Ofarim-Prozess Gutachter widerspricht Ofarim - keine antisemitischen Rufe
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16. November 2023, 16:26 Uhr
Am fünften Verhandlungstag im Prozess gegen den Sänger Gil Ofarim hat erneut der Digitalforensiker Dirk Labudde ausgesagt. Der Professor der Hochschule Mittweida hat Ofarims Darstellung widersprochen, antisemitisch beleidigt worden zu sein. Der Gutachter hatte dafür Videos bis ins kleinste Detail analysiert. Zuvor hatten bereits Ofarims damalige Managerin und eine TV-Produzentin vor Gericht ausgesagt. Sie haben keinen Zweifel an der Darstellung Ofarims.
- Ein Gutachter widerspricht Ofarims Darstellung antisemitischer Zwischenrufe.
- Die damalige Managerin riet dem Musiker, die Sache intern zu klären.
- Das Künstlermanagement beschreibt Ofarims Auftragslage vor dem Vorfall als sehr gut.
Im Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigungen hat der forensische Sachverständige Dirk Labudde einer weiteren wichtigen Darstellung des Künstlers widersprochen. Es gebe auf den Videos der Überwachungskamera keine Hinweise auf eine Kommunikation zwischen Ofarim und einer Person in der Schlange der Hotellobby hinter ihm, sagte Labudde am Donnerstag im Landgericht Leipzig.
In Interviews hatte Ofarim behauptet, dass jemand hinter ihm gesagt hätte: "Pack’ den Stern weg." Gänzlich auszuschließen sei dies zwar nicht, weil alle Personen mit dem Rücken zur Kamera standen, sagte Gutachter Labudde. Aber es habe auch keine Geste Ofarims gegeben, die eine Kommunikation vermuten ließe.
Kette mit Davidstern erst vor Hotel hervorgezogen
Zudem führte Labudde vor Gericht Bildsequenzen vor, die nahelegen, dass der Musiker seine silberne Kette mit Davidstern erst vor dem Hotel unter dem T-Shirt hervorgezogen hatte. Die stark vergrößerten Standbilder zeigten zwei Sekunden, in denen Ofarim mit seiner linken Hand an den Hals greift, so Labudde. Ab diesem Zeitpunkt sei die Kette stets deutlich zu sehen. Labudde hatte Ofarims Darstellung bereits am Mittwoch widersprochen, die Kette sichtbar im Hotel getragen zu haben.
Der Experte räumte aber ein: "Wenn ich ein Objekt nicht sehe, heißt es nicht, dass es nicht da ist." Zudem sei eine Reflexion nachweisbar, nachdem Ofarim das Hotel verlassen hatte und der Musiker auf der Bordsteinkante saß. Dies könnte Labudde zufolge der Davidstern sein.
Ex-Managerin und TV-Produzentin stärken Ofarim den Rücken
Zuvor hatten zwei Zeuginnen vor Gericht ausgesagt. Es handelt sich um die ehemalige Managerin von Ofarim, Yvonne P., und die TV-Produzentin Nadine S. Die Ex-Managerin sagte am Donnerstag vor Gericht, in einem Telefonat kurz nach dem strittigen Vorfall sei Ofarim sehr aufgebracht gewesen, weil er nicht einchecken konnte. Sie konnte sich aber nicht genau erinnern, ob er ihr schon in diesem ersten Telefonat von dem Vorfall mit der Kette berichtet hatte oder ob sie erst später davon gehört hatte.
Er sei antisemitisch beleidigt worden, habe Ofarim am Telefon zu ihr gesagt, sagte P. vor Gericht. Er habe darum gebeten, dass sie ihm ein anderes Hotel organisiert. "Ich wusste, dass ihm etwas Schlimmes passiert ist", sagte die Ex-Managerin. Zuvor habe es nie Vorfälle mit Ofarim gegeben. Er sei nicht der Typ für Starallüren gewesen. Ofarim sei stets freundlich und habe Türen aufgehalten, "der Typ alte Schule halt", sagte die 45-Jährige.
Managerin riet, Vorfall intern zu klären
Als Ofarim sie damals aus dem Hotel anrief, habe Yvonne P. ihm geraten, die Situation nicht in die Öffentlichkeit zu tragen, "es besser intern zu klären". Die Ex-Managerin hatte nach eigener Aussage Ofarim abgeraten, das Video zu veröffentlichen. "Was Künstler aber dann tun, müssen sie selbst entscheiden", sagte sie und fügte hinzu: "Als ich das Video gesehen habe, wusste ich, dass etwas auf uns einprasseln wird. Ich war in Schockstarre."
Als ich das Video gesehen habe, wusste ich, dass etwas auf uns einprasseln wird. Ich war in Schockstarre.
Sie habe ihm gesagt, er dürfe zu dem Geschehenen nichts dazu erfinden. "Ich habe ihn immer wieder gefragt, ob das alles so stimmt", sagte Yvonne P. Er habe es immer wieder bejaht. Sie habe keine Zweifel an den Aussagen Ofarims.
Die Kette mit dem Davidstern trage er häufig, betonte Yvonne P. Auch am 4. Oktober 2021 habe er sie getragen. Sie habe Fotos der aufgezeichneten TV-Produktion erhalten, worauf der Stern zu sehen ist, sagte Yvonne P. Zudem habe sie nie erlebt, dass Ofarim die Kette tagsüber abgenommen habe.
Künstlermanagement: Auftragslage war sehr gut
Anders als bei vielen anderen Künstlern sei die Auftragslage bei Gil Ofarim auch in der Corona-Zeit und vor dem Vorfall sehr gut gewesen, sagte die ehemalige Managerin. "Wir haben viele TV-Shows gemacht, der Kalender war voll, wir waren fleißig", betonte sie. Zudem habe seine wenige Monate zuvor veröffentlichte Autobiografie auf der Bestsellerliste gestanden. Nach dem Vorfall sei die Auftragslage dann "so gut wie auf Null gegangen", sagte die Ex-Managerin.
TV-Produzentin: Kein Grund, an Ofarim zu zweifeln
Auch die TV-Produzentin Nadine S. entlastete Ofarim. Zuvor hatte sie mit ihm an dem Tag des Vorfalls beim MDR eine Sendung. Die Produzentin bestätigte, dass Ofarim die Davidstern-Kette an dem Tag getragen habe. Nadine S. könne sich zudem genau erinnern, was er am Telefon gesagt habe. Er sei antisemitisch beleidigt worden, sollte seinen Stern einpacken, und habe deshalb im Hotel nicht einchecken wollen, habe er ihr gesagt. "Ich hatte keinen Grund anzuzweifeln, was Herr Ofarim mir gesagt hat", sagte Nadine S. vor Gericht.
Ich hatte keinen Grund anzuzweifeln, was Herr Ofarim mir gesagt hat.
Urteil im Dezember erwartet
Gil Ofarim hatte im Oktober 2021 in einem Instagram-Video behauptet, in der Hotellobby des "Westin" antisemitisch beleidigt worden zu sein. Danach ermittelte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen einen Hotelmanager, stellte die Untersuchungen aber später ein. Ofarim muss sich nun in einem Prozess wegen mutmaßlicher Verleumdung, falscher Verdächtigung sowie Betrugs verantworten. Mit einem Urteil wird frühestens am 7. Dezember gerechnet.
MDR (ama/phb/sys)/dpa/epd
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 16. November 2023 | 15:00 Uhr