Fakt ist! aus Dresden Wahlschreck oder Nichtwähler-Magnet? Dem Wagenknecht-Bündnis auf der Spur
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14. November 2023, 00:40 Uhr
Sahra Wagenknecht hat die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Seitdem wird viel diskutiert und spekuliert: Wofür stehen Wagenknecht und ihr Bündnis. Wie beeinflusst eine Wagenknecht-Partei die Politik-Landschaft in Mitteldeutschland? Wem schadet eine neue Partei? Darüber hat Moderator Andreas F. Rook bei "Fakt ist!" aus Dresden am Montagabend diskutiert. Hier die wichtigsten Erkenntnisse.
So weit ist die Parteigründung
Der Strukturaufbau des Bündnisses Sahra Wagenknecht gehe gut voran. "Die Vorbereitungen für den Parteitag laufen", sagte die ehemalige Linken-Politikerin Amira Mohamed Ali über das von ihr mitgegründete "Bündnis Sahra Wagenknecht". Zahlen wollte sie im MDR-Talk "Fakt ist! aus Dresden" aber nicht nennen. Interessierte würden Mails schicken und auch Briefe schreiben. Mitglieder könnten aber erst aufgenommen werden, wenn die Partei da ist. Die offizielle Gründung hatte Sahra Wagenknecht für Anfang 2024 angekündigt.
Ob Ali auch die Parteivorsitzende wird, wollte Moderator Andreas F. Rook wissen. Sie wolle einem Parteitag nicht vorgreifen, sagte aber: "Ich kann mir das schon vorstellen".
Hauptsache nicht wie die Piraten?
Dass die Partei nicht schnell wachsen wolle und sich genau überlege, wen sie aufnimmt, erinnerte Talkgast Frauke Petry an die Gründung der AfD. 2013 hatte sie die Partei mitgegründet, nach ihrem Ausstieg 2017 gründete sie "Die blaue Partei". "Das sind Worte, die wir 2013 auch benutzt haben und die trotzdem nicht funktionierten." Parteien würden Entwicklungen nehmen, die von den Gründern so nicht gewollt waren. "Die Piraten sind dafür ein gutes Beispiel. Sie waren das Schreckgespenst 2013 für alle, die sich in der AfD engagierten, dass man ja nicht werden wollte wie die Piraten."
Wofür steht das Wagenknecht-Bündnis?
"Wir brauchen eine vernunftgeleitete Politik in allen wesentlichen Bereichen", sagte Amira Mohamed Ali. Bei der Außenpolitik sprach sie von Entspannungs- und Abrüstungspolitik, verlangte im Verlaufe des Talks gute Löhne, höhere Mindestlöhne und eine stärkere Tarifbindung für sichere Arbeitsplätze. Die Inflation sieht sie "stark getrieben von gestiegenen Energiekosten", deren Ursachen in der Sanktionspolitik gegen Russland zu finden seien. "Die Energiesanktionen sollten wir überdenken. Eigentlich müssen sie auch fallen, auch, weil man ja sieht, dass sie Russland und der russischen Wirtschaft nicht geschadet haben."
Ali konstatierte zudem, dass der öffentliche Meinungskorridor in den Debatten zu schmal sei. Wenn man mit einer eigenen Meinung vom schmalen Weg abweiche, werde "man in eine Ecke gestellt".
Dass Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger nicht gehört, also gecancelt würden in zu engen Meinungskorridoren, hielt der Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Stefan Locke, für "absurd hoch zwei". Er verwies auf das vielfache Medienecho für Wagenknecht, ihre Bestseller-Verkäufe, Lesungen und Auftritte allerorten.
Asyldebatte und Migrationspolitik
Als Linken-Politikerin hatte sich Amira Mohamed Ali vor fünf Jahren rigoros gegen Abschiebungen ausgesprochen. Sahra Wagenknecht fiel zuletzt mit asylkritischen Tönen auf und plädierte in der Talkshow Maischberger im Ersten für Aslyzentren in Drittstaaten.
Größere Reform des Asylrechts, schnellere Verfahren
Ali betonte, dass "das Grundrecht auf Asyl besteht. Und das muss auch bestehen bleiben" für Menschen, die politisch verfolgt oder mit dem Tod bedroht werden. Allerdings benötige das Asylrecht eine größere Reform. "Wir müssen das Thema Waffenexporte ansprechen", zudem Wirtschaftssanktionen, die Bevölkerungen die Lebensperspektiven nähmen und unfaire Freihandelsabkommen. "Wir müssen Politik betreiben, damit die Menschen in ihren Heimatländern bleiben", bezog sich Ali auf die Fluchtursachen. Zudem sollten Asylverfahren schneller ablaufen. Bei Menschen, die den Schutzstatus nicht bekommen, "müsste man Sozialleistungen kürzen und schneller rückführen".
Das sei auch von der Linken und SPD zu hören, konterte Frauke Petry. Sie verlangte, die Sozialleistungen ganz abzuschaffen: "Wir werden dieses Migrationsproblem nur lösen, wenn die Pull-Faktoren abgeschafft werden."
Die einfachen Leute: Potenzial und Probleme der neuen Partei
Der Politikwissenschaftler der Universität Jena, Torsten Oppelland, empfahl, mit Wählerpotenzialen realistisch umzugehen. Die seien noch keine Wahlergebnisse. "Die einfachen Leute scheinen ihre Interessen beim Wagenknecht-Bündnis aufgehoben zu sehen." Viele Forschungen hätten gezeigt, dass "gerade die sozial schlechter Gestellten in weitaus höherem Maße nicht zu Wahlen gehen". Wenn es dem neuen Bündnis gelänge, diese Wähler anzusprechen, sei das "segensreich" für die Demokratie, denn Linke und SPD hätten das bislang nicht vermocht.
Als negative Folge erwartet der Experte, dass "die Mehrheitsbildung in den Parlamenten immer schwieriger" wird. Wie beispielsweise in Thüringen jemals wieder eine Mehrheitsregierung zustandekommen soll, sieht der Professor nicht, wenn noch ein Parteienbewerber auftaucht. Und: "Bei dem auch fraglich ist, wie er sich in die Mehrheitsbildung einbringen wird, ob er überhaupt mit irgendwem koalitionsfähig ist?"
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN | Fakt ist! aus Dresden | 13. November 2023 | 22:10 Uhr