bühl ist Parlamentarischer Geschäftsfüher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Bildrechte: IMAGO / Karina Hessland

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey würdigte den scheidenden Minister Adams für seine Arbeit. Er sei auch in schwierigen Zeiten ein verlässlicher Partner gewesen. Auch künftig werde die Fraktion ein kooperativer Ansprechpartner sein und auf konstruktive Zusammenarbeit setzen.

Matthias Hey sitzt 2019 vor der Sitzung des Thüringer Landtages im Plenarsaal.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Hey. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Bodo Schackow

Die AfD spricht von einer Fehlbesetzung. Als Nachfolger seien gänzlich ungeeignete Personen ohne jeden Bezug zum jeweiligen Ressort nominiert worden. Die Zeit sei mehr als reif für Neuwahlen in Thüringen, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Torben Braga.

Torben Braga (AfD)
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer AfD-Fraktion, Torben Braga. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Aus Sicht der FDP müssen sich die beiden neuen Minister an der Bilanz der Vorgänger messen lassen. Diese sei jedoch alles andere als glänzend gewesen, sagte FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich. So gleiche die Unterbringung von Geflüchteten seit Jahren einem Desaster und im Umweltministerium sei noch immer unklar, wie ein stabile Grundversorgung sichergestellt werden kann, wenn kein Wind wehe und keine Sonne scheine, so Kemmerich.

Thomas Kemmerich sitzt im Plenarsaal des Thüringer Landtags.
Der Thüringer FDP-Gruppenchef Thomas Kemmerich. Bildrechte: IMAGO/Karina Hessland

Ramelow: Landesregierung nicht geschwächt

Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht die Thüringer Landesregierung durch den Ministerwechsel nicht geschwächt. Er sei guter Dinge, dass beide Ministerien ab Februar gut besetzt seien, sagte Ramelow nach der Kabinettssitzung. Weiter kommentieren wolle er die Personalentscheidungen der Grünen nicht.

Ministerpräsident Bodo Ramelow  Ministerpräsident Bodo Ramelow Bodo Ramelow Linke, Thüringens Ministerpräsident, spricht bei einem Interview in seinem Büro im Thüringer Landtag über seine Bundesratspräsidentschaft. Erfurt Thüringen DEUTSCHLAND ***
Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sieht beide Ministerien gut besetzt. Bildrechte: IMAGO/ari

Präsidentin des Landkreistags sieht "keine sachlichen Gründe"

Aus Sicht der Präsidentin des Thüringer Landkreistags, Martina Schweinsburg, ist die Neubesetzung der beiden Ministerien eine rein parteipoltische Entscheidung gewesen. Sachliche Gründe sieht die CDU-Politikerin dagegen nicht. Sie könne bei beiden künftigen Ministern nicht mehr fachliche Kompetenz erkennen als bei den Vorgängern. Besonders beim Grünen-Landessprecher Bernhard Stengele, der Anja Siegesmund als Umwelt- und Energieminister nachfolgen soll, habe sie Zweifel.

Sie kritisierte zudem den Umgang mit dem am Montag entlassenen Migrationsminister Dirk Adams. Er möge Schwächen gehabt haben, sei aber ein anständiger Mensch gewesen. Wie seine Partei mit ihm umgehe, habe er nicht verdient. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte sie auf, die von Adams begonnene Reform bei den Flüchtlingskosten zügig umzusetzen.

Zurückhaltung bei Wirtschafts- und Umweltverbänden

Wirtschafts- und Umweltverbände haben zurückhaltend auf den Wechsel im Umwelt- und Energieministerium reagiert. Wegen der aktuellen Krisen habe der künftige Minister Bernhard Stengele kaum Zeit, sich einzuarbeiten, hieß es.

Der Verband der Wirtschaft Thüringen forderte den neuen Umweltminister auf, sich zügig einzuarbeiten. Die Unternehmen hätten wegen der hohen Energiepreise und der Versorgungssicherheit weiterhin große Sorgen. Solche Probleme duldeten keinen Aufschub.

Der Naturschutzbund Thüringen mahnte, auch der neue Minister müsse ambitionierte Umweltpolitik vorantreiben. Energiewende und mehr Naturschutz sollten dabei Hand in Hand gehen. Vor allem naturnahe Auen, Feuchtgebiete und Wälder müssten öfter erhalten oder wiederhergestellt werden.

Richterbund reagiert mit Unverständnis auf Entlassung Adams

In der Justiz stößt die Entlassung des zuständigen Ministers auf Unverständnis. Von Versagen könne keine Rede sein, ganz im Gegenteil, Dirk Adams habe im Justizressort eine gute Performance hingelegt, hieß es vom Thüringer Richterbund.

MDR (KK/rom/nis/dpa)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 09. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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