Neue Ausstellung Sozialkritische Porträts: Leipziger Maler Wagenbrett im Kulturhaus Leuna
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30. Januar 2025, 11:33 Uhr
Der in Leipzig geborene Maler Norbert Wagenbrett und Meisterschüler von Willi Sitte porträtiert seit den 1980er-Jahren fast ausschließlich Menschen. Seine Kunst steht in der Tradition der Neuen Sachlichkeit, seine Porträts erinnern an die Werke von Otto Dix. Die Galerie des cCe Kulturhaus Leuna zeigt jetzt die Ausstellung "Der lebendige Spiegel" mit 19 großformatigen Ölgemälden des Malers. Sie eröffnet am Donnerstag und ist zu sehen bis zum 21. März 2025.
- Das Kulturhaus Leuna widmet dem Maler und Grafiker Norbert Wagenbrett eine Ausstellung.
- Der 1954 in Leipzig geborene Künstler malt vorzugsweise Porträts.
- Seine Werke sind sozialkritisch und stehen in der Tradition der Neuen Sachlichkeit.
Ihrer Illusionen beraubt, eingeschüchtert, aber nicht gänzlich ergeben, schaut die Arbeiterin von Norbert Wagenbretts Bild aus dem Jahr 1989. Es heißt "Brigade II" und gehört zum Leunawerk. Hier fand Norbert Wagenbrett kurz vor dem Mauerfall sein erbarmungswürdiges Modell: in staubiger blauer Arbeitsschürze, mit grauem Haar, gesetzt wirkend, aber in die Jahre gekommen. Norbert Wagenbretts Bild "Brigade II" hängt in der neuen Ausstellung im Kulturhaus Leuna. Für den Maler – von 1986 bis 1988 Willi Sittes Meisterschüler – schließt sich damit ein Kreis, hat er doch in den Achtzigern im VEB Leuna-Werke, dem Chemie-Giganten der DDR, einen Malzirkel geleitet.
Faible für Doppelporträts
DDR-Exotik springt in der Schau auch von dem großformatigen Ölgemälde "Brigade III" auf die Besucher über, eines von Wagenbretts vielen Doppelporträts, die bis heute folgen sollen: von sich selbst, den verschiedenen Seiten einer Person, von Mann und Frau, hier von Arbeiterin und Arbeiter – beide jung, hinter ihnen die Schlote des Chemiewerks. Als Kontrast zur tristen Umgebung hat Wagenbrett der jungen Frau Bananen aufs T-Shirt gemalt, im Entstehungsjahr 1989. Beide haben Gesichtszüge, die es heute nicht mehr gibt.
Symmetrie im Gesicht ist eine Wunschvorstellung, die wir seit der Renaissance in uns tragen, aber es gibt sie nicht.
Magisch immer wieder der Blick auf Wagenbretts gemalte menschliche Antlitze, deren Hälften meist verschieden sind und die gegeneinander zu arbeiten scheinen. "Symmetrie im Gesicht ist eine Wunschvorstellung, die wir seit der Renaissance in uns tragen, aber es gibt sie nicht", sagt Norbert Wagenbrett.
In der Tradition der Neuen Sachlichkeit
Der Maler steht in der Tradition der Neuen Sachlichkeit, deren großer Protagonist Otto Dix war. Mit seinen detailreichen Menschenbildern schuf er ein Abbild der Gesellschaft. So ist es auch bei Wagenbretts Menschenbildnissen. Eines seiner bekanntesten Ölgemälde, die "Fischverkäuferin", zeigt auch die Schau in Leuna. Auf der Zentralen Kunstausstellung der DDR 1987/88 schockte der Maler damit die Funktionäre, als es Schlangen vor dem Bild gab.
Die Hände der "Fischverkäuferin" – neben Gesichtern eine zweite Spezialität Wagenbretts – sind so unglücklich verdreht und verknöchert, zudem von Salzlake verätzt, wie das Gesicht der noch jungen, blonden Frau bekümmert wirkt. Fischhandel und Schönheit scheinen sich auch bei Wagenbrett nahezu auszuschließen. Unglückliche Werktätige wollten die SED-Kulturfunktionäre jedoch nicht sehen. Nun hat Norbert Wagenbrett seine "Fischverkäuferin" noch einmal gemalt, nur ohne Blümchen auf der Kittelschürze, die jetzt nicht mehr grün, sondern blau ist. "So wird sie nun noch stärker zur Nixe", meint der Maler.
Studium an der HGB in Leipzig
Bevor er Willi Sittes letzter Meisterschüler wurde, hat Norbert Wagenbrett, Jahrgang 1954, an der Leipziger Kunsthochschule bei Volker Stelzmann, Arno Rink und Sighard Gille studiert. Seine Menschenbilder sind in ihrer feinen Detailtreue dem Realismus verpflichtet – und dann wieder nicht. Manieristische Posen, magische Beigaben steigern die Spannung, etwa in Wagenbretts Porträt von "Diane" aus dem Jahr 2014.
"Diane" stand dem Maler nackt Modell, in der Zeit von #MeToo und einer neuen Prüderie ein schwieriges, wenn auch klassisches Genre. Wagenbrett hat "Diane" als eine Göttin der Jagd ausstaffiert, in luxuriösem Ambiente mit Waffe überm Kamin, samt flackerndem Feuer. Auf dem Podest stehen zwei kleine Sphinxen in erotisch-eindeutigen Posen, die anzeigen, wer "Diane" ist.
Seit den 1980er-Jahren malt Norbert Wagenbrett nun unbeirrt seine Menschenbildnisse, mit immer wandelnden Gesichtsausdrücken – so wie die Gesellschaftssysteme, die sich immer mal ändern.
Informationen zur Ausstellung:
"Norbert Wagenbrett: Der lebendige Spiegel"
30. Januar bis zum 21. März 2025
Adresse:
Kulturhaus Leuna
Spergauer Straße 41a
06237 Leuna
Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag: 11 bis 17 Uhr
Mittwoch: 11 bis 19 Uhr
Freitag: 11 bis 13 Uhr
Redaktionelle Bearbeitung: lig
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 30. Januar 2025 | 12:10 Uhr