Fördermittelpolitik Kohlegeld für Spaßbad "Riff" in Bad Lausick: Das steckt dahinter
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07. Dezember 2022, 14:59 Uhr
Der Ausstieg aus der Kohleförderung ist längst beschlossene Sache und damit bricht in Zukunft ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftszweig in Sachsen weg. Um die Folgen für die Kohleregionen abzufedern, gibt der Staat Geld. Das wird aber nicht großflächig verteilt, sondern in ausgewählte Projekte gesteckt. Doch wie die Gelder verteilt werden, ist nicht für alle nachvollziehbar. Jüngstes Beispiel: das Spaßbad "Riff" in Bad Lausick. Strukturwandel und Freizeitvergnügen - wie passt das zusammen?
- Die Kurstadt Bad Lausick will ihr Freizeitbad erweitern und das mit Geldern bezahlen, die für den Strukturwandel vorgesehen sind.
- Die Pläne für die Investition sind umstritten.
- Bevor die Gelder ins Projekt fließen, muss das Bundeswirtschaftsministerium über den Antrag entscheidet.
Gelder, die für den Strukturwandel in Kohleregionen vorgesehen sind, sollen in das Spaßbad "Riff" in Bad Lausick fließen. Dieser Plan stößt auch auf Unverständnis: Nicht allen ist klar, warum ausgerechnet die Kurstadt von den Mitteln profitieren soll. Die Stadt Bad Lausick hat nun die Kritik an der geplanten Zuteilung der Gelder zurückgewiesen. Bürgermeister Michael Hultsch sagte MDR SACHSEN: "Bad Lausick gehört politisch zum Mitteldeutschen Revier. Die Kohle hier hat immer eine Rolle gespielt. Bis 1950 wurde Kohle abgebaut. Und viele Menschen in unserer Region haben vor der Wende in Kohlebetrieben gearbeitet."
Drei neue Kurgebäude für rund 6,3 Millionen Euro geplant
Hintergrund der Diskussion ist die Vergabe der Gelder aus dem sogenannten Investitionsgesetz Kohleregionen. Die heutige Kurstadt hatte im November vom Regionalen Begleitausschuss des Mitteldeutschen Reviers den Zuschlag für den Bau eines Kneipp-Zentrums, eines Gradierwerks und einer Begegnungsstätte bekommen. Das Gremium bestimmt in Sachsen maßgeblich die Vergabe der Gelder, die für den Strukturwandel vorgesehen sind. "Wir waren sehr erfreut, dort berücksichtigt zu werden", so der parteilose Hultsch.
Was ist der Regionale Begleitausschuss?
- Hinter dem Begriff Regionaler Begleitausschuss des Mitteldeutschen Reviers (RBA) verbirgt sich ein 2021 gegründeter Zusammenschluss von jeweils regionalen politischen Entscheidern in Sachsen. Er tagt zwei Mal jährlich.
- Gegründet wurde er, um das Auswahlverfahren der Gelder für Kohleregionen im Strukturwandel gerechter zu gestaten. Zu den stimmberechtigten Mitgliedern gehören der Landrat des Kreises Leipzig, Henry Graichen, der dem RBA vorsitzt, und Jörg Huntemann, der Revierbeauftragte im Regionalentwicklungsministerium in Dresden. Insgesamt besteht das Gremium aus acht Mitgliedern, sieben aus der Stadt Leipzig, dem Landkreis Leipzig und Nordsachsen sowie Huntemann. Daneben gibt es noch nicht-stimmberechtigte Mitglieder, die Interessengruppen vertreten.
Die geplanten Gebäude sollen neben dem Freizeit- und Kurbad "Riff" entstehen. Die Stadt rechnet nach eigenen Angaben mit Bau- und Planungskosten von rund 6,3 Millionen Euro. Bis zu 90 Prozent davon könnten aus dem Kohle-Fördertopf kommen. Hultsch räumt allerdings ein, dass die aktuell hohen Baukosten voraussichtlich höhere Gesamtkosten verursachen werden. Wie hoch die exakte Fördersumme ausfallen wird, wird von der Sächsischen Aufbaubank festgelegt. Die Bank dient als zentrales Förderinstitut des Landes Sachsen.
