Neue Unterlagen Amtsgericht Borna setzt Bußgeld-Verfahren um Schulpflicht aus
Hauptinhalt
06. Februar 2023, 19:37 Uhr
Eine 14-Jährige geht über Jahre unter körperlichen Schmerzen in die Schule. Das ändert sich mit Corona und der Einführung von Homeschooling. Das Mädchen blüht auf. Die Familie hält an dem Modell fest und organisiert Fernunterricht. Doch dagegen steht die in Deutschland vorgeschriebene Schulpflicht. Das zuständige Landratsamt verschickt einen Bußgeldbescheid, über den nun das Amtsgericht Borna verhandelt.
- Ein heute 14 Jahre altes Mädchen leidet jahrelang in der Schule. Sie bricht und hat Kopfschmerzen.
- Eine Psychologin stellt Hochbegabung und Hochsensibilität fest und empfiehlt Fernunterricht.
- In der Corona-Pandemie blüht das Mädchen auf. Sie kommt mit dem Homeschooling deutlich besser zurecht als mit dem Präsenzunterricht.
Der Prozess um ein Bußgeldverfahren wegen der Verletzung gegen die Schulpflicht am Amtsgericht Borna ist für sechs Wochen ausgesetzt. Wie ein Sprecher des Gerichts auf Anfrage von MDR SACHSEN mitteilte, wurden erst zum Prozessauftakt am Montag Unterlagen eingereicht, die die Schulverweigerung begründen sollen. Das Gericht brauche nun Zeit, die neuen Akten zu lesen.
"Lieber tot als noch einen Tag in der Schule"
In dem Prozess geht es um eine Familie aus dem Raum Borna. Schon seit der ersten Klasse habe die heute 14-Jährige mit der Schule Probleme gehabt, erzählt ihre Mutter Sandy Kaiser MDR SACHSEN: "Das wurde dann so schlimm, dass sie gesagt hat: 'Lieber tot als noch einen Tag in die Schule.' Sie hat früh gebrochen, sie hatte Bauchschmerzen, sie hatte Kopfschmerzen."
Das wurde dann so schlimm, dass sie gesagt hat: 'Lieber tot als noch einen Tag in die Schule.' Sie hat früh gebrochen, sie hatte Bauchschmerzen, sie hatte Kopfschmerzen.
Psychologin empfiehlt Fernunterricht
Die Familie ging der Sache auf den Grund. Es gab zwei Gutachten: eins vom sächsischen Landesamt für Schule und Bildung und eins von einer Chemnitzer Psychologin. Die Gutachten stellten bei der Tochter Hochbegabung und Hochsensibilität fest. Nach Ansicht der Psychologin ist das Mädchen für die Regelschule nicht geeignet. Das Gehirn hochbegabter Menschen sei vernetzter, sie lernen schneller und komplexer. In einer "normalen" Schule würden sie ständig ausgebremst. Die Psychologin habe deshalb dringend Fernunterricht empfohlen, so Sandy Kaiser.
Doch sie muss ihr Kind weiter in die Schule schicken. Bis die Tochter angedroht habe, nichts mehr zu essen. Sandy Kaiser: "Das ging dann hin bis: 'Dann höre ich auf zu essen. Das könnt ihr mir nicht reinzwingen. Ihr könnt mich zwingen in die Schule zu gehen, aber dann esse ich eben nichts mehr. Dann falle ich eben um und dann kann ich nicht mehr in die Schule gehen.'"
Mutter: Hochbegabte blüht im Lockdown auf
Das Familienleben habe dadurch stark gelitten, erinnert sich Mutter Sandy. Sie habe sich mit ihrem Mann abgewechselt, um auf die Tochter aufzupassen. Die Tochter hätte wegen ihrer Depression keine zehn Minuten allein gelassen werden können.
Doch dann kam der Lockdown mit Homeschooling. Plötzlich sei für Sandy Kaiser und ihre Tochter alles in Ordnung gewesen: Das Mädchen sei aufgeblüht, habe neugierig gelernt und viel Lob von Lehrerinnen und Lehrern bekommen: "Dann war das schlagartig besser. Wir standen wirklich weinend im Flur, weil unsere Tochter gelacht hatte, was wir fünf oder sechs Jahre nicht kannten."
Dann war das schlagartig besser. Wir standen wirklich weinend im Flur, weil unsere Tochter gelacht hatte, was wir fünf oder sechs Jahre nicht kannte.
Landratsamt reicht Gutachten nicht aus
Als die Präsenzpflicht in Sachsens Schulen zurückkehrte, habe sich ihre Tochter geweigert, in die Schule zu gehen, sagt Sandy Kaiser. Die Mutter habe daraufhin beim Landratsamt und der Schulbehörde das Gutachten der Psychologin vom Juni 2021 vorgelegt. Sandy Kaiser organisierte den von der Psychologin empfohlenen Fernunterricht, auf eigene Kosten. Derzeit wird die Tochter auf der Online-Schule kern-bildung aus Markdorf (Bodensee) unterrichtet. Dabei handelt es sich um keine staatlich anerkannte Schule. Die Einrichtung richtet sich laut deren Homepage unter anderem an Eltern, die ihre Kinder beim selbstbestimmten Lernen begleiten wollen, an Freilerner und an Schulverweigerer.
Dem Landratsamt in Borna reichte das vorgelegte Gutachten nicht aus, um das Mädchen von der Schulanwesenheitspflicht zu befreien. In einem Schreiben vom 21. Oktober 2021 an Sandy Kaiser heißt es: "Es wird keine konkrete Aussage zur Schulfähigkeit getroffen." Der im Gutachten geratene Fernunterricht "gilt laut Sächsischem Schulgesetz nicht als Erfüllung der Schulpflicht."
Die Behörde stufte das Vorgehen der Familie, also das Fernbleiben vom Unterricht, als Ordnungswidrigkeit ein und verhängte ein Bußgeld. Dagegen legte die Familie Widerspruch ein. In frühestens sechs Wochen wird das Amtsgericht Borna darüber entscheiden.
Es wird keine konkrete Aussage zur Schulfähigkeit getroffen.
Familie Kaiser hofft weiterhin auf eine Ausnahmeregelung für ihre Tochter. "Ich wünsche mir, dass das genehmigt wird und dass wir dann einfach zur Ruhe kommen können", sagt Mutter Sandy. Fernunterricht ist in Sachsen nicht erlaubt. Eine für ihre Tochter geeignete Schule habe das Schulamt nicht präsentieren können. Ob ihre Tochter den gewünschten Fernunterricht bekommt, klärt das Gerichtsurteil in Borna allerdings nicht. Dafür wäre das Verwaltungsgericht Leipzig zuständig.
MDR (phb/Ulrike Köhler,cke,dkö)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Leipzig | 03. Februar 2023 | 16:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/885aa9f1-d34c-4f38-95fa-f34a39e57d2e was not found on this server.