Ein Blick in die Ausstellung "A Chair and You" im GRASSI Museum, verschiedene Sitzmöglichkeiten, die alle aus Holz zu bestehen scheinen, sind in einem grauen Raum auf kleinen Podesten ausgestellt. 4 min
Zwischen den Stühlen: Die neue Ausstellung "Chair And You" im Grassi-Museum Leipzig. Bildrechte: Lucie Jansch
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Das Grassi-Museum wirft mit "A Chair And You" einen Blick auf eine weltweit bedeutende Privatsammlung von Stühlen. Ulrike Thielmann hat die Ausstellung, die von Regisseur Robert Wilson inszeniert wurde, besucht.

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"A Chair and You" Grassi-Museum Leipzig zeigt außergewöhnliche Design-Stühle

08. Mai 2024, 08:00 Uhr

Das Leipziger Grassi-Museum widmet sich in seiner neuen Ausstellung "A Chair and You" dem Stuhl als Design-Ikone und Kunstobjekt. Zu Gast ist die außergewöhnliche Sammlung des Schweizers Thierry Barbier-Mueller, die von dem renommierten Regisseur Robert Wilson inszeniert und choreografiert wurde. Die Ausstellung mit Stühlen von mehr als hundert Künstlerinnen und Künstlern, Designern sowie Architekten gilt als einer der Höhepunkte im Jahr 2024, in dem das Museum sein 150-jähriges Bestehen feiert.

Sie erscheinen teils wie Objekte nichteuropäischer Kulturen, teils wie Schweißarbeiten aus dem Underground der Metropolen aus den 90er-Jahren oder auch als stuhlgewordene Gedankenexperimente – ausgeführt in allen denkbaren Materialien. Und niemand käme auf die Idee, auf ihnen Platz nehmen zu wollen! Zu sehr sind die rund 140 Stühle, die das Leipziger Grassi-Museum für Angewandte Kunst jetzt in seiner neuen großen Schau präsentiert, Kunstobjekte – und Ideen von Stühlen.

Sie stammen aus einer außergewöhnlichen Sammlung, die der Genfer Immobilienverwalter Thierry Barbier-Mueller seit den frühen 90er-Jahren zusammentrug.

Ausstellung zeigt den Stuhl als Skulptur

Olaf Thormann, Direktor des Hauses, geht auf ein in Edelstahl glänzendes Exemplar zu, das statt aus vier Beinen im Ganzen aus vier Einzelständern besteht. Es handelt sich um den Prototyp "Abstraction" von Arik Levy von 2010. "Der Stuhl wird zur Skulptur, zum Kunstobjekt, so wie eben ein Bild oder eine Plastik", erklärt Thormann.

Jedes Objekt [ist] für sich eine Ausstellung wert und Robert Wilson hat sie inszeniert. Er ist bekannt dafür, dass er den Gedanken Freiraum lässt, er ist ein Meister der Effekte.

Olaf Thormann, Direktor des Grassi-Museums für Angewandte Kunst

Thierry Barbier-Mueller frönte mit seinen Stuhlobjekten und Stuhlskulpturen einer Leidenschaft. Als es darum ging, sie 2023 öffentlich zu machen, bat er den in Texas geborenen Star-Regisseur Robert Wilson, dies zu tun. Auch Wilson sammelt Stühle.

Eine Fotografie von Thierry Barbier-Mueller, er sitzt auf einem futuristischen, silberfarbenen Sessel mit Löchern und scheint gerade etwas zu erklären.
Der Genfer Sammler Thierry Barbier-Muellers hat seit den 1990er-Jahren unzählige Stühle gesammelt, von denen eine Auswahl in Leipzig zu sehen ist. Bildrechte: Olivier Vogelsang

Oper und Bühnenwelten von Robert Wilson

Im Musée cantonal de design et d'arts in Lausanne kam es zum dramatischen Auftritt: Keine Ausstellung, sondern eine Oper in vier Akten rund um 200 Stühle inszenierte Robert Wilson. Olaf Thormann, als Direktor des Grassi-Museums auch ein Stuhl-Verrückter, sah die Schau und wusste: Die wollte er für die 150-Jahr-Feier seines Hauses!

