Leipziger Buchmesse TikTok trifft Buch: Messe-Premiere für Eva Pramschüfer in Leipzig
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29. März 2025, 03:00 Uhr
Dank BookTok ist es wieder cool, über Bücher zu sprechen. Den neuen Hype ums Lesen spürt aktuell auch die Leipziger Buchmesse, die wegen des großen Andrangs 2025 erstmals den Ticket-Verkauf begrenzte. Seit einem Jahr ist Eva Pramschüfer auf der Social Media-Plattform TikTok aktiv mit einer Community von bereits 20.000 Followern, denen sie – eher ungewöhnlich – auch Klassiker empfiehlt. Nun ist sie zum ersten Mal nach Leipzig gereist. Wir haben die junge Frau einen Messetag lang begleitet.
- Auf der Leipziger Buchmesse ist der BookTok-Trend voll angekommen, für viele Blogger ist sie inzwischen eine feste Adresse.
- Eva Pramschüfer ist seit einem Jahr auf der Social Media-Plattform TikTok aktiv, um sich mit Gleichgesinnten über Literatur auszutauschen.
- Damit kann sie keinen Lebensunterhalt bestreiten, aber ein reines Hobby ist BookTok für sie nicht, wie ein Messerundgang mit ihr zeigt.
Es ist Eva Pramschüfers erste Leipziger Buchmesse – und dennoch beginnt sie mit bekannten Gesichtern. Schon bevor sie die Hallen betritt, trifft sie auf andere Buchblogger. In der BookTok-Welt kennt man sich – wenn auch meistens ausschließlich vom Smartphone-Bildschirm.
Lust auf BookTalk
"Auf TikTok kriegst du so schnell eine kleine Community", sagt Eva. Community, das sind in dem Fall andere Lesebegeisterte, die online nach Austausch zu Roman-Inhalten suchen oder sich über Empfehlungen freuen, die persönlich sind, anders als die klassische Literaturkritik im großen Feuilleton. "Da war ein Drang, Menschen zu finden, die Lust haben dieselben Bücher zu lesen, aber auch über dieselben Bücher zu sprechen. Ich hab' das Glück gehabt, dass ich auf BookTok eine Community gefunden hab', die genau darauf auch Lust hat."
Eva Pramschüfer postet erst seit einem Jahr regelmäßig auf TikTok. Nun folgen ihr bald 20.000 Leute, ihre erfolgreichsten Videos haben fast eine halbe Million Menschen erreicht. "Ich lese total gerne Belletristik, auch Klassiker", erzählt sie. Gerade darüber zu sprechen, ist ihr ein Anliegen, was auf BookTok eher ungewöhnlich ist: "Ich will Leuten ein bisschen die Angst vor Klassikern nehmen."
Kurz erklärt: Was ist BookTok?
Seit der Corona-Pandemie ist BookTok zum Phänomen auf Social Media geworden.
Besonders junge Leserinnen teilen primär auf TikTok ihre Gedanken zu gelesenen Büchern, kritisieren und empfehlen.
Fantasy oder Romance sind auf BookTok sehr beliebt.
Doch auch Empfehlungen für Klassiker kommen immer mehr dazu.
Laut Börsenverein macht sich der Trend in den Verkaufszahlen bemerkbar.
Gerade die auf BookTok beliebten Young Adult-Literatur sorgt seit einiger Zeit für ein Plus in der Branche.
Buchmesse-Business: Termine, Termine
Obwohl es ihre erste Messe in Leipzig ist, quillt Evas Kalender über: Termine mit Verlagen stehen an, genauso wie Bloggertreffen. Auch Videos für TikTok muss Eva produzieren. Das passiert auf der Messe aber eher beiläufig. "Ich bin nicht die geborene Influencerin", sagt sie. "In der Öffentlichkeit zu filmen, finde ich ganz schlimm. Ich filme am liebsten zuhause. Dann hole ich meine Bücher, und dann quatsche ich einfach drauf los." Auf Social Media zu veröffentlichen, muss offenbar nicht bedeuten, gern im Mittelpunkt zu stehen.
Ich bin nicht die geborene Influencerin. In der Öffentlichkeit zu filmen, finde ich ganz schlimm.
Einer der ersten Stopps auf dieser Messe ist ein Termin beim DuMont-Verlag: Oft melden sich Verlage von sich aus bei Buchbloggern, um Kooperationen abzuschließen. Diesmal hat sich Eva bei dem Verlag gemeldet und bekommt nun das noch unveröffentlichte Herbst-Programm vorgestellt. Johanna Haag, die bei DuMont im Social Media-Marketing arbeitet, hat bereits ein Gefühl dafür, was auf Evas Account gut funktionieren könnte.
TikTok als Marketing-Tool und Hobby?
Der Einfluss von BookTok auf den Markt sei nicht zu unterschätzen, sagt sie. Gerade durch eigene Logiken der Plattform. "Manchmal entstehen da Schneeballeffekte: Wenn mir das gleiche Buch 20-mal angezeigt wird und das gefühlt alle gerade lesen, macht das was." Dieses Potential versuchen Verlage wie DuMont längst für sich zu nutzen.
