Sperrminorität SPD verhindert Tauschhandel zwischen CDU und AfD im Thüringer Landtag - vorerst
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13. November 2024, 14:45 Uhr
In der ersten regulären Landtagssitzung wollte die CDU die Wahlausschüsse für Richter und Staatsanwälte wählen lassen, brauchte dafür aber Stimmen der AfD. Im Gegenzug sollte die CDU mitstimmen, um Jörg Prophet von der AfD zum Landtagsvizepräsidenten zu wählen. Das ist nun am Widerstand der SPD gescheitert.
Die CDU hatte für diesen Donnerstag mehrere wichtige Personalwahlen auf die Tagesordnung des Thüringer Landtags gesetzt, bei denen die rechtsextreme AfD aufgrund ihrer Sperrminorität mit einbezogen werden muss. Es bahnte sich ein Tauschhandel zwischen beiden Fraktionen an:
Sollte die AfD die Besetzung der Wahlausschüsse für Richter und Staatsanwälte nicht blockieren, könnte die CDU sie im Gegenzug bei der Wahl ihrer Kandidaten für die Posten eines stellvertretenden Verfassungsrichters und des Landtagsvizepräsidenten unterstützen. So war die Idee. Auf Antrag der SPD wurden die Wahlen am Mittwoch von der Tagesordnung genommen und verschoben.
CDU strebt Paketlösung an
Für die Christdemokraten hat die Besetzung des Richter- und des Staatsanwaltswahlausschusses oberste Priorität. "Wir können uns hier keine lange Hängepartie leisten, wenn es darum geht, Richter oder Staatsanwälte zu verbeamten", hatte Andreas Bühl, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, am Montag gesagt. "Sonst suchen die sich im Zweifel andere Länder. Das wäre für unser Justizsystem ein nicht zu erlaubender Verlust."
Wir können uns hier keine lange Hängepartie leisten.
Tatsächlich sind der Richter- und der Staatsanwaltswahlausschuss essenziell für das Thüringer Justizsystem. Ohne sie können keine neuen Richter oder Staatsanwälte eingestellt oder auf Lebenszeit berufen werden. Es müssen dringend neue Juristen eingestellt werden: Fast zwei Drittel der mehr als 600 Richter und Richterinnen in Thüringen sind 55 Jahre und älter, eine Pensionierungswelle steht bevor. Andernfalls droht ein Richtermangel, der den Rechtsstaat in Thüringen lahmlegen könnte.
Beide Gremien müssten deshalb "zwingend" gewählt werden, sagte Bühl. Die CDU plane ein "Paket", mit dem dann auch die vakanten Posten im Landtagspräsidium und im Thüringer Verfassungsgerichtshof besetzt werden sollen.
Für beide Posten stellte nur die AfD Kandidaten zur Wahl. Diese hätte mit ihrer Sperrminorität zwar sowohl den Richter-, als auch den Staatsanwaltswahlausschuss blockieren können, hatte aber nicht genug Stimmen, um ihre Kandidaten allein ins Amt zu wählen.
AfD wittert Finte der CDU
Die Parteien wären also aufeinander angewiesen: Während die CDU die Arbeitsfähigkeit der Gremien herstellen will, würde die AfD gern die Posten besetzen. "Grundsätzlich finden wir diese Paketlösungen gut", sagte Jens Cotta, der stellvertretende Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, am Dienstag.
Er betonte: "Wir haben nicht die Absicht, unsere Sperrminorität nur dafür einzusetzen zu stänkern. Im Gegenteil: Wir wollen ja sehr konstruktiv vorangehen."
Dass der Tauschhandel trotzdem längst nicht ausgemacht war, zeigte das gegenseite Misstrauen der Parteien. Das wurde beim Blick auf die Tagesordnung deutlich, die vom CDU-Landtagspräsidenten Thadäus König vorgeschlagen und vom Ältestenrat beschlossen worden war. Sie verschaffte der CDU einen zeitlichen Vorteil.
Das hat ein Geschmäckle.
