
Nach der Bundestagswahl Abgänge nach Berlin: Wie geht es personell weiter bei der Thüringer AfD?
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20. März 2025, 05:00 Uhr
Höckes Büroleiter Teske sowie Co-Parteisprecher Möller werden Bundestagsabgeordnete. Der Parlamentarische Geschäftsführer Braga zögert noch mit seinem Wechsel nach Berlin. Was bedeuten die Personalwechsel für die AfD?
Torben Braga hat sich noch nicht entschieden. Der Landtagsabgeordnete und Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag weiß noch nicht, ob er Bundestagsabgeordneter wird. "Die Entscheidung, ob ich aus dem Landtag ausscheide, ist für mich gar nicht getroffen", sagt der 34-Jährige im Interview mit MDR THÜRINGEN.
Braga war bei der Bundestagswahl nicht als Direktkandidat angetreten. Der AfD-Politiker zog allerdings als Drittplatzierter der Landesliste seiner Partei in den Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl erzielte die AfD in Thüringen 38,7 Prozent und in ganz Deutschland 20,8 Prozent der Zweitstimmen.
Gründe für sein Zögern nennt Braga mehrere: "Erstens habe ich mit meiner Wahl nicht gerechnet. Ich war lediglich Listenkandidat, nicht nur in meinen Augen so was wie ein Zählkandidat. Insofern war nichts vorbereitet." Zudem sei ihm der Erfurter Fraktionsbetrieb inzwischen "sehr ans Herz gewachsen".
"Die Strukturen, die ich aufgebaut habe, entsprechen sehr meinen eigenen Vorstellungen. Um dieses aufzugeben, um ein Stück weit in eine ungewisse Rolle einzusteigen in einem viel größeren Betrieb, wo ich im eigenen Interesse keine derart hervorgehobene Rolle spielen würde, wie ich es hier tue, ist eine Entscheidung, die mir schwerfällt." Dazu kämen "gesundheitliche Gründe", sagt der AfD-Politiker.
Braga als einziger Ost-AfDler über Liste eingezogen
Nach eigenen Angaben würde Braga als einziger AfD-Bundestagsabgeordneter aus Ostdeutschland über die Parteiliste in den Bundestag einziehen. Alle anderen aus den fünf Ländern haben ihre Wahlkreise direkt gewonnen. Dies hätte Konsequenzen für sein Gewicht in der Bundestagsfraktion beispielsweise bei der Vergabe von Posten oder bei Wünschen, in bestimmten Fachbereichen mitzuarbeiten.
"Das heißt, ich bin der Letzte in der Schlange." Derzeit plane er, an der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags am 25. März teilzunehmen. Danach werde er dem Thüringer Landtagspräsidenten mitteilen, auf welches Mandat er verzichtet. Doppelmitgliedschaften in beiden Parlamenten sind unzulässig. "Bis dahin halte ich mir die Entscheidung offen."
Die Pressestelle des Bundestags teilte auf Anfrage mit, dass Braga bereits mit der konstituierenden Sitzung des Bundestags sein Mandat annehmen und offiziell bekleiden würde. Aus dem Thüringer Abgeordnetengesetz geht hervor, dass der Landtagspräsident Bragas neues Bundestagsmandat bereits ab diesem Moment feststellen könnte. Dann verlöre er innerhalb einer Woche sein Landtagsmandat, sollte er nicht in dieser Zeit eine Entscheidung des Landtags beantragen.
Sollte Braga auf das Bundestagsmandat verzichten, würde der 34-jährige Lehrer Andreas Leupold aus Nordhausen seinen Sitz im Bundestag übernehmen. Leupold stand hinter Braga auf Platz vier der Landesliste. Sollte Braga nach Berlin gehen, könnte Jens Cotta sein Nachfolger als Parlamentarischer Geschäftsführer werden. Der Landtagsabgeordnete ist auf diesem Posten derzeit Bragas Stellvertreter.
