Künstlerisch. Zusammen. Arbeiten. Diskussion in Leipzig: Was sind gute Bedingungen für Arbeit am Theater

04. September 2023, 13:28 Uhr

Am Leipziger Schauspiel ist am Samstag über die Rahmenbedingung für die künstlerische Arbeit diskutiert worden: Wie können sich Menschen, die sich emotional auf der Bühne verausgaben, in einem Haus sicher und gewertschätzt fühlen. Dabei ging es um die richtige Gesprächskultur. Aber auch Vertragsbedingungen standen zur Debatte. Anlass für den Thementag war eine Krise am Haus.

Eine Krise war Anlass für diesen Thementag vom Schauspiel Leipzig. Ende des Jahres 2022 hat das Schauspiel Leipzig zwei Schauspielerinnen die Nicht-Verlängerung ausgesprochen – was einer überraschenden Kündigung gleichkam. Immer wieder heißt es nun, dass die Belegschaft zerrissen sei – und das an einem Haus, dass immer viel Wert auf Ensemble-Arbeit gelegt hat. Wie sich das verbessern lässt, darüber sollte an diesem Samstag gesprochen und diskutiert werden.

Die Herausforderungen an deutschen Theatern

Selbst aus Regensburg waren Theatermenschen angereist, um an diesem Thementag teilzunehmen. Die Atmosphäre ist gleich kollegial-vertraut. Ein Großteil der Anwesenden kommen jedoch aus Leipzig, viele Angestellte des Leipziger Schauspiels sind dabei. Der Anlass des Tages ist bekannt und wird von Gastgeber Enrico Lübbe, Intendant des Leipziger Schauspiels, auch gleich zu Beginn genannt.

Zu Beginn gibt Marion Tiedtke, Leiterin des Schauspiel-Studiengangs an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, einen Impulsvortrag. Darin streift sie schon die wichtigsten Punkte der folgenden Workshops: mit welchen Anspannungen und Herausforderungen die Kunstschaffenden an einem Stadttheater abseits der Proben umgehen müssen, wie emotional auslaugend die Arbeit an einer Produktion sein kann. Nicht zuletzt geht es um die Tarifverträge für die künstlerisch Arbeitenden, die bisher immer befristet sind und keine Regelungen für Arbeitszeiten enthält.

Workshops über neue Formen der Zusammenarbeit

In den Workshops wurde dann offen und engagiert diskutiert. So ging es beispielsweise um den Vergleich mit anderen Ländern: Am NT Gent gibt es gar kein Ensemble mehr, dafür werden Gruppen und Gastspiele eingeladen. Dabei war für die Teilnehmenden aber klar, dass das Ensembletheater wie in Deutschland ein hohes Gut ist. Doch immer wieder wurde auch deutlich, wie hoch der Druck in den Theatern ist, wenn das Programm anspruchsvoll, jeder sich entfalten und die Vorstellung ausverkauft sein sollen.

Wie man an einem Haus damit umgehen soll, darum ging es bei Christina Barandun, die gerade auch das Leipziger Schauspiel unterstützt und coacht. Sie war begeistert, wie bei ihr Arbeitnehmende und Arbeitgebende gemeinsam diskutiert haben, "weil wir nur dann an die Punkte kommen, die wirklich zu nachhaltigen Lösungen führen", so die Beraterin. Gründe für die angespannten Situationen liegen laut Barandun zum einen in den komplizierten Verhältnissen am Theater und zum anderen in den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen: Arbeitnehmende haben mehr Macht und gerade die jüngeren Generationen hinterfragen Macht immer mehr.

Es war das Ziel, dass man unterschiedliche Leute mit konträren Ansichten in einem Raum kriegt, dass sie in einen Diskurs kommen. Wie könnte es anders werden? Wie kann es besser werden? Dass sie so ins Gespräch kommen, fand ich super und auch mutig.

Enrico Lübbe, Intendant des Leipziger Schauspiels

Debatte im Zeichen der Leipziger Krise

Bei der Podiumsdiskussion bricht sich der Grund für diese Veranstaltung immer wieder Bahn: Der Frankfurter Schauspiel-Professor Thomas Schmidt hat seine Teilnahme kurzfristig abgesagt. Er hält die Nichtverlängerung der Schauspielerin Katharina Schmidt für falsch und vermisst deren Perspektive auf dem Podium. Doch tatsächlich war Katharina Schmidt vor Ort, äußerte ihren Unmut und hatte durchaus Sympathien im Publikum.

Zuvor ging es lange um den NV Bühne – den Standard-Vertrag für Menschen auf der Bühne. Die Arbeitnehmervertreterinnen (Lisa Jopt von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger und Marie Senf vom ensemble-netzwerk) forderten unter anderem ein Ende der Befristungen für ein besseres Arbeitsklima. Claudia Schmitz vom Arbeitgeberverband Deutscher Bühnenverein entgegnete, dass man sich am Theater immer auf eine künstlerische Zusammenarbeit auf Zeit verabrede. Doch wie man sich verabredet, darüber müsse man reden und daher ist auch Schmitz für eine Reform des Tarifvertrags. Es wurde beispielsweise viel über Kommunikation gesprochen: Wie werden Nichtverlängerungen (also Kündigungen) mit Gesprächen vorbereitet und wie wird eigentlich Machtmissbrauch am Theater verhindert? Es war der Einblick in einen laufenden Prozess, in dem es vor allem um Details geht.

Leider war das Podium mit acht Menschen viel zu voll. Daher sind einige spannende Punkte beinahe untergegangen. Am Ende gingen viele Fragen in Richtung der Politik, der Kommunen und öffentlichen Geldgeber – sie sollten ihre Anforderungen überdenken und die Machtverhältnisse am Theater öfter überprüfen. Es gibt daher wenig Lösungen an diesem Tag, aber viele wichtige Fragen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir Claudia Schmitz, geschäftsführende Direktorin des Deutschen Bühnenvereins, mit der Befürchtung zititert, dass Ensembles überaltern könnten. Das hat sie nicht gesagt. Wir haben das Zitat daher geändert.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Nachmittag | 04. September 2023 | 16:10 Uhr

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