Die Tagesordnung sah nämlich vor, dass die AfD-Kandidaten erst dann gewählt werden, wenn die Wahlausschüsse besetzt wurden. "Das hat ein Geschmäckle", sagte Cotta. Es werde sich zeigen, ob die CDU wortbrüchig werde.
Warum Jörg Prophet umstritten ist
Trotzdem schien die CDU gewillt, den AfD-Kandidaten für das Landtagspräsidium zu unterstützen, zumindest dann, "wenn die Zeichen so sind, dass es eben am Ende zu einer Besetzung all dieser Gremien kommt", sagte Bühl. "Sollte das nicht der Fall sein, müssten wir das auch nochmal anders bewerten."
Der AfD-Kandidat ist in Thüringen kein Unbekannter: Jörg Prophet. Bei der Oberbürgermeisterwahl in Nordhausen erlangte er landesweit Bekanntheit, weil ihm geschichtsrevisionistische Ansichten nachgewiesen wurden, die ihm 2021 sogar einen Eintrag im Verfassungsschutzbericht einbrachten. Nach Wiebke Muhsal, die den Landtag um Geld betrogen hat, ist Prophet der zweite AfD-Kandidat für das Amt des Vizelandtagspräsidenten, der eine problematische Vorgeschichte hat.
Für den Posten des stellvertretenden Verfassungsrichters hatte die AfD den Rechtsanwalt Bernd Wittig nominiert, der als Vertrauter des Alterspräsidenten Jürgen Treutler gilt und der die AfD laut Cotta in verfassungsrechtlichen Fragen beraten hat - unter anderem bei der Rechtsauffassung der AfD während der konstituierenden Landtagssitzung, die am Ende von jenem Thüringer Verfassungsgerichtshof gerügt wurde, in das Wittig nun gewählt werden soll.
Linke wirft CDU Verantwortungslosigkeit vor
Kritik an dem geplanten Tausch wurde aus der Linkspartei laut. "Wir sind davon überrascht worden, dass das auf Antrag der CDU-Fraktion auf die Tagesordnung gesetzt wurde", sagte Katja Mitteldorf, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linkspartei.
Hier gebe es offensichtlich ein Tauschgeschäft zwischen CDU und AfD. Womöglich sei auch das BSW involviert. Dass die CDU keinen eigenen Kandidaten für den Verfassungsgerichtshof nominiert habe, sei "verantwortungslos". Die AfD habe den Verfassungsgerichtshof immer wieder infrage gestellt. Mitteldorf kündigte an, dass die Linkspartei keinem AfD-Kandidaten ihre Stimme geben werde.
SPD kippt den Tauschhandel in letzter Sekunde
Wie sich die möglichen Brombeer-Koalitionspartner der CDU zu dem Tausch verhalten, war zunächst offiziell nicht bekannt. Interviewanfragen lehnten SPD und BSW aus zeitlichen Gründen ab. Aus Reihen der SPD war aber zu hören, dass der geplante Tauschhandel zum Deal-Breaker für die Koalitionsverhandlungen werden könnte.
Insbesondere die Personalie Jörg Prophet sei ein erneuter Affront der AfD. Nach der Betrügerin Wiebke Muhsal solle nun ein Mann Landtagsvize werden, der den Holocaust relativiere, sagte ein SPD-Mitglied dem MDR. Die AfD bringe mit dieser Nominierung ihre Verachtung für das Parlament zum Ausdruck. Es sei auch völlig unverständlich, dass die CDU der AfD einen Verfassungsrichter ermöglichen wolle.
Weil die SPD ernst machte, lenkten AfD und CDU zum Beginn der Landtagssitzung ein. Auf Antrag der SPD wurden die entsprechenden Tagesordnungspunkte mit Zustimmung von CDU, BSW und AfD verschoben. Die Linke enthielt sich. Die nächste Landtagssitzung findet voraussichtlich vom 11. bis 13. Dezember statt. Dann könnte der Tauschhandel noch einmal Thema werden.
MDR (dst/seg)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 13. November 2024 | 19:00 Uhr
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