
Handwerk Problem Frühaufstehen: Zu wenige Menschen wollen in Thüringen Bäcker werden
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11. März 2025, 21:00 Uhr
Frische Brötchen, leckere Mohnhörnchen - oder vielleicht ein Schweinsohr mit Schokolade? Die Auslagen in den Thüringer Bäckereien sind oft vielfältig. Doch die Branche hat Probleme. Diese hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten zusammen mit der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung untersuchen lassen. Dabei zeigen sich Probleme wie Teilzeit, Nachtarbeit und eine hohe Belastung der Beschäftigten. Für Thüringen aber sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen.
In der Backstube der Buttstädter Vollkornbäckerei werden gerade filigrane Hörnchen gerollt, per Hand. Nebenan schüttelt ein Mitarbeiter fertige Eierplätzchen vom Backpapier herunter. Kurz nach 9 Uhr am Montagmorgen ist es in der Backstube bereits etwas ruhiger, es laufen nur noch wenige Arbeitsgänge.
"Für den nächsten Tag fangen wir um 22 Uhr an. Und dann geht es ineinander über. Um zwei, um drei, um vier, um fünf und um sechs kommen alle nacheinander dazu", sagt Celestina Brandt, Geschäftsführerin der Buttstädter Vollkornbäckerei GmbH. Mit immerhin 35 Mitarbeitern und zwei Auszubildenden.
"Ich bin halb fünf aufgestanden", sagt die Chefin. Aber man sei durchaus bemüht, einen Teil der Arbeit aus der Nacht in den vorhergehenden Tag zu verlagern. Denn auch sie weiß, dass Nachtschichten für manche Menschen nicht in Betracht kommen und den Beruf weniger attraktiv machen.
Brötchen müssen frisch sein
Das ist eine wichtige Erkenntnis, die auch aus einer Studie der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht. Die erkennt den Fachkräftemangel als großes Problem und rät, die Betriebe müssten sich bemühen, Arbeit möglichst oft in den Tag zu schieben.
Aus Sicht der Bäckermeisterin hat das aber Grenzen. Schließlich soll die Ware auch wirklich frisch sein. "Und wir öffnen den Drive-in um halb sechs und die Verkaufsfahrzeuge werden ab sechs Uhr beladen", sagt Brandt.
Trotzdem versuche man, vieles möglich zu machen. "Wir arbeiten mit Wechselsystem. Dass nicht jemand immer in der Nachtschicht arbeitet." Aber etliche Betriebe, auch in Thüringen, hätten schlicht keinen Nachfolger mehr gefunden und aufgegeben - nicht nur wegen Arbeitskräften, sondern auch aus anderen Gründen. Wobei sie dann mitunter durch die Filiale einer Bäckerei-Kette ersetzt wurden.
Nur wenige wollen mehr Stunden arbeiten
Einig sind sich Gewerkschaft und Unternehmerin in Sachen Teilzeit. Die NGG schreibt: "Theoretisch ist anzunehmen, dass die Erhöhung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten Potenziale zur Erweiterung der verfügbaren Arbeitskraft bietet.
Die Ergebnisse der Befragung deuten jedoch darauf hin, dass die Potenziale unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen allenfalls gering sind. Nur acht Prozent aller Befragten wünschen sich eine Aufstockung der Arbeitszeit. Zudem haben 87 Prozent der Teilzeitbeschäftigten angegeben, dass sie auf persönlichen Wunsch oder aus familiären Gründen in Teilzeit arbeiten."
Die Studie mahnt für Thüringen zur Vorsicht, denn von den 1.400 Befragten seien nur wenige aus Thüringen. Trotzdem bestätigt die Unternehmerin die Schlussfolgerung im Bereich Teilzeit.
Wir sind doch froh, wenn Mütter aus dem Mutterschutz wiederkommen. Klar, sie arbeiten oft keine 40 Stunden. Aber wir haben sie wieder auf dem Arbeitsmarkt, sie arbeiten. Das ist doch das, was wir wollen.
