Arbeitskampf Ende nicht in Sicht: Schrottrecycling-Firma in Espenhain wird weiter bestreikt
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02. Januar 2024, 14:22 Uhr
Seit dem 8. November 2023 sind die Beschäftigten eines Schrott- und Recyclingunternehmens in Espenhain bei Leipzig im unbefristeten Streik. Sie fordern acht Prozent mehr Geld und die Einführung der 38-Stunden-Woche. Doch der Mutterkonzern verweigert sich bislang. Die Gewerkschaften unterstützen die Streikenden auch im neuen Jahr.
- Beschäftigte streiken und planen für Freitag eine Kundgebung vor Politik, Kolleginnen und Kollegen.
- Weil nicht die ganze Belegschaft streikt, läuft der Betrieb im Unternehmen mit Einschränkungen weiter.
- Das Unternehmen kritisiert: Konkrete Vorschläge seien von der Tarifkommission abgelehnt worden.
Am Dienstag haben die Beschäftigten der Recyclingfirma SRW metalfloat in Espenhain ihren unbefristeten Streik fortgesetzt. Der hatte am 8. November 2023 begonnen. Auch am 56. Streiktag setzen sie sich für eine Tarifbindung ein, acht Prozent mehr Lohn, je 1.500 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie die Einführung der 38-Stunden-Woche ein. Ihnen gehe es um Mitbestimmung, Wertschätzung und Respekt, teilte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Leipzig-Nordsachsen mit. Damit solle laut Verhandlungsführer Michael Hecker "irgendwann auch dieser Ost-West-Angleich geschafft werden können".
Aber: "Das Unternehmen weigert sich weiterhin strikt, die anfänglichen Gespräche mit der IG Metall fortzuführen und lehnt einen Tarifvertrag ab", so der DGB, der die IG-Metall-Aktion unterstützt. Der Schrottreycler SRW metalfloat gehört zur Scholz Gruppe in Essingen (Baden-Württemberg), ein Recycling-Riese, der wiederum zur Chiho Environmental Group mit Sitz im Steuerparadies Cayman Islands gehört.
Unterstützung aus Politik und Kollegenkreis
Am Freitagnachmittag werden der DGB Sachsen und Bevollmächtigte der IG Metall Leipzig Grußworte verlesen von Gästen, Politikern und betrieblichen Kolleginnen und Kollegen als Unterstützung für die 180 Beschäftigten – die Mehrheit von ihnen beteilige sich laut Verhandlungsführer Michael Hecker am Streik. Die Gewerkschafter werfen dem Mutterkonzern vor, Milliardengewinne zu erwirtschaften, ohne dass davon etwas bei den Mitarbeitern in der Region ankomme.
Wir sind das letzte Rad hier, gehen für Mindestlohn arbeiten. Also das einzige, was hier Geld bringt, ist die Nachtschicht.
Der langjährige Mitarbeiter Nico Müller sagte dazu dem MDR: "Wir sind das letzte Rad hier, gehen für Mindestlohn arbeiten. Also das einzige, was hier Geld bringt, ist die Nachtschicht." Sein Kollege Matthias Leubach erzählte, als es mal schlecht lief, habe man auf Geld verzichtet. Doch gedankt habe es die Firma nicht."
Einer Mitteilung der IG-Metall zufolge würden die Beschäftigten SRW metalfloat monatlich im Schnitt rund 600 Euro weniger als Beschäftigte in vergleichbaren Betrieben der Schrott- und Recyclingbranche verdienen. Dabei würden sie täglich körperlich harte Arbeit leisten, seien hohem Lärm und starker Staubbelastung ausgesetzt und immer drohe die Gefahr, beim Sortieren oder Fahren in Kontakt mit gesundheitsgefährden Materialien zu kommen.
Unternehmen trotz Streik weiter im Betrieb
Doch nicht alle Beschäftigten streiken. Wie Unternehmenssprecher Thomas Müller mitteilte, wird der Anlagenbetrieb aufrecht erhalten. Dafür werde Personal, das sich nicht am Streik beteilige, vom üblichen Dreischichtbetrieb in einen Zweischichtbetrieb eingesetzt. "Durch unterschiedlichste Optimierungsmaßnahmen im Anlagenbetrieb ist das Unternehmend darum bestrebt, die streikbedingten Auswirkungen auf den Produktionsbetrieb so gering wie möglich zu gestalten", sagte Thomas Müller MDR SACHSEN auf Anfrage. MDR-Informationen zufolge soll Beschäftigten mit befristeten Verträgen von der Geschäftsführung gedroht worden sein, deren Verträge nicht zu entfristen, wenn sie beim Streik mitmachten. Ein weiterer Teil beteilige sich aus anderen Gründen nicht am Streik.
Verhandlungsführer Michael Hecker zufolge sprachen sich bei der Ur-Abstimmung knapp 90 Prozent der Beschäftigten für einen Streik aus. Die Mehrheit der Belegschaft würde sich daran beteiligen, darunter Schichtleiter, Anglagerfahrer und Schlosser. Ihm zufolge gelänge es dem Arbeitgeber nur schwer, den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Unternehmen wirft Tarifkommission vor, konkrete Vorschläge abgelehnt zu haben
Im Zuge des Streiks weist Unternehmenssprecher Thomas Müller darauf hin, dass das Unternehmen im August des vergangenen Jahres der Tarifkommission einen konkreten Vorschlag unterbreitet habe. Dieser beinhaltete für die von der Verhandlung betroffenen Beschäftigten eine Entgelterhöhung von ca. 7 bis 8,5 Prozent mit Wirkung ab dem 1. Januar 2024. Die Tarifkommission habe diesen Vorschlag abgelehnt und auch die weitere Gesprächsführung abgelehnt. Verhandlungsführer Michael Hecker bestreitet MDR SACHSEN gegenüber, dass Zahlen in dieser Höhe vorgeschlagen worden seien.
Der Unternehmenssprecher wies darauf hin, dass die als verpflichtend geforderten Zusatzzahlungen bislang als freiwillig gezahlt würden - in Höhe von jeweils 1.000 Euro pro Jahr. Auch Sonderzahlungen zur Abfederung der Inflation seien im Jahr 2022 und im Jahr 2023 gezahlt worden sein. Die Beschäftigen würden sich laut Hecker von der IG-Metall jedoch nicht auf freiwillige Zahlungen verlassen wollen, sondern Rechtssicherheit durch einen Tarifvertrag verlangen. Den lehnt das Unternehmen jedoch ab.
Weitere Gespräche habe es laut Unternehmen seit dem 22. August 2023 und den vorgelegten Vorschlägen nicht mehr gegeben, "weil der Kern der Auseinandersetzung (Abschluss bzw. Nichtabschluss eines Tarifvertrages) nicht kompromissfähig sein dürfte", wie der Unternehmenssprecher MDR SACHSEN mitteilte.
Verhandlungsführer richten Streikbüro ein
Von ihren Forderungen wollen die Streikenden in Espenhain nicht abrücken: Am Dienstagmorgen wurden Container für ein Streikbüro geliefert und aufgebaut. Offenbar stellen sie sich darauf ein, dass der Streik noch länger dauern wird.
MDR (kk, kav, bbr)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 02. Januar 2024 | 14:30 Uhr