Ausschnitt eines Wandgemäldes: ein lächlendes Gesicht, daneben weist ein Fuß auf weitere Szenen.
Nach und nach sollen im Hygiene-Museum Dresden Teile des Wandgemäldes "Lebensfreude" von Gerahrdd Richter freigelegt werden. Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

Kunst Frühwerk von Gerhard Richter in Dresden wird wieder sichtbar

02. Februar 2024, 12:04 Uhr

Im Deutschen Hygiene-Museum Dresden wird derzeit das Wandgemälde "Lebensfreude" von Gerhard Richter freigelegt. Es war Teil seiner Ausbildung an der Hochschule für bildende Kunst in Dresden. Später floh Richter aus der DDR. Das Bild wurde 1979 übermalt. Richter lehnte seine frühen Arbeiten ab und verweigerte auch eine Freilegung. Nun darf das Hygiene-Museum das Bild doch zum Vorschein bringen – pünktlich zum 92. Geburtstag des Künstlers am 9. Februar. Interessierte können bei der Arbeit zusehen.

Noch ist die Wand in einem Treppenhausfoyer des Deutschen Hygiene-Museums überwiegend weiß. An zwei Stellen jedoch sind die alten Farbschichten bereits abgetragen und geben erste Blicke auf das monumentale Wandgemälde des Malers Gerhard Richter frei. Die 63 Quadratmeter große Diplomarbeit des damaligen Studenten der Hochschule der bildenden Künste war 1956 entstanden: "Lebensfreude" lautet der Titel: verschiedene Figurengruppen, heiter anmutende Szenen aus dem sozialistischen Alltag in der DDR.

Dresdner Museum erinnert sich

1979 wurde das Wandbild dann überstrichen und geriet nahezu in Vergessenheit. "Diesen ständigen Umgang mit Geschichte und Erinnerung, des Überschreibens und wieder Aufdeckens fand ich spannend und dieses Gemälde von Gerhard Richter verdeutlicht das ganz exemplarisch", erläutert Iris Edenheiser, Direktorin des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden. Dass das Wandbild nun in Teilen wieder freigelegt wird, verdankt sich ihrer Initiative. Anlass für sie war unter anderem die Auseinandersetzung mit der Geschichte ihres Hauses in der DDR, die ab März in der Sonderausstellung "VEB Museum" erzählt wird. 

Das Bild einer Person, die leicht nach unten schaut, vor dem Wandbild steht ein Gerüst.
Ein Ausschnitt des Wandbildes von Gerhard Richter im Deutschen Hygiene-Museum Dresden Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

"Die partielle Freilegung, um diesen Umgang mit Geschichte deutlich zu machen, war mir sehr wichtig", so die Museumsdirektorin. Sie wolle diese künstlerische Arbeit auch in einen Kontext stellen. "Ich hätte wenig Sinn darin gesehen, das Gemälde ganz aufzumachen und damit auch wieder die Spuren der letzten Dekaden zu verwischen."

Gerhard Richter überrascht mit Farben

Iris Edenheiser war nicht die Erste, die sich mit diesem Gedanken beschäftigte. Allerdings stieß eine Anfrage des Dresdner Hygiene-Museums 1994 bei Gerhard Richter auf Ablehnung. Denn von seinem Frühwerk aus der DDR hatte er, der 1961 in die BRD geflohen war, sich lange Zeit distanziert. 30 Jahre später scheint sich Richters Standpunkt offensichtlich geändert zu haben. Auf einen mit Bedacht formulierten Brief des Museums folgte relativ schnell das Ja des Künstlers.