Freizeitbad "Riff" - Hintergründe zu den Plänen Das Freizeitbad "Riff" in Bad Lausick wird von der Bad Lausicker Bauorganisations-, Betriebs- und Kur GmbH (BBK) betrieben. Das Unternehmen ist eine einhundertprozentige Tochter der Stadt. Der Plan sieht nun vor, das bisherige Freizeitbad mit den Fördergeldern für den Strukturwandel in den Kohleregionen zu erweitern. Dabei sollen zehn neue Arbeitsplätze im Kurort entstehen.
Bad Lausick hofft auf "Kneipp-Siegel"
Mit den neuen Bauten soll sich Bad Lausick breiter aufstellen, sagt Bürgermeister Michael Hultsch: "Wir haben eine 200-jährige Geschichte als Kurort. Jetzt hoffen wir, dass wir im nächsten Jahr die Kategorisierung als Kneipp-Ort bekommen". Es gelte Bad Lausick weiterzuentwickeln. Zudem wolle man "Kuren auch für die erlebbar machen, die es nicht über die Krankenkassen abrechnen", so Hultsch weiter. Die Stadt hat 2021 rund 200.000 Übernachtungen in Bad Lausick gezählt.
"Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur"
Der Vorsitzende des Begleitausschusses, der Landrat Henry Graichen, sagte MDR SACHSEN: "Weil ausdrücklich auch Investitionen in Gesundheitseinrichtungen genannt werden, deckt das Projekt gleich mehrere förderfähige Bereiche des Investitionsgesetz Kohleregionen ab und war zu befürworten. Ziel der Finanzhilfen ist es ja, mit zusätzlichen Investitionen die wirtschaftliche Infrastruktur zu verbessern.". Dies könne mit dem Projekt erreicht werden, schätzt Graichen ein. Und: "Die Tourismuswirtschaft ist ein wachsendes Segment im Landkreis und wird durch die Investition nachhaltig unterstützt."
Kritik an Verteilung
Die Art und die Orte der Verteilung sind allerdings kritisiert worden. Bereits im Juni monierte Daniel Knorr vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB Sachsen), dass es "eineinhalb Jahre von der Idee bis zum Fördermittelbescheid" gedauert habe. Der Dresdner Wirtschaftsforscher Joachim Ragnitz vom Institut für Wirtschaftsforschung (ifo) hingegen kritisierte, dass "die Gelder nicht primär in die Kohlereviere, die tatsächlich stark betroffen sind, fließen. Man hat beispielsweise im Mitteldeutschen Revier die Stadt Leipzig dabei, Nordsachsen dabei. Das hat ja mit dem Kohleausstieg überhaupt nichts zu tun. Die sind überhaupt nicht betroffen."
"Finanzhilfen sind für den gesamten Landkreis"
Der Begleitausschuss-Vorsitzende Graichen sagt zur Kritik: "Die Finanzhilfen sind ausdrücklich für den gesamten Landkreis Leipzig, Nordsachsen und die Stadt Leipzig vorgesehen. Gute Projekte sollten dort gefördert werden, wo sie entstanden sind und wirken können. Sie strahlen auf andere Kommunen aus und heben die Attraktivität als Investitionsstandort insgesamt. Der Strukturwandel gelingt uns nur in der Gesamtheit gut. Kleinteiliges Denken ist in der Wirtschaft meist schädlich."
Antrag derzeit in Berlin
Ob das Projekt wie geplant umgesetzt werden kann, muss sich erst zeigen. Aktuell liegen die Anträge aus Bad Lausick und drei weitere Projekte aus Sachsen beim Bundeswirtschaftsministerium. Gibt es aus Berlin in den kommenden sieben Tagen das Okay, dann kann die Stadt die Förderung bei der Sächsischen Aufbaubank beantragen. Baubeginn ist für Juni 2024 avisiert, die Fertigstellung dann für Oktober 2026.
MDR (cke)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Leipzig | 05. Dezember 2022 | 16:30 Uhr