"Wir sind doch froh, wenn Mütter aus dem Mutterschutz wiederkommen. Klar, sie arbeiten oft keine 40 Stunden. Aber wir haben sie wieder auf dem Arbeitsmarkt, sie arbeiten. Das ist doch das, was wir wollen", sagt Brandt. Das sei nicht immer leicht zu organisieren und führe manchmal auch zu Problemen innerhalb der Belegschaft. Aber es geht.
Ohne Migranten keine Bäckereien
Denn die Branche hat Personalprobleme. Über Jahre haben sich immer weniger Menschen zu Bäckern ausbilden lassen, erst im vergangenen Jahr ist die Zahl wieder angestiegen, das bestätigt auch Stefan Lobenstein, Präsident der Handwerkskammer Erfurt und Konditormeister. Das mache Hoffnung für die Branche.
Ohne Migranten wäre das Bäckereihandwerk komplett am Boden.
In der steigt der Ausländeranteil massiv an, auch in den Thüringer Ballungszentren. "Zum Beispiel mit Vietnamesen. Bei uns im Betrieb noch nicht. Aber es wird mehr", sagt Brandt. Bei Auszubildenden liegt der Ausländeranteil bundesweit bei knapp unter einem Viertel. "Ohne Migranten wäre das Bäckereihandwerk komplett am Boden", sagt Jens Löbel, Chef der Gewerkschaft NGG in Thüringen.
Landesinnungsmeisterin Brandt: Ausbildung reformieren
Aus Sicht von Landesinnungsmeisterin Celestina Brandt wäre auch eine Reform der Ausbildung sinnvoll. "Wir müssen erreichen, dass der Beruf cool ist, dass ihn junge Leute machen wollen. Da kann ich nicht alles genauso machen wie vor 30 Jahren", sagt sie. Sinnvoll sei eine Art Grundausbildung von zwei Jahren - und dann darauf aufsetzend verschiedene Spezialisierungen.
Dagegen sperre sich aber unter anderem die Gewerkschaft, die weiterhin auf eine dreijährige Ausbildung setzt. "Aber was habe ich davon, wenn mein Azubi unbedingt wissen muss, wie man eine Quiche bäckt? Der muss wissen, wie Vorteig geht, wie lange Teig ruhen muss, welche Rohstoffe infrage kommen." Das sei in der Ausbildung viel wichtiger als Spezialwissen.
Wir müssen erreichen, dass der Beruf cool ist, dass ihn junge Leute machen wollen. Da kann ich nicht alles genauso machen wie vor 30 Jahren.
Helfen bei den Personalproblemen könnte aus Sicht der Gewerkschaft natürlich auch mehr Geld. "Mit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat uns die Innung gesagt: Dafür ist jetzt der Mindestlohn da", sagt Gewerkschafter Löbel. Einzelne Haustarif-Verträge gebe es noch, aber keinen Flächentarif.
Höherer Mindestlohn oder niedrigere Steuern?
Bäckerei-Unternehmerin Brandt sorgt sich bereits, dass der Mindestlohn schon wieder steigen könnte. "Der ist in so wenigen Jahren schon so oft gestiegen. Das war für uns ein sehr großer Faktor, der Zeitraum für die Steigerungen zu kurz. Und Material- und Energiekosten kommen ja noch oben drauf."
Das führe am Ende dazu, dass die Produkte der Handwerksbäcker für viele Menschen zu teuer werden - und erfolgreiche Spezialprodukte mancher Bäckereien werden nicht unbedingt von der breiten Masse nachgefragt. Denn der Mindestlohn zieht das Lohngefüge insgesamt nach oben. "Wir haben ja auch Schüler oder Studenten im Team, ungelernte Hilfskräfte."
Bekommen die bald 15 Euro Mindestlohn, wie es zwischen SPD und CDU gerade für eine neue Bundesregierung verhandelt wird, droht Ungemach. "Dann wollen natürlich andere Mitarbeiter viel mehr Geld haben." Aus ihrer Sicht sei es besser, den Leuten durch geringere Steuern mehr verfügbares Einkommen zu verschaffen.
Anmerkung: Bei der Studie handelt es sich um vorläufige Kernergebnisse. Der Gesamtstudienbericht wird im Sommer 2025 erscheinen.
MDR (gir/jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 10. März 2025 | 19:00 Uhr
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