Ein älterer Mann mit Brille in einem Atelier
Das offizielle Werk beginnt für Gerhard Richter erst nach seiner Flucht aus der DDR. Bildrechte: imago images/Becker&Bredel

Überrascht über die erneute Initiative war unter anderem Dietmar Elger, Leiter des in Dresden beheimateten Gerhard-Richter-Archivs. Für ihn war das Kapitel eigentlich abgeschlossen. Umso größer ist nun seine Freude angesichts der ersten Ergebnisse: "Wir kannten das Bild. Da gibt es gute Fotos, aber nicht eines, das farbig gewesen wäre", erklärt Elger. "Von daher war die Farbigkeit eine große Überraschung, und diese spezielle Art des Farbauftrags in kleineren vertikalen Pinselstrichen und der Gesamteindruck ist eigentlich wunderbar, jetzt schon."

Schwarz-Weiß-Bild eines Wandgemäldes von Menschen die fröhlich zwischen Bäumen und Wiesen sitzen und tanzen. Davor stehen Tische und der Raum wird von großen Deckenleuchten erhellt.
Bisher gab es nur Schwarz-Weiß-Fotos des Wandgemäldes. Bildrechte: Sammlung DHMD, Foto: Erich Auerbach

Kunst Schritt für Schritt freilegen

Seit Dezember 2023 arbeiten sich Restaurator Albrecht Körber und seine Kollegin Susan Förster schon durch die zehn Farbschichten, die über Richters Wandgemälde liegen. Zentimeter für Zentimeter lösen sie die alte Farbe ab. Dabei konzentrieren sie sich auf den Mittelteil des Wandbildes: eine Strandszene, wie eine Frauenfigur im Badeanzug bereits vermuten lässt.

"Die ersten fünf Schichten gehen erstmal trocken mechanisch, das ist eine Wachsfarbe, die zu DDR-Zeiten aufgetragen wurde", beschreibt Restaurator Körber seine Arbeit. "Dann haben wir noch fünf Kunstharzanstriche, und die können wir eben anquellen, indem wir Lösemittelgemisch auftragen. Man kann sie vorsichtig abschaben und dann kommt das zum Vorschein." Diese Methode hat das Restauratorinnen-Team gemeinsam mit der Hochschule für bildende Künste in Dresden entwickelt – Gerhard Richters einstiger Ausbildungsstätte.

Eine Person arbeitet mit kleinen Werkzeugen an einem Wandbild.
Sehr vorsichtig trägt Susan Förster Farbschichten ab. Bildrechte: Andreas Rost/Gerhard Richter

Restaurationsarbeit wird ausgestellt

Im Fachbereich Kunsttechnologie, Konservierung und Restaurierung wurden die darüber befindlichen Farbschichten analysiert – gleichzeitig aber auch zur Maltechnik Gerhard Richters geforscht, wie Professor Ivo Mohrmann erläutert: "Richter selbst beschreibt in seinem Aufsatz von 1956, dass es ihm darauf ankam, eine Art flächige, ornamentale Wirkung zu erreichen. Wie ein Teppich, wie ein Gobelin sollte man sich diese Wandmalerei vorstellen, und wir waren froh, dass sich das bei der Freilegung auch bestätigt hat. Es war ein Stück weit auch der Versuch, von einer plakativen propagandaartigen Malerei wegzukommen zu dieser dekorativen Wirkung."

Davon kann man sich ab sofort selbst überzeugen beim Besuch des Dresdner Hygiene-Museums, denn die Restaurierung erfolgt öffentlich in einer Schauwerkstatt. Möglich ist das nicht zuletzt durch die finanzielle Unterstützung der Wüstenrot-Stiftung und der Ernst-von-Siemens-Kunststiftung, die die Kosten des Projekts von 220.000 Euro tragen. Wenn alles wie geplant läuft, sollen rund 18 Quadratmeter bis Oktober 2024 freigelegt werden. Es ist gut vorstellbar, dass das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden dann zum neuen Pilgerort für Fans von Gerhard Richter wird.

Weitere Informationen Deutsches Hygiene-Museum
Lingnerplatz 1
01069 Dresden

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, von 10 bis 18 Uhr

Redaktionelle Bearbeitung: tsa

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR am Morgen | 02. Februar 2024 | 07:10 Uhr

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