Drohendes Ende von Steuerprivilegien Hunderte Bauern protestieren in Leipzig und Chemnitz

18. Dezember 2023, 16:20 Uhr

In den Innenstädten von Leipzig und Chemnitz sind Bauern eher selten mit Traktoren zu sehen. Am Montag ist das anders: Aus ganz Sachsen sind hunderte Landwirtinnen und Landwirte in die beiden Großstädte gekommen. So wollen ihren Unmut zum Ausdruck bringen, dass ihnen die Bundesregierung Subventionen für Diesel streichen will. Auch die Befreiung von der Kfz-Steuer soll fallen, um den Bundeshaushalt zu stabilisieren. Bauern sehen das als existenzbedrohend an und befürchten Höfesterben.

In und um Leipzig haben sich Landwirte zu einer Protestkundgebung versammelt. Wie Paul Kompe vom Verein "Land schafft Verbindung Sachsen" sagte, fuhren am Vormittag bis zu 500 Traktoren über den Leipziger Ring in die Innenstadt und dann zu einer Demonstration am Völkerschlachtdenkmal. Der Verkehr stand vorübergehend still, besonders der Innenstadtring war betroffen. Laut Veranstalter hatten sich 1 Uhr nachts Traktoren in Görlitz und Löbau in Bewegung gesetzt und sind über die B6 bis nach Leipzig gefahren.

Nach Schätzung eines MDR-Reporters in Leipzig haben sich rund 1.000 Landwirte zusammengefunden. Er sprach von beeindruckenden Bildern vor dem Völkerschlachtdenkmal - der große Parkplatz vor dem Denkmal sei fest in Bauernhand gewesen. Dafür, dass der Aufruf zur Demonstration so kurzfristig gewesen sei, sei dies ein sehr deutliches Signal des Protests.

Frustrierte Landwirte

Landwirt Olaf Kranen demonstrierte in Leipzig mit und zieht ein negatives Fazit der letzten Jahre in der Agrarpolitik. Er fühle sich drangsaliert und findet, dass nun das Fass überlaufe.

Wir sind schon zwei Jahre mit der Ampel unterwegs und einiges gewohnt, Glyphosat, Tierwohl, Düngeverordnung, Schutzstreifen, Stilllegungen, also, was sich diese Leute einfallen lassen, also wir sind Schlimmes gewöhnt, aber das hat das Fass zum Überlaufen gebracht, ja.

Olaf Kranen Landwirt aus Oschatz

Die Landwirte protestieren gegen die Abschaffung der Steuerersparnis bei sogenanntem Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge. Das sieht die Einigung der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 2024 vor.

Brückenstraße in Chemnitz gesperrt

Auch in Chemnitz demonstrierten Landwirte mit Traktoren in der Innenstadt. Laut Polizei war die Brückenstraße zwischen B169, B173, Bahnhofstraße und Mühlenstraße gesperrt.

Landwirt und Vorstand beim Regionalbauern-Verband Erzgebirge, André Fuchs, demonstrierte auch in Chemnitz mit und sagte zu MDR SACHSEN: "Für einen durchschnittlichen Betrieb in Sachsen heißt das, wenn diese Gelder wegfallen würden, kommen zusätzliche Kosten von ungefähr 10.000 Euro hinzu. Das lassen wir uns nicht mehr gefallen! Der Punkt ist erreicht, wo es nicht mehr geht. Und die Politiker hören uns einfach nicht mehr zu."

Sachsens Landwirtschaftsminister hält Regierungsentscheidung für falsch

Auch Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther hat die vom Bund geplante Streichung von Vergünstigungen für Bauern kritisiert. "Das kommt für die Branche völlig aus heiterem Himmel", erklärte der Grünen-Politiker. Zwar müssten klimaschädliche Subventionen abgebaut werden, betonte Günther. "Aber im Handstreich eine Branche gleich vor zwei vollendete Tatsachen zu stellen, ist falsch."

Bäuerliche Familienbetriebe mit Kompromissvorschlag

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) spricht sich ebenfalls gegen eine Streichung der Beihilfe für den Agrardiesel aus und schlägt zugleich als Kompromiss die Wiedereinführung der Obergrenze von 10.000 Litern vor. Diese galt bis 2008.

Die Interessenvertretung der bäuerlichen Familienbetriebe betont, dass die Bäuerinnen und Bauern in die Lage versetzt werden müssen, die drohenden Kürzungen am Markt wieder zu erwirtschaften. Aus AbL-Kreisen hieß es, man beteilige sich nicht aktiv an den Protesten und setze auf Gespräche mit der Bundesregierung.

Winzer auch von Änderungsplänen betroffen

Der Weinbauverband Sachsen teilte auf Anfrage mit, auch die Winzer seien von den Plänen von der Bundesregierung betroffen. Es lasse sich derzeit aber noch nicht abschätzen, wie die Auswirkungen konkret auf die einzelnen Weinbaubetriebe wären, wenn die Pläne umgesetzt würden, so Vorstandschef Felix Hößelbarth. Das hänge unter anderem von der Zahl der Traktoren und den Wegstrecken zwischen Weingut und Rebfläche ab.

MDR (lam/Studio Leipzig)/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Nachrichten | 18. Dezember 2023 | 11:00 Uhr

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