Zwei Männer und eine Frau halten Werbematerial für die Ausstellung "Das fehlende Puzzleteil" in den Händen. 3 min
Juri Bergmann, Lina Frubrich und Museumsdirektor Anselm Hartinger haben an der Ausstellung "Das fehlende Puzzleteil" mitgewirkt. Mehr dazu im Audio von Vivien Vieth. Bildrechte: Ida Mahlburg
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Eine neue Schau im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig macht die eigenen Bestände und deren Herkunft zum Thema. Dabei geht es vor allem um NS-Raubgut.

MDR KULTUR - Das Radio Mi 23.10.2024 10:15Uhr 03:00 min

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Stadtgeschichtliches Museum Neue Schau in Leipzig erkundet NS-Raubgut im eigenen Bestand

23. Oktober 2024, 10:01 Uhr

Kunst mal anders betrachten – nicht als Liebhaber, sondern als Provenzienforscher. Das ermöglicht eine neue Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Die Schau "Das fehlende Puzzleteil – Objekte, Herkunftsgeschichte, Schicksale" zeigt, durch welche Hände die Kunstobjekte des Museums bereits gegangen sind und welche Schicksale, vor allem mit Blick auf die NS-Zeit, hinter den Kunstwerken stecken. Besucherinnen und Besucher können sich dabei selbst als Forscher ausprobieren.


Mitten in der Ausstellung steht ein großer Touchscreen, der die Besucherinnen und Besucher selbst zum Provenienzforscher werden lässt. Auf dem Screen sieht man Kunstwerke, die auch in der Ausstellung hängen, nur mit dem Unterschied, dass man sie haargenau untersuchen kann. Durch Heranzoomen und Anklicken winziger Details erschließen sich dem Museumsbesucher interessante Informationen über die Historie der Gemälde. Vor allem deren Rückseiten sind besonders spannend für die Provenienzforschung.

Ausstellung in Leipzig macht Gäste zu Forschern

Auf der des Ausstellungsstücks "Le Pardon" beispielsweise fällt direkt ein kleiner zerrissener Papierschnipsel ins Auge. Er ist krakelig mit Kuli beschrieben. Die Jahreszahl 1970 lässt sich entziffern und Fragmente der Firma "Hermann Reinhardt, Spedition und Lagerungsgeschäft Leipzig" sind erahnbar.

Für Ausstellungskuratorin und Provenienzforscherin Lina Frubrich ist das Papierstück sehr aufschlussreich. Nach etwas Recherche liefert es ihr erste Informationen über den Verbleib des Gemäldes. Sie vermutet, dass es bei der Leipziger Firma in den 1970er-Jahren eingelagert oder von ihr transportiert gewesen sein muss.

Besucher an einem Infobildschirm in der Ausstellung
An einem Touchscreen lassen sich Details der Ausstellungsstücke ansehen, wie Mitarbeiter Juri Bergmann testet. Bildrechte: Vivien Vieth

Fünf Jahre Forschungsarbeit in Leipziger Ausstellung

Das interaktive Forschungsspiel lässt den Besucher ansatzweise nachempfinden, wie detailliert die Forscherin in den letzten fünf Jahren gearbeitet haben muss. Mit ersten bruchstückhaften Anhaltspunkten hat sich Lina Frubrich anschließend durch Akten und Archive gewühlt. Rund 400 Objekte aus dem Museumsfundus konnte sie so bisher untersuchen. Gut 50 davon sind jetzt in der Ausstellung zu sehen, wie zum Beispiel der "Fall Sonntag".

Carl Sonntag war mit einer Jüdin verheiratet. Sie und ihre drei Kinder wurden in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt. Zuvor war Carl Sontag zu viel Reichtum gelangt, weil er künstlerische Einbände für Bücher gestaltete. Damit hat er eine große Bibliothek und eine Kunstsammlung aufbauen können. Er ist zwar vor 1930 verstorben, aber seine Frau wurde aufgrund ihres jüdischen Glaubens verfolgt und ist circa 1940 in die USA emigriert.

Eine Frau zeigt auf ein gerahmtes Bild an der Wand
Kuratorin Lina Frubrich zeigt im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig die Grafiken aus der Kunstsammlung von Carl Sonntag. Bildrechte: Vivien Vieth

Daraufhin sind die Besitztümer der Familie beschlagnahmt und in Leipzig versteigert worden. Das Stadtgeschichtliche Museum hat aus der Versteigerung neun Grafiken erworben und nun ausgestellt. Aber auch das Museum der Bildenden Künste und die Stadtbibltiothek besitzen noch Werke aus Sonntags Sammlung.

Die Nachfahren der Familie Sonntag konnte Lina Frubrich mittlerweile in Österreich ausfindig machen. Sie gaben ihr Einverständnis, dass das Stadtgeschichtliche Museum die Grafiken weiter ausstellen darf.

Provenienzforschung an ihren Grenzen

Nicht immer können Nachforschungen wie im "Fall Sonntag" abgeschlossen werden, denn oftmals fehlen ausreichend Hinweise. Das liege häufig an der Quellenlage, erklärt Lina Frubrich. Vieles sei nicht mehr überliefert oder Nachfahren nicht mehr auffindbar. Schlussendlich müsse dann ein Objekt mit einer bedenklichen Provenienz eingestuft werden. Viele davon befinden sich auch in der Ausstellung.

Bildnis eines Mannes und andere Exponate
Auch Rückseiten von Gemälden werden in Leipzig ausgestellt – für die Provenienzforschung sind sie besonders aufschlussreich. Bildrechte: Vivien Vieth

Kunstwerke mit bedenkliche Provenienzen möchte das Museum auch künftig für seine Gäste kenntlich machen. Bis dahin gibt die angenehm überschaubare Ausstellung "Das fehlende Puzzleteil" einen Einblick in den aktuellen Stand der Provenienzforschung und erinnert gleichzeitig an Opfer des Nationalsozialismus.

Informationen zur Ausstellung:

"Das fehlende Puzzleteil
Objekte, Herkunftsgeschichten, Schicksale"
23.10.2024 – 13.4.2025

Adresse:
Stadtgeschichtliches Museum Leipzig
Haus Böttchergäßchen
Böttchergäßchen 3
04109 Leipzig

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, Feiertags: 10 bis 18 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: td,lig

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 23. Oktober 2024 | 10:15 Uhr

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