Streik Beschäftigte einer Schrottrecycling-Firma in Espenhain streiken seit einem Monat

07. Dezember 2023, 05:00 Uhr

Seit fast einem Monat haben die Beschäftigten eines Schrott- und Recyclingunternehmens in Espenhain bei Leipzig ihre Arbeit niedergelegt. Sie fordern acht Prozent mehr Geld und die Einführung der 38-Stunden-Woche. Doch der Mutterkonzern verweigert sich bislang. Für die Gewerkschaft IG Metall hat der Tarifstreit Symbolcharakter.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Das Feuer brennt schon 28 Tage. Nico Müller steht vor einer wärmenden Tonne am Zaun von SRW metalfloat in Espenhain. Normalerweise fährt der 35-Jährige hier Gabelstapler und recycelt Schrott.

Doch seit vier Wochen streikt er. "Weil sich seit mehr als 30 Jahren Wendezeit hier an den Löhnen im Osten nichts getan hat. Da ist ja in Sachsen anscheinend ganz schlimm. Wir sind das letzte Rad hier, gehen für Mindestlohn arbeiten. Also das einzige, was hier Geld bringt, ist die Nachtschicht."

Kein Tarifvertrag trotz Milliardenumsätzen

Die anderen Schrottwerker nicken entschlossen. Reichlich 50 von 180 Beschäftigten halten an diesem Nachmittag vor dem Werkstor die Stellung. Matthias Leubach erzählt, als es mal schlecht lief, habe man auf Geld verzichtet.

Gedankt habe es die Firma nicht. Leubach sagt: "Am Ende mussten wir immer das nehmen, was sie uns angeboten haben. Jetzt haben wir uns eben gesagt, dass der Zeitpunkt da ist, um mal einen Tarifvertrag zu haben und auch die Sicherheit, dass man uns das Geld, das wir bekommen, nicht wieder wegnehmen kann."

Die Forderung nach einem Tarifvertrag mit acht Prozent mehr Lohn klingt nicht unverschämt. Trotzdem mauert das Unternehmen. SRW metalfloat gehört zur Scholz Gruppe, ein Recycling-Riese, der wiederum zu China gehört.

Michael Hecker hat sich als IG Metall-Verhandlungsführer ins Firmengeflecht vertieft: "Die Chiho-Gruppe sitzt in Hongkong und ist auf den Cayman-Inseln gelistet. Ich finde, man muss das in aller Deutlichkeit sagen, dass das Unternehmen hier Milliardenumsätze erwirtschaftet, aber das Geld weder bei den Beschäftigten noch in der Region ankommt."

Es gebe Gewinnabführungsverträge, durch die hier erwirtschaftete Gewinne über Hongkong auf den Cayman-Inseln geparkt werden. "Das ist ein absolut untragbarer Zustand", findet Hecker.

Ostbeauftragter fordert mehr Tarifbindung im Osten

Bis März, sagt Hecker, habe man über einen Haustarif verhandelt. Dann brachen die Gespräche ab. In der Bild-Zeitung wird der Geschäftsführer zitiert, man wünsche mit der IG Metall keinen Tarifvertrag.

Gewerkschafter Hecker hat nun die Politik für den Fall interessiert. Und so wird auf dem Podest vor dem Werkstor der Ostbeauftragte Carsten Schneider zum Klassenkämpfer: "Das Kapital versteht nur eine einzige Sprache – und das ist Widerstand, Widerstand, Widerstand."

Nach der Rede klingt Schneider wieder wie der Regierungsvertreter. Die Tarifbindung im Osten müsse besser werden. "Gerade in solchen Betrieben haben wir eine sehr geringe Organisationskraft und die Arbeitgeber haben sehr oft das Gefühl, dass sie machen können, was sie wollen. Deswegen ist das hier ein Signal und ein symbolhafter Betrieb, obwohl er nicht groß ist."

Streik rund um die Uhr

Schneider geht ins Streikzelt. Hier wärmt sich auch Nico Müller auf, wenn es draußen zu kalt wird. "Da haben wir unsere Schichtpläne", erklärt Müller. "Wir sind hier 24/7 vor Ort." Ein Weihnachtsbaum erhellt das Zelt, es gibt Kaffee und Musik.

Warum bewerben sich die Recycler nicht woanders? Anpacker werden doch gesucht. "Mir geht es auch um meine Kollegen", so Nico Müller. "Wenn man zehn, zwölf Jahre zusammengearbeitet hat, dann hängt man an den Leuten. Das ist wie eine kleine Familie."

Er will bis zum Tarifvertrag weiter streiken. Am Zelt klebt eine Durchhalteparole: "Ein Diamant ist auch nur ein Stück Kohle, das Ausdauer hatte."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 07. Dezember 2023 | 06:57 Uhr

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