Es seien "ganz wunderbare Objekte, die der Genfer Sammler Thierry Barbier-Mueller zusammengetragen hat", erzählt Thormann. "Da ist jedes Objekt für sich eine Ausstellung wert und Robert Wilson hat sie inszeniert. Er ist bekannt dafür, dass er den Gedanken Freiraum lässt, er ist ein Meister der Effekte."

Auf einer schwarz-weiß Fotografie ist der Kopf von Robert Wilson zu sehen, der nachdenklich an der Kamera vorbei sieht mit einer Hand am Mund.
Robert Wilson hat die Stuhlsammlung des Genfer Sammlers Thierry BarbierMueller im Grassi-Museum in Szene gesetzt. Bildrechte: Yiorgos Kaplanidis

Design-Stühle von Gehry oder Wewerka

Robert Wilson hat in Leipzig vier Säle in großen Bildern inszeniert: mit Bühnen und Tribünen, selbstkomponierter Musik und Geräuschen sowie Lichtspielen, die den Stuhl als Skulptur ausmalen. Atemberaubend ist der Auftakt mit einem psychedelischen Spiegelkabinett voller metallischer Designstühle.

Kaleidoskop aus metallischen Stühlen.
In der Ausstellung verschmelzen in einer Art Kaleidoskop die metallischen Stühle mit ihrer reflektierenden Umgebung. Bildrechte: Lucie Jansch

Das Finale der Schau in der Orangerie zeigt mit einem bunten, lustigen Pop-Zirkus aus Stühlen schließlich Stühle in jedweder Dimension auf. Auch Kinder werden ihre Freude haben. So gibt es zwischen all den Wewerkas, de Saint Phalles, Sottsass und Gehrys eine lachende Bank, auf der sich nicht nur die Jüngsten niederlassen können.

Robert Wilson erklärt, warum er als Theatermann die Ausstellung choreografiert hat, folgendermaßen: "Für mich ist es alles das Gleiche. Es ist eine Zeit-Raum-Konstruktion. Wenn ich zeichne oder male, wenn ich eine Oper oder ein Schauspiel inszeniere, geht es darum, Entscheidungen zu fällen." Die Inszenierung einer Ausstellung sei der eines Theaterstücks sehr ähnlich. "Bestimmte Dinge wollen straff geführt sein, andere funktionieren frei, und die Essenz ist dann Choreographie", sagt Wilson weiter.

Bright selection A, copyright Lucie Jansch
In "A Chair And You" gibt es auch bunte und schrille Stühle mit knalligen Farben und überraschenden Materialien zu sehen. Bildrechte: Lucie Jansch

Imposante Ausstellung im Grassi-Museum Leipzig

Manche Stühle hängen in der Schau gar von der Decke, in einem halbdunklen Raum, in denen man nur gebückt durch eine kleine Tür schlüpfen kann. Bemerkenswerte Stühle aus Stahlstäben, Gummireifen oder in Form eines Einkaufswagens lassen sich hier finden. "Consumers Rest" lautet ironisch der Titel des letzteren.

Metallische Stühle hängen an einer Wand.
In der Ausstellung "A Chair And You" sind verschiedenste Stuhl-Designs zu sehen. Bildrechte: Felix Bielmeier

Im angrenzenden Saal – à la Barcelona-Pavillon Mies van der Rohe 1929 – geht es, wie es sich für eine Ruheinsel gehört, kontemplativ zu – zumindest fürs Auge. Stuhl-Ikonen von Franz West oder Kazuo Kawasaki sind zu besichtigen.

Mit Trommeln und an Stichsägen erinnernden Klängen treibt Robert Wilson das Publikum jedoch dem letzten großen Raum, der Orangerie, zu. Hier lassen sich auch Sitzmöbel finden, die Wilson selbst entworfen hat, etwa für eine "Zauberflöte" von 1991, designt von dem heute 83-Jährigen. Das Grassi-Museums zeigt eine seiner imposantesten Ausstellungen überhaupt – hingehen!

Weitere Informationen

Ausstellung "A Chair and You"
Vom 8. Mai bis 6. Oktober 2024

Adresse:
Grassi Museum für Angewandte Kunst
Johannisplatz 5-11, 04103 Leipzig

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag und an Feiertagen, von 10 bis 18 Uhr
Mittwoch, von 12 bis 20 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: vp, sg

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 08. Mai 2024 | 08:40 Uhr

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