Während Eva mit BookTok einfach ihre Begeisterung für Bücher teilen möchte, ist es für die Verlage die Chance, eine ausgewählte Zielgruppe zu erreichen. Häufig wird sie für Kooperationen angefragt, bekommt Neuerscheinungen zugeschickt. Doch das ist oft an die Bedingung geknüpft, auch positiv zu rezensieren. "Ich kaufe die Bücher eigentlich lieber selbst", sagt Eva, "dann kann ich ganz frei darüber sprechen und habe nicht diese Fesseln, dass ich was dazu sagen muss."
80 Prozent der besprochenen Bücher auf ihrem TikTok-Kanal, sagt sie, seien selbst ausgewählte und gekaufte Bücher. Die anderen Videos werden als Werbung markiert, was allerdings nicht viel Geld einbringt, wie sie erklärt. Im Schnitt etwa im mittleren dreistelligen Bereich: "Zum Leben reicht es auf keinen Fall."
Ich kaufe die Bücher eigentlich lieber selbst.
Eine zweite Einnahmequelle ist auf TikTok das sogenannte Creator Rewards Program, das ab 10.000 Followern Geld verspricht: Pro hochgeladenem Video, das länger als eine Minute ist, bezahlt die Plattform. "Das ist aber so wenig, dass selbst wenn ein Video sehr gut funktioniert, du dafür wahrscheinlich so fünf Euro für ein Video kriegst." Ihren Lebensunterhalt verdient sich Eva deswegen bislang als freie Journalistin.
#BookTok steigert Umsatz
Über 25 Millionen Bücher, die auf der Plattform unter dem Hashtag BookTok Thema waren, wurden im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft.
Das sind mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr und ein Rekordwert, wie Tiktok und das Marktforschungsunternehmen Media Control mitteilten.
Traum vom eigenen Roman
Eigentlich träumt sie vom eigenen Roman-Debüt. Ihr eigenes literarisches Schreiben ist ein weiterer Grund, auf die Messe zu fahren. "Ich will alles dafür tun, dass ich irgendwann ein Buch veröffentlichen kann." Ein erster Kontakt zu einer Lektorin ist längst hergestellt, ebenfalls über TikTok. "Sie hatte mal Videos von mir geliket. Dann haben wir uns über TikTok geschrieben", erzählt Eva. Daraus ergab sich ein Gesprächstermin auf der Messe.
So ist BookTok für Eva auch die Chance, "einen Fuß in die Tür zu kriegen", wie sie sagt. Denn es schafft Aufmerksamkeit. "Wenn ich zu einem Verlag gehe und sage: 'Ich habe schon 20.000 Leute, die mir folgen und bringe damit potenziell schon eine Leserschaft mit', dann kann das ein Vorteil sein."
Wenn ich zu einem Verlag gehe und sage: 'Ich habe schon 20.000 Leute, die mir folgen, kann das ein Vorteil sein.
Es scheint zu funktionieren: Die Lektorin zeigt sich angetan von Evas Roman-Idee, ihr Manuskript könnte bald gelesen werden. Am Messestand kommt Eva mit der Leipziger Autorin Ruth-Maria Thomas ins Gespräch, die gerade auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2024 nominiert war und ihr Mut zuspricht.
Reclam bittet um Nachwort für Jane Austen
Beim Reclam-Verlag stößt Eva auf einen Aufsteller, der ihr besondere Freude bereitet: die neue Jane Austen-Gesamtausgabe, in der jetzt ein Nachwort von ihr zu lesen ist – ebenfalls dank TikTok. Sie habe Videos gepostet über Jane Austen, erzählt sie. Beispielsweise über "Emma", aber ausgerechnet in diesen Roman, der als Meisterwerk der britischen Schriftstellerin gilt, sei sie einfach "nicht reingekommen". "Es war also nicht mal so, dass ich gesagt habe: 'Ich bin der Riesen-Austen-Fan.' Sondern einfach, dass ich die Bücher lese und sie ein bisschen in den modernen Kontext bringe."
Die Videos landeten bei der Pressereferentin des Reclam-Verlags Andrea Friedel, die sich viele BookToks anschaut. Auch Evas Arbeit auf TikTok verfolgt sie schon eine Weile. Der "Emma"-Verriss kam zum richtigen Zeitpunkt. "Wir hatten jemanden gesucht, der die Perspektive von Heute einnimmt, warum man überhaupt Klassiker lesen sollte und gerade Jane Austen. Und da fiel uns sofort Eva ein, dass sie das bestimmt gut einordnen könnte.“
Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet.
Diese Woche ist die Gesamtausgabe erschienen. Auf dem Titelblatt steht Evas Name direkt unter dem von Jane Austen. "Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet", freut sich Eva.
Quelle: MDR KULTUR (Eva Gaeding), Redaktionelle Bearbeitung: ks
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 29. März 2025 | 08:40 Uhr