Zwei Hunde hinter einem Metallzaun.
Im Tierheim Leipzig attackiert im großen Auslaufzwinger die angstaggressive zweijährige Belgische Schäferhündin "Riwa" (rechts) den anderthalb Jahre alten Zentralasiatenmix "Rasputin". Hunde wie Riwa können nur schwer an neue Besitzer vermittelt werden. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Waltraud Grubitzsch

Tierschutz Schwer vermittelbar: Gefährliche Hunde belasten Sachsens Tierheime

27. Januar 2024, 06:00 Uhr

Geschmuggelte Hundewelpen, die über die Grenze nach Sachsen kommen, sind für die Bundespolizei keine Seltenheit. Zumeist landen die Tiere in Tierheimen. Für die Heime bedeutet die Unterbringung oft dauerhafte Zusatzkosten. Auch andere Vierbeiner sind für die Tierheime eine Bürde, die aktuell oft am Limit sind, weil Geld und Helfer fehlen.

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Die Tierheime in Sachsen müssen sich um immer mehr gefährliche Hunde kümmern. Laut Landestierschutzverband ist der Hundebestand in den Einrichtungen seit dem Ende der Corona-Pandemie um 25 Prozent gestiegen. Während in den Corona-Monaten mit Lockdowns Haustiere sehr gefragt waren, gaben überforderte Halter danach vor allem verhaltensauffällige Tiere ab. Dazu steht Sachsen beim illegalen Handel mit Hundewelpen bundesweit mit an der Spitze. Werden die Tiere von Behörden beschlagnahmt, müssen Tierheime die Welpen oft aufnehmen.

Letzter Ausweg Heim für überforderte Halter

Zu viele Menschen hätten gemerkt, dass sie mit der Erziehung und Haltung der Hunde überfordert seien. Der einzige Ausweg sei dann, die Tiere dem Tierheim zu überlassen, sagt Michael Sperlich vom Landestierschutzverband Sachsen. Doch die bewältigten derzeit die "größte Krise seit der Wiedervereinigung." Im Tierheim Leipzig, das Sperlich leitet, laufe für die Hälfte der 70 Hunde ein Gefährlichkeitsverfahren, etwa weil sie bissig sind. Die Schulungskosten für Mitarbeiter würden explodieren.

Mann steht vor Hundezwinger
Michael Sperlich, Geschäftsführer vom Ersten Freien Tierschutzverein Leipzig und Leiter vom Tierheim Leipzig, betreut rund 70 Hunde. Von denen sind etwa die Hälfte als vermutet gefährlich oder als gefährlich im Einzelfall eingestuft. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Waltraud Grubitzsch

Ein weiteres Problem sind aus dem Ausland eingeschmuggelte und beschlagnahmte Hunde. Zumal wenn sie als gefährlich eingestuft werden wie in Sachsen der American Staffordshire Terrier oder Pitbull. Diese dürfen von Tierheimen nicht vermittelt werden. "Die Rasselisten für gefährliche Hunde müssen weg", verlangt die Leiterin des Tierheims Vielauer Wald in Zwickau, Claudia Ruf, im Gespräch mit MDR SACHSEN. Das stigmatisiere die Hunde und erschwere ihre Vermittlung.

Gefährliche Hunde kosten Heime täglich bis zu 30 Euro

Wie das sächsische Innenministerium der Landtagsfraktion Die Linke mitteilte, waren im Herbst 2023 elf beschlagnahmte American Staffords in sächsischen Tierheimen untergebracht. Die meisten davon im Tierheim Dresden, aber auch in Leipzig und Auerbach. Die Hunde stammten demnach unter anderem aus Tschechien, Polen und Rumänien. Die Kosten pro Tier und Tag betragen der Behörde zufolge zwischen zehn und 30 Euro. Hinzu kämen Tierarztkosten.

American Staffordshire-Terrier
In Sachsen sind American Staffordshire Terrier sowie Bullterrier und Pitbull Terrier und deren Kreuzungen untereinander als gefährliche Hunderassen gelistet. (Symbolbild) Bildrechte: imago/Manja Elsässer

Sächsische Tierheime vor dem Aus

Anfang August 2023 hatten Tierheimbetreiber deutschlandweit einen Brandbrief an die Bundesregierung geschrieben. Denn mittlerweile sei in einigen Einrichtungen nicht einmal mehr Platz für Problemfälle. Eine spezielle Problemhundestation wie die in Bad Düben im Kreis Nordsachsen könnte sogar wegen baurechtlicher Mängel vor dem Aus stehen.

Gefährliche Hunde sind kaum für Tierheime geeignet. Sie werden diesen aufgebürdet. Das kann so nicht funktionieren.

Peter Vater Tierheimleiter in Görlitz

Auch das Tierheim in Görlitz wird Ende 2024 schließen - auch aus finanziellen Gründen, sagt der Leiter Peter Vater MDR SACHSEN. Für 50 Hunde, 80 Katzen und die Kleintiere hofft der Betreiberverein auf Hilfe durch andere Tierheime. Wegen einer Unterbringung für einen im Drogenmillieu beschlagnahmten Staffordshire Terrier will sich Vater an das Veterinäramt wenden. "Diese Hunde sind kaum für Tierheime geeignet, werden diesen aufgebürdet", kritisiert er.

Ines Neuhof, Dipl.-Psychologin, Sachverständige im Hundewesen und Hundetrainerin, ist vom Tierheim Leipz
In Tierheimen untergebrachte gefährliche Hunde benötigen die Betreuung durch geschultes Personal, das in kleinen Einrichtungen oft fehlt. Im Tierheim Leipzig kümmert sich Diplom-Psychologin und Hundetrainerin Ines Neuhof um einen American Bulldog. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Waltraud Grubitzsch

Vermittlung von Katzen nach Pandemie erschwert

Sachsens Tierheime sind laut Tierschutzverband auch mit der Betreuung der Katzen hoch ausgelastet, bei stabilen Aufnahmezahlen. Laut Sperlich ist hilfreich, dass der Freistaat 90 Prozent der Kosten für die Kastration der Kater übernimmt. Das würden viele Besitzer aber nicht nutzen, mutmaßt Claudia Ruf angesichts einer Rekordzahl im Jahr 2023. "Die Hälfte waren Jungkatzen. Manche wurden über den Zaun geworfen."

Laut Ruf stagniert zugleich die Vermittlung der Katzen. "In der Pandemiezeit haben sich viele eine Katze angeschafft. Dort ist kein Bedarf mehr." Nach Schätzungen wurden im Vorjahr sachsenweit mindestens mehrere Hundert Katzen in den etwa 50 Tierheimen abgegeben.

MDR (wim/lam)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 26. Januar 2024 | 08:30 Uhr

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