Der Schriftzug Solarwatt ist über dem Haupteingang am Werk der Solarwatt GmbH montiert.
Das Unternehmen produziert seit 1993 Elemente für die Solarindustrie. Ende August gibt es nun die Produktion von Solarmodulen in Dresden und damit in Deutschland auf. Bildrechte: picture alliance/dpa | Robert Michael

Solarbranche Solarwatt beendet Modul-Produktion in Dresden

29. April 2024, 14:14 Uhr

Solarwatt will nur noch bis Ende August Solarmodule in Dresden fertigen. Grund für diese Entscheidung seien fehlende politische Maßnahmen, Wettbewerbsverzerrung durch chinesische Hersteller auszugleichen.

Eine Junge Frau lächelt in die Kamera
Bildrechte: Sabine Cygan

Vor einem guten Jahr wäre diese Entscheidung noch undenkbar für Geschäftsführer Detlef Neuhaus gewesen: Anfang 2023 sah es noch gut für die deutsche Solarindustrie aus, die gerade im Jahr 2022 ihre Produktion stark hochfahren konnte. Auch Solarwatt war auf Wachstum eingestellt. Nun, am Montag den 29. April 2024, muss Neuhaus die Kehrtwende für das Unternehmen verkünden: Ab Ende August wird Solarwatt in Dresden keine Solarmodule mehr produzieren. "Vorerst", so heißt es, werde die Produktion mit einer Kapazität von 300 Megawatt "ausgesetzt".

Detlef Neuhaus von Solarwatt mit dem Zitat: Gegen das Dumping der chinesischen Hersteller hat die deutsche Industrie ohne politische Hilfe keine Chance.
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Geschäftsführer Neuhaus ist im Gespräch mit MDR Investigativ wichtig zu erwähnen, dass es sich um keine endgültige Schließung des Standortes handelt. "Wenn sich die Marktbedingungen verbessern, könnten wir uns eine deutsche Produktion wieder vorstellen. Wir erhalten uns im Unternehmen dafür die nötigen Kompetenzen." Sprich: Die Maschinen würden ausgeschaltet, aber nicht verkauft. Es würden weiterhin in Dresden Qualitätstests der in China produzierten Solarmodule durchgeführt, Forschung und technische Entwicklung blieben am Standort erhalten. Das Unternehmen Solarwatt bleibe bestehen und trete noch stärker als Anbieter kompletter energetischer Systeme für Eigenheime und Gewerbebetriebe auf. Diese strategische Ausrichtung habe das Unternehmen bereits vor zehn Jahren vollzogen, sagt der Leiter für Strategie und Produktmanagement bei Solarwatt, Peter Bachmann.

190 Mitarbeiter aus Dresden betroffen

Dennoch wurden heute 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Produktion darüber informiert, dass sie ab Ende August nicht weiterbeschäftigt werden können. "Das fällt uns sehr sehr schwer", sagt Neuhaus. Solarwatt wolle zwar möglichst vielen Personen ein Übernahmeangebot unterbreiten – beispielsweise als Monteure, Logistiker oder Planer. Allerdings wisse man, so Neuhaus, dass dies nicht bei jeder oder jedem möglich sei. Die Umschulung der Mitarbeiter erfolge über die firmeneigene "Solarwatt Academy", die es seit drei Jahren gebe. Bislang beschäftigte das Unternehmen europaweit 750 Personen, davon 650 in Deutschland.

Die Produktion der in Dresden entwickelten Solarmodule wird laut Neuhaus nun komplett von einem Auftragsfertiger in China übernommen, mit dem das Unternehmen schon seit 2017 zusammenarbeite. Neuhaus betont, dass die Qualität der in China produzierten Solarmodule identisch sei und bei der Herstellung Menschenrechtsstandards eingehalten würden. Nach eigenen Angaben stammten bereits heute 80 Prozent der von Solarwatt verkauften Solarmodule aus China.

Keine Maßnahmen gegen chinesisches Dumping

Die Aussetzung der Produktion sei ein schwerer Schlag für Solarwatt, resümiert Neuhaus. "Die Produktion in Dresden ist ein Stück weit ein Gen von Solarwatt. Wir haben uns immer voll zum Industriestandort Deutschland bekannt". Umso mehr ist Neuhaus sowohl von der EU als auch von der Bundesregierung enttäuscht. "Mein Vertrauen in die Politik bei diesem Thema ist beschädigt", sagt Geschäftsführer Neuhaus. "Die Bundesregierung sieht sehenden Auges zu, wie die Solarindustrie in Deutschland zugrunde geht. Ich bin der festen Überzeugung, dass in den vergangenen Wochen falsche industriepolitische Entscheidungen getroffen wurden."

Eine Grafik zeigt eine Hand, die an einem Solarmodul arbeitet. Dazu Text. 1 min
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1 min

Deutsche Solarmodul-Hersteller hatten auf den "Resilienzbonus" gehofft. Doch der ist jetzt vom Tisch. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff ist enttäuscht.

Do 28.03.2024 10:32Uhr 00:47 min

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Neuhaus bezieht sich auf die in der Öffentlichkeit teils hitzig geführte Diskussion um Hilfen für die deutsche Solarindustrie. Die Bundesregierung diskutierte seit Ende 2023 über den Vorschlag des Bundesverbandes der Solarwirtschaft, einen sogenannten Resilienzbonus einzuführen. Dieser sollte einen Kaufanreiz für PV-Anlagen aus europäischer Herstellung darstellen. So sollte eine durch chinesisches Dumping verursachte Wettbewerbsverzerrung ausgeglichen werden. Solarwatt-Geschäftsführer Neuhaus sagt, innerhalb kurzer Zeit seien im vergangenen Jahr die Preise für Solarmodule um 60 Prozent eingebrochen. Niemand hätte dies kommen sehen, denn die Zeichen standen eigentlich gut für die deutsche Solarindustrie. Aufgrund des Angriffs Russlands auf die Ukraine und der steigenden Strom- und Gaspreise stieg die Nachfrage nach Solarmodulen stark an.

