Ermittlungen laufen Nach Fernbusunfall auf A9: Drei Todesopfer identifiziert

29. März 2024, 09:28 Uhr

Ein Fernbus ist am Mittwoch auf der Fahrt von Berlin nach Zürich bei Leipzig von der Fahrbahn abgekommen und umgekippt. Vier Menschen sind bei dem Unfall gestorben, sechs erlitten teils lebensgefährliche Verletzungen. Bei den Toten handelt es sich um Frauen. Die Passagiere an Bord stammen aus mehr als 20 verschiedenen Ländern. Bei der Suche nach der Unfallursache ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig nach eigenen Angaben nun gegen den Busfahrer.

Erste Tote identifiziert

Einen Tag dem schweren Busunfall auf der Autobahn 9 bei Leipzig steht die Identität von drei der vier Todesopfer fest. Nach Angaben der Polizeidirektion Leipzig am Donnerstagnachmittag handelt es sich um eine 19-Jährige aus Bayern sowie eine 20 Jahre alte Frau aus Indonesien sowie eine 47 Jahre alte Polin, die beide in Berlin wohnten. Das vierte Opfer sei ebenfalls eine Frau. Sie habe bisher aber noch nicht zweifelsfrei identifiziert werden können. Alle vier waren demnach noch an der Unfallstelle auf der A9 gestorben.

Viele ausländische Fahrgäste

Zahlreiche Passagiere an Bord des Fernbusses stammen aus dem Ausland. Der Polizei zufolge waren 18 der insgesamt 54 Insassen deutsche Staatsangehörige. Die anderen Fahrgäste stammen aus mehr als 20 verschiedenen Ländern. So sind unter ihnen vier Menschen aus Afghanistan, jeweils drei aus der Ukraine und Indonesien, je zwei aus Syrien, Peru, den USA, Polen, China, Kroatien, und Indien sowie Einzelreisende aus Bosnien-Herzegowina, Usbekistan, Tschechien, der Slowakei, Russland, der Türkei, dem Iran, Nordmazedonien, Neuseeland, Frankreich, Kanada und der Schweiz bzw. Italien.

Klar ist auch: Nationalität bedeutet nicht Wohnort. Der Großteil der Menschen kommt aus Berlin, hat seinen Wohnsitz in Berlin und der Umgebung.

Olaf Hoppe Sprecher der Polizei Leipzig über die Unfallopfer

Wer von ihnen wie schwer verletzt wurde, konnte die Polizei nicht mitteilen. Nach ihren Angaben waren zunächst alle Insassen des Busses in Krankenhäuser gebracht worden.

Blick in den verunglückten Bus an der Unfallstelle auf der A9
Mehr als 50 Menschen waren in dem Fernbus von Berlin auf dem Weg nach Zürich. Bildrechte: picture alliance/dpa/Sebastian Willnow

Wirrwarr um Zahl der Verletzten

Wie viele der 54 Insassen des Reisebusses tatsächlich wegen Verletzungen in Krankenhäusern behandelt werden mussten, ist nicht klar, weil der Polizei zufolge einige Betroffene sehr schnell wieder entlassen wurden und zudem einige Kliniken aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Auskünfte erteilen.

Nach MDR-Recherchen mussten mindestens 44 Personen medizinisch behandelt werden: elf im Uniklinikum Leipzig, zwölf im Klinikum St. Georg in Leipzig, 16 im Klinikum Bergmannstrost in Halle und fünf im Krankenhaus in Delitzsch. Die Polizei sprach zwischenzeitlich von 35 Verletzten.

Mehrere Verletzte bereits wieder entlassen

Fest steht neben der Zahl der Todesopfer nur die Anzahl der schwerverletzten Businsassen. Laut Polizei sind es sechs Personen, die teils notoperiert werden mussten und weiter in stationärer Behandlung sind. Eine davon befindet sich im Leipziger Uniklinkum. Sie lag nach Angaben der Einrichtung vorübergehend auf der Intensivstation, konnte aber mittlerweile auf eine Normalstation verlegt werden. Zehn weitere im Klinikum behandelte Buspassagiere wurden demnach bereits entlassen und zumeist von Angehörigen abgeholt.

Weitere 16 Unfallopfer waren im Klinikum Bergmannstrost in Halle in Behandlung. Neun von ihnen sind den Angaben zufolge am Donnerstag entlassen worden. Behandelt wurden die Verletzten unter anderem wegen Prellungen, Brüchen, Schürf- und Schnittwunden.

Opferberatung: Hier finden Betroffene, Ersthelfer und Hinterbliebene Hilfe Telefonnummer: 0351-56 45 50 99
E-Mail: opferbeauftragte@sms.sachsen.de

Ersthelfer unter Schock

Nach dem Unfall hatten laut Polizei Insassen eines anderen Busses auf der A9 teilweise als Ersthelfer gehandelt. Zwei Personen erlitten demnach einen Schock und mussten medizinisch betreut werden. Wie Wolfgang Wenzel, Zugführer der Ortsfeuerwehr Wiedemar und Mitglied der Einsatzleitung, MDR SACHSEN sagte, waren es Feuerwehrleute aus dem Saarland, die bei der Erstversorgung der Unfallopfer halfen.

