Verteidigerwechsel "Fahrradgate"-Prozess in Leipzig hat neu begonnen
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28. Mai 2024, 12:37 Uhr
Hunderte Fahrräder aus der Asservatenkammer der Leipziger Polizei wurden vor mehr als sechs Jahren illegal verkauft. Die damalige Verantwortliche bei der Polizei steht nun erneut vor Gericht, nachdem der im März begonnene Prozess wegen eines Verteidigerwechsels platzte. Ihr droht bei einer Verurteilung auch die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis.
- Nach einem Verteidigerwechsel im "Fahrradgate"-Prozess gegen die verantwortliche Polizistin startet neu.
- Die 47-Jährige will das Geld für verkaufte Fahrräder aus der Asservatenkammer gespendet haben.
- Ihr droht bei einer Verurteilung von mindestens einem Jahr der Verlust des Beamtenstatus.
Die juristische Aufarbeitung des "Fahrradgate"-Skandals um den illegalen Weiterverkauf von sichergestellten Rädern bei der Polizei Leipzig geht seit Dienstag weiter. Der Prozess am Landgericht Leipzig hat komplett von vorn begonnen. Nach einem Verteidigerwechsel konnte die Verhandlung laut Gericht nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit fortgesetzt werden. Der Mitte März begonnene Prozess war deshalb geplatzt.
Verteidigerwechsel wegen Interessenkonflikt
Der ursprüngliche Rechtsanwalt der 47 Jahre alten suspendierten Polizeihauptmeisterin hatte nach wenigen Verhandlungstagen das Mandat niedergelegt. Diesen Schritt hatte er damit begründet, dass er noch weitere Beschuldigte in dem Verfahren vertritt und somit ein Interessenkonflikt bestehen könnte. Einem neuen Rechtsanwalt musste das Gericht aber mehr Zeit zur Einarbeitung gewähren.
Die Angeklagte muss sich wegen Diebstahls, Bestechlichkeit und Urkundenfälschung vor dem Landgericht verantworten. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wirft der damaligen Verantwortlichen in der Asservatenkammer vor, von August 2014 bis November 2018 mindestens 265 zum Teil hochwertige Fahrräder weitergegeben zu haben, überwiegend an Polizisten.
Sie soll dafür meist eine "Spende" von bis zu 50 Euro bekommen haben. Insgesamt soll sie so 4.795 Euro eingenommen und mindestens 3.000 Euro für sich behalten haben.
Staatsanwalt: Angeklagte wollte durch Verkauf an Ansehen gewinnen
Staatsanwalt Christian Kuka sagte am Dienstag bei der Neuverhandlung, die Angeklagte habe nicht in erster Linie aus Gewinnstreben gehandelt. "Vielmehr wollte sie in der Kollegenschaft an Ansehen gewinnen". Zudem habe sie die große Anzahl an Rädern aus dem überfüllten Lager der Polizei loswerden wollen. Die Fahrräder waren überwiegend gestohlen und später sichergestellt worden.
Laut Generalstaatsanwaltschaft hatten die ursprünglichen Besitzer und auch die Versicherungen zumeist "kein Interesse" mehr an den Rädern. Diese sollten entweder entsorgt oder an einen gemeinnützigen Verein übergeben werden.
Geld ging als Spende an Gartenverein des Vaters
Der neue Rechtsanwalt der 47-Jährigen kündigte an, dass sich seine Mandantin in der kommende Woche (4. Juni) zur Sache äußern werde. Die 47-Jährige hatte die Vorwürfe bisher zurückgewiesen. Sie habe keinerlei Geld für sich behalten und die Spenden, die sie erhalten habe, an einen gemeinnützigen Verein abgeführt. Dieses Vorgehen sei auch stets mit den Vorgesetzten abgesprochen gewesen.
Die Spenden hatte ein kleiner Gartenverein im Landkreis Leipzig erhalten, dessen Vorsitzender ihr Vater war. Das Landgericht hat für den Prozess mehrere Termine bis Ende Oktober angesetzt.
Was droht der angeklagten Polizistin?
Das Gericht hatte in dem geplatzten Prozess eine Geldstrafe für die Angeklagte in Aussicht gestellt. Die Generalstaatsanwaltschaft beabsichtigte dagegen, an den ursprünglichen Anklagepunkten festzuhalten. Für sie komme keine Geldstrafe in Betracht, sondern eine Freiheitsstrafe.
Das Strafmaß ist für die Angeklagte auch aus dienstlicher Sicht relevant. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr würde sie automatisch aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Bei einer Geldstrafe müsste nach Angaben des Vorsitzenden Richters in einem Disziplinarverfahren über das Dienstverhältnis entschieden werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat seit 2019 gegen 189 Leipziger Polizisten, Justizangestellte und Privatpersonen ermittelt. Die meisten Verfahren wurden aufgrund fehlender Beweise oder gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
MDR (kbe)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 28. Mai 2024 | 07:00 Uhr