Nach Sprengstoff-Explosion im Park Böller-Opfer aus Leipzig: "Meine rechte Hand sieht ganz schlimm aus"
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30. Januar 2025, 14:00 Uhr
Robert Weiland schiebt in einem Park in Leipzig Müll von einer Tischtennisplatte. Den will er zum Mülleimer tragen. In der Sekunde explodiert darin eine Art Kugelbombe. Schwerstverletzt kommt er ins Krankenhaus. Die Ärzte versuchen zu retten, was von den Händen zu retten ist. Ein Schock für Robert und dessen Patchwork-Familie. Seitdem ist auch für seine Lebenspartnerin alles anders. Warum sie dennoch beide unendlich dankbar sind, hat sie MDR SACHSEN erzählt.
Als Antje Hamel am 14. Januar in ihrer Mittagspause einen Anruf vom Handy ihres Partners bekommt, freut sie sich auf seine Stimme. In der Leitung ist jedoch ein Sanitäter. Er reicht das Handy an Robert Weiland weiter. "Robert hat mir wie eine Art Muttizettel durchgegeben mit Dingen, die er auf einer To-Do-Liste hatte. Die wollte er unbedingt jemandem sagen. Er hat total funktioniert. Bis er in einem Moment an sich heruntergeschaut hat und sagte: 'Herz, meine rechte Hand sieht ganz schlimm aus. Meine rechte Hand!"
Stundenlange OPs, um Finger und Hände zu retten
Nicht nur die rechte Hand ist bei einer Explosion einer Art Kugelbombe, die im Müll auf einer Tischtennisplatte im Güntz-Park in Leipzig lag, stark verletzt worden, auch die linke, die Netzhaut der Augen, ein Splitter ging ins Auge, dazu Brandverletzungen im Gesicht und am Körper, zählt Antje Hamel auf.
In einer zwölfstündigen OP versucht das Ärzte-Team im Klinikum St. Georg "zu retten, was da noch da ist". Drei Finger sind an der linken Hand gerettet, zwei Finger gedrahtet worden.
In einer zweiten Operation wird rekonstruiert: "Es wurden aus der Wade Nerven genommen, aus dem linken Unterarm Sehnen. In dieser Woche wurde an der rechten Hand der Zeigefinger zugunsten der anderen Finger amputiert. Der Daumen und Mittelfinger sind nicht mehr komplett."
Dankbarkeit für das Krankenhaus-Team
Dem Team der Handchirurgie des Klinikums, Schwestern und Pflegern sind der dreifache Vater Robert und Antje Hamel "unendlich dankbar. Das ist ein tolles Team im St. Georg. Wie sich alle kümmern, alles geduldig erklären. Wir hoffen, dass Roberts linke Hand wiederhergestellt wird."
Robert Weiland macht Schreibübungen mit der Linken. Nach 40 Jahren als Rechtshänder wird er sich wohl auf ein Leben als Linkshänder einstellen müssen. "Es ist sein allergrößtes Ziel, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen in seine gewohnte Umgebung und dann bald wieder am Rechner zu sitzen und mit Links die Maus zu schieben."
Dreifacher Vater hat Existenzängste
Als Angestellter hatte der nun Verletzte überwiegend im Homeoffice gearbeitet. Drei Kinder, heute im Alter von vier, neun und 16 Jahren, und ein Ziehsohn (21) brachte er vor drei Jahren mit in die Partnerschaft mit Antje. Zwei Kinder leben im Wechselmodell teils in Leipzig und andernorts bei deren Mutter. Den Vater treibt die Frage um, erzählt seine Partnerin: "Wann kann ich wieder arbeiten? Robert hat Existenzängste. Klar, als Papa von drei Kindern konnte er sich kein Polster zulegen."
Wir leben Patchwork. Das klappt super. Aktuell unterstützen wir uns, so gut es geht.
Fassungslos über Welle der Anteilnahme
Nachdem Freunde und Fremde immer wieder nachgefragt hätten, wie sie helfen könnten, startet Antje Hamel einen Spendenaufruf. Sie hofft auf 24.000 Euro. Die sollen den Verdienstausfall und Kosten für Anschaffungen und Behandlungen ausgleichen. Was dann folgt, "hat uns total umgehauen. Ich traue mich manchmal gar nicht, nachzugucken."
