Antisemitische Beleidigung? Ofarim-Prozess in Leipzig: Davidstern war laut Gutachter im Hotel nicht sichtbar
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15. November 2023, 18:19 Uhr
Am vierten Verhandlungstag im Verleumdungsprozess gegen den Musiker Gil Ofarim am Landgericht in Leipzig hat ein Digitalforensiker als Zeuge ausgesagt. Er hat Videos von Überwachungskameras bis ins kleinste Detail analysiert und widerlegte mit seinen Ergebnissen eine zentrale Aussage des Künstlers. Vor dem Digitalforensiker hatten am Mittwoch weitere Zeugen im Ofarim-Prozess ausgesagt.
Im Prozess gegen den jüdischen Musiker Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigungen ist am Mittwoch einer wichtigen Angabe des Künstlers widersprochen worden. Der Mittweidaer Digital-Forensiker Dirk Labudde stellte in seinem Gutachten fest, dass vom Betreten der Lobby bis zum Verlassen des Hotels keine Kette mit einem Davidstern sichtbar gewesen sei.
Die Kette mit dem Davidstern war nach Angaben des Gutachters erst zu erkennen, als Ofarim vor dem Hotel das Instagram-Video aufgezeichnet hatte. Dafür hatte der Digitalforensiker in einem umfangreichen Verfahren die Aufnahmen der Überwachungskameras ausgewertet. Am Donnerstag werden die Ausführungen des Gutachters fortgesetzt. Dabei geht es auch um das Verhalten der Beteiligten in der Hotellobby.
Digitalforensik
* Die Digital- oder IT-Forensik ist ein noch relativ neuer Arbeitsbereich.
* Hierbei geht es um die wissenschaftliche Betrachtung eines Sachverhalts mit der Hilfe von Informationstechnik.
* Dirk Labudde ist der Leiter des ersten deutschen Bachelorstudiengangs "Allgemeine und Digitale Forensik" an der Hochschule Mittweida.
Überwachungsvideos echt: Manipulation nicht denkbar
In der Verhandlung hat ein Techniker zudem Manipulationen an den Überwachungsvideos in dem Hotel ausgeschlossen. Er habe nach Anweisung der Polizei wenige Tage nach dem Vorfall in dem Leipziger Hotel "Westin" die Originaldaten aus dem System übernommen, sagte ein Sicherheitstechniker am Mittwoch im Landgericht in Leipzig. "Eine Manipulation ist nicht denkbar", betonte der 51-Jährige.
Videoaufnahmen als Beweismittel eingeführt
Neben ihm als Administrator hätten auch bestimmte Hotelangestellte Zugang zu dem Serverraum mit den Videoaufnahmen, erläuterte der Techniker. Er hatte als selbstständiger Unternehmer die Anlage vor etwa 15 Jahren in dem Hotel installiert. Zahlreiche Aufnahmen aus den Überwachungsvideos waren am Mittwoch gezeigt worden. Tonaufnahmen gibt es nicht.
Verteidigung kritisiert hotelinterne Untersuchungen
Die Verteidigung kritisierte, dass diese Aufnahmen bereits vor den polizeilichen Ermittlungen bei den hotelinternen Untersuchungen Zeugen gezeigt worden waren. Wie und wann dies geschehen sein könnte, konnte der Sicherheitstechniker auf Nachfrage aber nicht sagen. Er habe nicht erkennen können, dass vor ihm jemand Daten aus dem System abgerufen hätte.
Grundsätzlich sei es aber möglich, dass die Hotelmitarbeiter die Videos bereits vorher anschauen und speichern. Der Sicherheitstechniker könne aber weder bestätigen noch ausschließen, dass dies auch passierte, sagte er.
Viele Zeugen widersprechen Ofarims Darstellung
Am Dienstag waren weitere Zeugen vernommen worden. Einige von ihnen hatten der Darstellung des Sängers, in dem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein, widersprochen. Sie hätten den geschilderten Vorfall so nicht erlebt, hieß es. Schon an den ersten beiden Prozesstagen hatte es ähnliche Zeugenaussagen gegeben. Ein weiterer Zeuge, der Ofarim als einziger von vorne gesehen haben soll, bestätigte jedoch, dass Ofarim die Kette mit Davidstern im Hotel getragen habe.
Gil Ofarim hatte im Oktober 2021 in einem Instagram-Video behauptet, in der Hotellobby des "Westin" antisemitisch beleidigt worden zu sein. Danach ermittelte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen einen Hotelmanager, stellte die Untersuchungen aber später ein. Ofarim muss sich nun in einem Prozess wegen mutmaßlicher Verleumdung, falscher Verdächtigung sowie Betrugs verantworten.
MDR (ama,phb/sth)/epd/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 15. November 2023 | 16:00 Uhr