Unfallhergang noch unklar

Der genaue Unfallhergang ist weiterhin unklar. Der doppelstöckige Fernbus der Firma Flixbus war am Mittwochvormittag auf dem Weg von Berlin nach Zürich mit geplanten Stopps in Nürnberg und München. Um 8 Uhr war er in der Bundeshauptstadt pünktlich losgefahren, gegen 9:45 Uhr passierte der Unfall zwischen der Anschlussstelle Wiedemar und dem Schkeuditzer Kreuz. Nach ersten Erkenntnissen war wohl kein anderes Fahrzeug daran beteiligt. Die A9 war rund um die Unfallstelle zwölf Stunden gesperrt - bis gegen 21:30 Uhr am Mittwochabend.

Die Polizeidirektion Leipzig erklärte, sie werde alle Businsassen zum Hergang befragen - auch die Verletzten, sofern es deren Gesundheitszustand zulasse. Die Staatsanwaltschaft gab ein unfallanalytisches Gutachten von dem Bus in Auftrag.

Ging Streit unter Busfahrern Unfall voraus?

Die Leipziger Staatsanwaltschaft hat inzwischen außerdem Ermittlungen gegen den Fahrer aufgenommen. Wie Pressesprecher Andreas Ricken MDR SACHSEN sagte, werden dem 62-Jährigen fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Aktuell würden Zeugen befragt, die Untersuchungen des zerstörten Busses liefen. Dass es zwischen ihm und dem 53 Jahre alten Ersatzfahrer an Bord vor dem Unfall einen Streit gegeben haben soll, wollte Ricken weder bestätigen noch dementieren. Allerdings werde dem nachgegangen. Die "Leipziger Volkszeitung" (LVZ) hatte zuerst über solche Vermutungen berichtet.

Der Fahrer des auf der A9 verunglückten Busses soll nach Angaben des Busunternehmens Flixbus alle Lenk- und Ruhezeiten eingehalten haben. Er ist nach Angaben der Polizei nicht unter den Toten. Details zu seinem Gesundheitszustand wurden nicht genannt.

Chefarzt Unfallchirurgie: Kommunikation mit Leitstelle schwierig

Der Chefarzt der Unfallchirurgie am Klinikum St. Georg in Leipzig, Jörg Böhme, äußerte im Interview mit MDR SACHSEN Kritik an der Kommunikation der Rettungsleitstelle. Man sei 10:40 Uhr erstmals angefragt worden, wie viele Unfallopfer man im Ballungsgebiet Halle/Leipzig behandeln könne. Dabei sei zunächst von drei schwer und sechs mittelschwer Verletzten die Rede gewesen. Das Klinikum habe dann zugesagt, einen Schwerverletzten und zwei mittelschwer Verletzte aufzunehmen, so Böhme.

Leider sei man im weiteren Tagesverlauf nicht über das tatsächliche Ausmaß des Busunfalls auf dem Laufenden gehalten worden. Man habe erst über die Medien erfahren, dass der gesamte Unfall wesentlich dramatischer war als bislang angenommen. Daher habe man versucht, den Betrieb im Klinikum so umzustellen und Personal akquiriert, damit man mehr unfallchirurgische Patienten aufnehmen konnte. Etwa eine Stunde nach der Anfrage der Leitstelle seien die ersten zwei Patienten dann ins Klinikum gebracht worden. Weitere zehn folgten gegen 12:30 Uhr.

ADAC: Busfahren statistisch gesehen sicher

In den vergangenen Jahren verursachten Busunfälle zwar immer wieder Schlagzeilen, der Unfallstatistik zufolge sind Busse aber vergleichsweise selten in Verkehrsunfälle mit Personenschaden verwickelt. "Dennoch sind Fälle, in denen es zu Unfällen kommt, oft dramatisch, weil die Zahl der Betroffenen hoch sein kann", sagte ein Sprecher des ADAC.

2022 kamen den Angaben zufolge bei Busunfällen innerhalb und außerhalb von Ortschaften insgesamt acht Menschen ums Leben. Der ADAC verwies auf die seit 1999 bestehende Gurtpflicht in Reisebussen. "Ob und wie die einzelnen Unternehmen kontrollieren, ob Insassen angeschnallt sind, ist nicht nachzuvollziehen", sagte der Sprecher. Busreisenden werde grundsätzlich empfohlen, sich anzuschnallen.

Einsatzkräfte der Feuerwehr stehen an der Unfallstelle neben dem verunglückten Bus
Schwere Busunfälle sind auch für Rettungskräfte herausfordernd (Archivfoto). Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Jan Woitas

Erinnerung an Busunfälle im Erzgebirge und in Venedig

Erst im vergangenen Dezember hatte ein Busunglück im Erzgebirge für Betroffenheit gesorgt. Dabei war ein Kind auf dem Weg in die Schule gestorben. Ein Linienbus hatte bei winterlichen Straßenbedingungen zunächst einen Schneepflug touchiert und war dann gegen einen Straßenbaum geprallt.

Bereits im Oktober 2023 war bei Venedig ein Bus verunglückt, der im Shuttle-Verkehr zwischen der Lagunenstadt und einem Campingplatz unterwegs war. Als der Bus von einer Brücke stürzte, starben 21 Menschen - auch eine junge Mutter aus Leipzig, die mit ihrer Familie im Bus saß.

MDR (lam,cnj,stt)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 28. März 2024 | 16:00 Uhr

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