Wäre der Resilienzbonus gekommen, hätten wir noch etwas länger weitergemacht.

Solarwatt-Geschäftsführer Detlef Neuhaus

Doch dann fluteten billige Solarmodule aus China 2023 den Markt. Deutsche Solarmodule waren teilweise viermal so teuer wie Module aus China. Als Grund für den Preisunterschied wurde von der deutschen Solarindustrie die starke staatliche Subventionierung der chinesischen Solarbranche genannt. Es gebe aber auch eine Überproduktion der chinesischen Gigawattfabriken. So entstanden Preise unter Produktionskosten. Hinzu kam, dass die US-amerikanischen Regierung die Einfuhr von chinesischen Solarmodulen bereits 2022 drosselte und ebenfalls die eigene Solarbranche förderte. Die Folge: Eine Flut an billigen Solarmodulen in Europa und Deutschland.

Mittlerweile ermittelt die EU-Kommission gegen zwei chinesische Firmen wegen staatlichen Dumpings. Der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton unterstrich, dass Solarmodule für Europa von strategischer Bedeutung geworden seien. Als "industriepolitische Fehlentscheidung" bezeichnet es daher auch Geschäftsführer Neuhaus in Dresden, wenn er an das Nichtstun sowohl der EU als auch der deutschen Bundesregierung denkt. "Wäre der Resilienzbonus gekommen, hätten wir noch etwas länger weitergemacht", sagt er. Er gibt jedoch auch zu: Der Resilienzbonus allein hätte wohl nicht gereicht. Zweistellige Millionenverluste hätte Solarwatt verzeichnen müssen. Bereits Ende 2023 musste er 85 Beschäftigte entlassen.

Keine Förderung in Sicht

Der Resilienzbonus ist erstmal vom Tisch. Er sollte im Solarpaket I verankert werden. Dieses Gesetz wurde in der vergangenen Woche jedoch ohne eine solche Regelung vom Bundestag verabschiedet und vom Bundesrat gebilligt – weil sich die Regierungsparteien nicht einigen konnten. Nina Scheer, Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion teilte danach mit: "Als großer Wermutstropfen bleibt für mich, dass wir keinen Resilienzbonus für die Solarbranche durchsetzen konnten. Aus meiner Sicht ist es essenziell, dass wir eine wirtschaftlich erfolgreiche Solarindustrie in Deutschland halten – sowohl zur Sicherung der Arbeitsplätze als auch zur bedarfsgerechten Weiterentwicklung der Solartechnologien."

Während SPD und Grüne in den seit Ende 2023 geführten Debatten für eine Stärkung der Solarindustrie plädierten, um sich auch sicherheitspolitisch nicht vollständig von China abhängig zu machen, sprach sich die FDP stets gegen ein Eingreifen in den freien Markt aus. Bundestagsabgeordneter Bernhard Herrmann von den Grünen, ebenfalls Mitglied des Ausschusses Klimaschutz und Energie, bezeichnete die FDP nach einer ergebnislosen Ausschusssitzung im Februar als "Marktradikale": "Es darf nicht sein, dass Marktradikale, weltweit unfaire Marktbedingungen bewusst ignorierend, unsere Mittelstandsfirmen kaputtgehen lassen."

Doch genau danach sieht es mittlerweile aus: Europas größter Solarmodul-Produzent, das Schweizer Unternehmen Meyer Burger, stoppte Mitte März seine Produktion von Solarmodulen in Freiberg. Dem Großteil der Belegschaft wurde zu Ende April gekündigt. Insgesamt waren in Freiberg 500 Mitarbeiter beschäftigt. Meyer Burger verlagert nun seine Solarmodul-Produktion vollständig in die USA, weil das Unternehmen dort auch von Fördergeld profitiert.

Breite Ausrichtung rettet Solarwatt

Anders als Meyer Burger hat sich das Unternehmen Solarwatt in der Vergangenheit breiter aufgestellt: Solarwatt ist nicht nur Produzent, sondern auch Planer und Installateur von Photovoltaikanlagen, Batteriespeichern und Wärmepumpen. Geschäftsführer Neuhaus zeigte sich im Gespräch daher positiv und kämpferisch. "Es geht nun darum, Solarwatt noch stärker als Unternehmen bekannt zu machen, das Strom, Wärme und Mobilität mit einem Energiemanagement-System intelligent vernetzt und auch die Planung und Installation der Anlagen anbietet." Der Direktvertrieb soll noch stärker ausgebaut werden. Dafür wolle das Unternehmen in den kommenden Jahren mehrere neue Standorte eröffnen.

Solarwatt hatte bereits 2012 seine Produktion heruntergefahren, lag also bereits einmal in einem "Dornröschenschlaf", als die Solarindustrie erstmals ins Straucheln kam. Damals nahm das Unternehmen nach drei Jahren seine Produktion wieder auf. Ob dies ein weiteres Mal gelingt, dazu könnten wohl nur noch politische Entscheidungen der EU beitragen, die in Deutschland umgesetzt werden müssten.

MDR(ane)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 29. April 2024 | 19:00 Uhr

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