Personalwechsel
Weitere Personalfragen nach Höckes Büroleiter Robert Teske, der seinen Wahlkreis in Südthüringen gewonnen hat, oder nach Co-Parteisprecher Stefan Möller, der in Erfurt erfolgreich war, handelt Braga im MDR-Interview rasch ab: "Stefan Möller bleibt in seinen Funktionen in der Partei weiterhin tätig", teilt er mit. In der Landtagsfraktion wolle er Möllers Bedeutung "nicht unterschätzen". Braga nehme an, "dass es geeignete Kandidaten gibt, um alle Positionen zu füllen", die er hinterlasse. Möller ist Vorsitzender des Ausschusses für Justiz, Migration und Verbraucherschutz. Dasselbe gelte für Ex-Büroleiter Teske, einen ehemaligen Funktionär des inzwischen aufgelösten rechtsextremen AfD-Jugendverbands.
Thüringer Ministerpräsidenten-Amt bleibt Ziel von Höcke
Und Björn Höcke selbst? In der Vergangenheit waren dem Partei- und Fraktionschef immer wieder deutschlandweite politische Ambitionen nachgesagt worden, etwa als Mitglied des AfD-Bundesvorstands. Solchen Überlegungen erteilt der Parlamentarische Geschäftsführer eine Absage: "Auch in persönlichen Gesprächen mit mir hat Björn Höcke in den letzten Monaten immer wieder betont, dass er den überwiegenden Teil seiner Wirkungskraft in Thüringen sieht." Höcke habe sich das Ziel gesetzt, Ministerpräsident zu werden. "Insofern nehme ich bei ihm keine Ambitionen wahr, parlamentarisch oder parteipolitisch die Ebenen zu wechseln."
Auch gebe es "keine Anzeichen, dass er ganz sein politisches Wirken einstellen möchte", ergänzt Braga. "Die Wahlergebnisse, der Kontakt mit den Wählern und Parteimitgliedern geben ihm Kraft. Die Unterstützung seiner Familie ist ihm, soweit ich jedenfalls weiß, vollständig gewiss." Auch in der Partei und Fraktion sei Höcke "keinen ernsthaften Angriffen, die ihn ersetzen möchten" ausgesetzt. Der Parteichef selbst hatte auf eine MDR-Anfrage nicht reagiert.
Mehr Thüringer Einfluss in Berlin?
Co-Sprecher Möller wird im Bundestag voraussichtlich die Führung der Thüringer AfD-Landesgruppe übernehmen. Der Jurist gilt - wie Torben Braga - als durchsetzungsstarke Persönlichkeit und Vertrauter Björn Höckes. Wächst mit seinem Weggang aus Erfurt nun der Einfluss der Thüringer AfD in Berlin? Auf diese Frage antwortet Torben Braga: "Es gibt keinen in der Landespartei feststellbaren Willen, den Einfluss der Thüringer AfD im Bundestag zu steigern." Dies sei nicht notwendig, weil es "keinen erheblichen oder feststellbaren Unterschied" gebe, "zwischen dem, was die AfD Thüringen für richtig erachtet und was die AfD als Gesamtheit für richtig" erachte.
Nach Informationen von MDR THÜRINGEN hatte es vor der Bundestagswahl mehrere Treffen westdeutscher Landesverbände gegeben, mit dem augenscheinlich erfolgreich umgesetzten Ziel, im Wahlkampf ein "harmonisches" Bild abzugeben. Die Ostverbände waren nicht eingeladen. Dennoch erwartet auf MDR-Anfrage ein langjähriger westdeutscher AfD-Bundestagsabgeordneter, der anonym bleiben möchte, "keine ostdeutschen Extratouren" im neuen Bundestag.