Das Spendenziel ist innerhalb weniger Tage um rund das Fünffache übertroffen worden. "Wir haben so viel Zuspruch und schöne Nachrichten bekommen, auch von Betroffenen, die uns viel Kraft wünschen. Robert ist von dieser Welle der Anteilnahme und den Spenden beeindruckt. Er kann das gar nicht fassen."
Ich fange an zu denken und weine, weil mir bewusst wird, dass ich dank dieser wunderbaren Schatztruhe an menschlicher Solidarität nicht alleine bin auf dem Weg zu Robert 2.0.
Zwei Wochen nach der Sprengstoffexplosion im Park sagt Antje Hamel auch: "Robert hatte ganz viele Schutzengel, das weiß ich." Damit meint sie nicht nur, dass die meisten Explosionssplitter am Gesicht ihres Freundes vorbeiflogen oder die Bauarbeiter, zu denen Robert Weiland noch schwer verletzt laufen konnte und die halfen, bis der Notarzt kam. "Er weiß nur noch, dass zwei Männer Alex hießen, die da waren."
Was, wenn nicht Robert den Sprengkörper gefunden hätte?
Was passiert wäre, wenn nicht ihr 1,84 Meter großer Robert die Pyrotechnik angefasst hätte, sondern ein Kind oder ein kleinerer Mensch, darüber will Antje Hamel nicht nachdenken. "Das lag ja da präsent auf dieser Platte im öffentlich zugänglichen Park." Beschrieben hat es Robert Weiland wie eine goldene Weihnachtskugel.
Experten und Polizei wissen, dass illegale Pyrotechnik explosive Substanzen enthalten, die bei Berührung oder Erschütterung sofort mit viel Wucht explodieren können. Der Mensch könne da nicht so schnell reagieren, nicht mal seine Augen schließen. Bundesweit starben fünf Jugendliche und Männer in der Silvesternacht bei Kugelbomben-Explosionen - zwei von ihnen in Sachsen. Mehrere Menschen kamen schwerverletzt in Krankenhäuser.
Wunsch? Dass die Welt nicht mehr Kopf steht
Die Böllerverletzungen bei anderen treiben auch die Leipzigerin um. "Grundsätzlich sind wir keine Familie, die gerne rumknallt, auch nicht zu Silvester. Ich finde, das ist langsam antiquiert. Man kann anderweitig schöne Performances am Himmel gestalten." Ob Antje Hamel und Robert Weiland eine weitere Petition zum Böllerverbot organisieren, haben sie noch nicht entschieden. Aber wenn, soll die auch an die Stadt Leipzig gehen, dass sie sich möglicherweise entscheidet, organisierte Feuerwerke zu gestalten. "Damit würden wir auch viel Leid anderen Familien ersparen."
Für ihre Patchwork-Familie wünscht sich Antje Hamel wieder Normalität. Durch die Explosion sei alles von 100 auf null gekommen und dann wieder auf 100, aber anders aufreibend. Die größte Herausforderung ist in ihren Augen der Umgang mit den Einschränkungen, die Roberts künftiges Leben prägen werden. Wie groß die ausfallen, wissen Ärzte und Therapeuten noch nicht.
Deal für die Liebe
Für sie als Paar sei Kommunikation jetzt das Wichtigste: "Wir haben einen Deal, dass wir uns alles sagen, nichts hinterm Berg halten und Gefühlen freien Lauf lassen. Und dass wir uns das nicht übel nehmen", sagt Antje Hamel und muss schmunzeln. Denn: "Ja, die Nerven liegen blank. Geduld ist nicht unsere größte Stärke." Dann fügt sie hinzu: "Ich bin guter Dinge. Robert setzt Kräfte frei und ist total bemüht. Er ist ja erst 40 und muss noch 40 Jahre durchhalten, also mit Einschränkungen leben."
MDR (kk/Raja Kraus)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus Leipzig | 28. Januar 2025 | 16:30 Uhr