Infektionsschutz Schulkinder in Sachsen ohne Masernimpfung: Hunderte Bußgelder gegen Eltern
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08. März 2024, 10:20 Uhr
Kinder, die in Kindergarten oder Schule gehen, müssen seit 2020 immun gegen Masern sein. So will es das Masernschutzgesetz. Doch nicht alle Eltern lassen ihre Kinder impfen, wie ein Ausbruch zuletzt in Plauen im Vogtland gezeigt hat. Den Eltern drohen Bußgelder.
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- Im Jahr 2023 hat es Hunderte Bußgeldbescheide und dutzende Betretungsverbote in Sachsen gegeben.
- Beratungen zeigen: Impfgegner zwischen Resignation und Aggression.
- Impfrate im Freistaat ist auf sehr hohem Niveau.
Wegen fehlender Masernimpfung bei Schulkindern haben Sachsens Behörden in den vergangenen Jahren hunderte Bußgelder gegen Eltern verhängt. Das hat eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergeben. Demnach hat etwa der Landkreis Mittelsachsen 185 Bußgeldbescheide in den vergangenen zwei Schuljahren ausgestellt, der Kreis Görlitz 314 und die Stadt Leipzig 184 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.
Wenn Kinder Kitas nicht betreten dürfen
Seit März 2020 müssen Kinder, die eine Einrichtung wie Kindergarten, Hort oder Schule besuchen, gegen das hoch ansteckende Virus geimpft sein. Im Vogtland war es im Februar zu einem Ausbruch gekommen, bei dem zwölf ungeimpfte Kinder im Alter von einigen Monaten bis 13 Jahren aus zwei zugereisten Familien erkrankt waren.
Wegen der bestehenden Impfpflicht kann in Kindergärten und Horten ein Betretungsverbot für ungeimpfte Kinder ausgesprochen werden. Das war 2023 vielerorts in Sachsen der Fall:
- Der Landkreis Bautzen hat 13 Betretungsverbote ausgesprochen.
- Die Stadt Dresden nennt 39 Betretungsverbote, von denen 26 wieder aufgehoben wurden.
- In Chemnitz wurden dem Gesundheitsamt 50 Kita-Kinder ohne Nachweis einer Immunität gegen Masern gemeldet.
- Das Gesundheitsamt Leipzig hatte im Jahr 2023 keine Angaben dazu vorliegen.
"Schulpflicht bricht Impfpflicht"
Bei Schulen ist die Lage komplizierter: "Schulpflicht bricht Impfpflicht", erklärte das Kultusministerium auf Anfrage. Auch ungeimpfte Kinder müssten von Schulen aufgenommen werden. Dagegen gelte für Kitas keine Besuchspflicht. "Daher ist die Aufnahme der Kinder ohne Masernimpfung zu verweigern", so das Kultusministerium.
Doch melden die Schulen ungeimpfte Kinder an die Gesundheitsämter, können die Bußgelder gegen die Eltern verhängen. Das seien bis zu zu 2.500 Euro. In Sachsen fallen sie aber meist geringer aus. Einige Beispiele:
- Das Landratsamt Bautzen hat bei 300 verhängten Bußgeldern im vorigen Jahr Beträge zwischen 50 und 200 Euro verlangt.
- Das Landratsamt Pirna sprach von 250 Euro bei je 79 Bußgeldern im Jahr 2023.
- Im Landkreis Zwickau wurden voriges Jahr 254 Verfahren eingeleitet.
- Der Vogtlandkreis hat bisher keine Bußgelder verhängt. Eine Begründung für diese Praxis nannte das Landratsamt auf Nachfrage nicht.
Arzt bezweifelt Sinn von Strafen
Der Leiter des Magdeburger Gesundheitsamts, Eike Hennig, bezweifelt die Durchsetzungskraft des Gesetzes mit Strafen: "Eltern, die ihr Kind unter keinen Umständen impfen lassen wollen, werden das auch nicht tun, wenn wir ein Bußgeld verhängen. Wir müssen uns auf die Eltern konzentrieren, die sich unsicher sind und beraten werden möchten", sagte er im Gespräch mit MDR AKTUELL.
Was Impfgegner umtreibt
Es gebe viele Gründe, warum Eltern die Masernimpfpflicht bei Kindern ignorieren, weiß der Landkreis Zwickau aus Beratungen. Die nähmen zwar nur vier Prozent der Nachweispflichtigen an. Häufig gehe es in den Gesprächen aber um die Sicherheit der Impfstoffe, um mögliche Bußgelder, den Sinn der Nachweispflicht oder die Vereinbarkeit der Impfung mit dem eigenen Glauben, sagte der Landkreissprecher Sebastian Brückner. Die Reaktionen reichten von Resignation bis Aggression. "Unser subjektiver Eindruck ist, dass nur wenig Verständnis für die Nachweispflicht aufgebracht" wird.
Hohe Impfrate - Maserndurchbrüche rückläufig
Nach Angaben des sächsischen Sozialministeriums ist die Masern-Impfrate in Sachsen hoch und zuletzt auch gestiegen. Die Schuleingangsuntersuchungen hätten gezeigt, dass es bei anderen Impfungen wie Polio, Tetanus und Keuchhusten zwar Rückgänge gebe, aber die Rate bei Masern seit 2019 gestiegen sei. Für die 1. Impfung lag sie zuletzt bei 99,2 Prozent, für die 2. Impfung bei 95,6 Prozent. Ähnliche Trends zeigten Auswertungen bei Vierjährigen und Sechstklässlern.
In den vergangenen neun Jahren sind Masernausbrüche bundesweit zurückgegangen. Seit vier Jahren gilt das Masernschutzgesetz. Es sieht vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder Kindergarten die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masern-Impfungen vorweisen müssen.
dpa/MDR (kk)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 08. März 2024 | 09:00 Uhr