Im Umgang der West- und Ostverbände untereinander habe sich in der "letzten Legislatur was geändert". Nun sei man auf einer "gemeinsamen Linie in der Innenpolitik" und verfolge einen "stringenten Kurs bei der harten Migrationspolitik". Der langjährige Abgeordnete, der viele der programmatischen (Macht-)Kämpfe in der Partei hautnah miterlebt hat, attestiert der AfD heute "hohe Einigkeit". Einzige Ausnahme sei der umstrittene sächsische Abgeordnete Maximilian Krah. "Er wird uns schaden. Das wird passieren", sagt der AfD-Parlamentarier.
Neues Verfassungsschutz-Gutachten erwartet
Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt auf die acht Thüringer Bundestagsabgeordneten bald eine erneute Debatte um die eigene Partei zu. Deren Thüringer Landesverband wird vom Landesverfassungsschutz bereits seit 2021 als "gesichert rechtsextreme Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" eingestuft.
Dies könnte nun auch der Bundespartei drohen, die bisher vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer "Verdachtsfall" beobachtet wird. Mehreren Medien zufolge soll die Behörde in Köln seit Monaten ein fertiges Gutachten in der Schublade haben. In diesem Dokument soll empfohlen werden, die Bundes-AfD künftig auf der höchsten Beobachtungsstufe des Nachrichtendienstes zu verorten und somit ebenfalls als vollständig rechtsextrem einzustufen.
Das würde bedeuten, dass dem Verfassungsschutz fortan das gesamte Arsenal nachrichtendienstlicher Mittel zur Verfügung steht, um die AfD zu beobachten. Darunter fallen beispielsweise Observationen, Telefon- und Internetüberwachung oder Anwerben von V-Leuten.
Hinweise auf eine solche Hochstufung finden sich zudem in einem weiteren geheimen Verfassungsschutz-Gutachten aus dem Jahr 2021, das im Februar vom Online-Medium netzpolitik.org veröffentlicht wurde. Dieses mehr als 1.000 Seiten umfassende Dokument legt nahe, dass für eine mögliche Hochstufung zuvorderst Vertreter der Ost-AfD verantwortlich wären. Konkret geht es dabei um die ehemaligen Anführer der offiziell aufgelösten rechtsextremen Parteiströmung "Flügel" um Björn Höcke.
Braga zur Verfassungsschutz-Einstufung: "Abstruse Vorwürfe"
Aus dem Gutachten geht hervor, dass die Verfassungsschützer im Jahr 2021 offenbar davon ausgingen, dass der "Flügel" nicht aufgelöst wurde und stattdessen weiter existierte. Wörtlich heißt es: "Der Einfluss des "Flügel"-Netzwerks, der in der gesamten Partei auf einen inhaltlichen Nähr- und Resonanzboden trifft, lässt es in einer Gesamtschau nicht ausgeschlossen erscheinen, dass sich die gesichert extremistischen Bestrebungen in der Gesamtpartei zukünftig auch mehrheitlich durchsetzen könnten."
AfD-Funktionär Braga kennt dieses Gutachten, mit dem der Nachrichtendienst damals die Einstufung der gesamten AfD als rechtsextremen Verdachtsfall begründete, und spricht in diesem Zusammenhang von einer "abstrusen Zusammenstellung von Vorwürfen und Zirkelschlüssen". "Ich hab mich damit sehr oberflächlich befasst", sagt er. "Das verdient keine weitere Auseinandersetzung."
Auch Braga rechnet mit einer Veröffentlichung des neuen AfD-Gutachtens, in dem die Hochstufung der gesamten AfD empfohlen wird. "Es wird kommen. Was da drin steht, interessiert mich nicht. Es unterfordert mich intellektuell in einem derartigen Maße, dass ich mich damit auch gar nicht näher auseinandersetzen kann. Ich schaffe es einfach nicht", teilt er dazu mit. Recht ähnlich blickt der langjährige AfD-Bundestagsabgeordnete aus Westdeutschland in die nahe Zukunft der AfD: "Das wird an uns abprallen", kündigt er an. "Wir rücken zusammen, Ossis und Wessis."
MDR (baw/ls)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Exakt | 26. Februar 2025 | 21:15 Uhr
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